Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1917)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Adolf Hildebrand
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0166

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Adolf Hildebrand*

Lrleben, welches denen um Marees, Fiedlec, tzildebrand zu dem
>-H^bestimmenden Lrlebnis der Kunst geworden ist, ist das ästhetische Er-
leben der Ruhe. Wer es nicht kennt, wird nie imstande sein,
Marees' und Hildebrands Schaffen mit rechter Linfühlung zu genießen
und ihre Theorien aus ihrem eigentlichen Quellpunkte zu verstehen, und
sehr viele Menschen kennen es nicht. Vielleicht ist die Kunst der Ruhe
„undeutsch"; gerade die nordische ist in ihren berühmtesten Werken anders,
der seelische Vorgang hört bei ihr nicht im Werke schon auf, er sucht hinter
der Erscheinung ein „Transzendentes", gegen das er hindrängt. Seelisches
Suchen in allen seinen Arten vom „Sinnigen" bis zum „Faustischen" ist
ja Bewegung. Dennoch: auch die besten nordischen Köpfe und Herzen
haben immer wieder auch nach jener Ruhe verlangt und ihrethalben die
südliche Kunst bis zur Nachahmung bewundert. Wo diese Ruhe ist, schließt
das Lrleben des Kunstwerkes mit ihm selber ab. Wie es kein Ienseits hat,
hat es kein Abseits, es hat nichts, was bewußt oder unbewußt dich auf
irgendwelche Weise störte. Deshalb, weil es so ruhig ist, hörst du alle seine
leisen guten Stimmen vernehmlicher. Die weben niemals über die Grenzen
des Werkes hinaus, in edelm Schweben kreisen sie immer in sich zurück,
und so genießest du so vollkommen, wie das dem Irdischen möglich ist,
bei der Einfühlung in solche Werke das Sichselbstgenügen der Harmonie.

Aber es gibt nicht nur ein Erleben, aus dem Kunst quillt, auch nicht
nur eines, welches schlechthin das höchste ist, es gibt für jede starke Künstler-
persönlichkeit je eines. Auch Hildebrands „Problem der Form" ist aus
eigenem Schaffen herausgebildete Theorie und deshalb nicht allgemein
verbindlich. Dennoch sördern solche Künstler-Bücher auch den Theoretiker
mehr, als die objektiven Nntersuchungen eines wissenschaftlichen Fachmannes,
weil hier allein bedeutende Intelligenzen aus voller Sachkenntnis reden,
weil aus voller Erfahrung der mit Worten kaum mitteilbaren Sache,
eben des künstlerischen Schaffens. Nnd wie regen sie erst den Praktiker,
den Künstler an! Was tat es, daß Hildebrands Voraussetzungen vielleicht
nicht unanfechtbar und seine psychologischen Beweisführungen vielleicht nicht
in allem schlüssig waren? Von seinen Werken als Beispielen begleitet,
lehrten sie nicht nur, diese selbst zu verstehen, sondern zugleich die guten
älteren Werke, die jahrhundertelang aus ähnlichem inneren Schauen
herausgeboren, vor dreißig Iahren wie Verirrte aus der Fremde zwischen
den damals modernen standen. Aus der Fremde? Ia, aus der Fremde
der Vergangenheit, denn im neuen Italien und Frankreich gab es erst
recht kein edles Denkmalbilden mehr. Aberall war das Bewußtsein erloschen,
daß ein Denkmal zu schaffen nicht etwa bedeutet: irgendein Naturgebilde
in anderem Material möglichst abgußgetreu noch einmal zu machen, son-
dern: in Stein oder Erz aus innerem Schauen ein Neues zu gestalten.
Marees und Fiedler waren nur für sehr wenige da, für die allgemeine
Einsicht der Gebildeten hat hildebrand unsre Bildhauerkunst vom
Philister befreit. Für die Einsicht nur, für die Praxis noch nicht
überall. Fragen wir uns aber: ist es glaubhaft, daß nach diesem Kriege
eine Denkmalstümperei wie nach dem vorigen beginnen kann, so werden
wir keinen Augenblick wegen der Antwort zweifeln.

Hildebrands Schüler schworen zumeist nicht nur in verba, sondern auch

* Abdruck durch die Einschaltung unseres Reformationsheftes verspätet.

l27
 
Annotationen