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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1917)
DOI Artikel:
Crusius, Otto: Zu Winckelmanns Gedenktag
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Vollender und Neuanfänger, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0189

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der Frau seines Freundes Raphael Mengs, nicht alles erfreulich oder gar
vorbildlich, aber bezeichnend für die starke innere Bewegung, die die Seelen
ergriffen hatte. Das Tüchtige und Gesunde behält die Oberhand. So bildet
sich Winckelmanns Ich zu jener runden und schönen Menschlichkeit, die
Goethe als „antike Natur" empfand und die noch auf H. Beyle bezwingend
wirkte.

An der Grenzscheide, wo heute Deutschtum und Welschtum miteinander
ringen, ist Winckelmann, als angehender Fünfziger, unter den Dolchstichen
eines Italieners gefallen.

Goethe hat schöne Worte dafür gefunden, wie er nun als Mann in seiner
Vollkraft in unserm Gedächtnis fortlebe.

Die Vorstellung mag tröstlich sein: aber dem Deutschen von heute kommen
andre Fragen und Gedanken.

Winckelmann eilte aus Deutschland nach Ronr zurück. Hätte er, als
die Zeit der Erfüllung kam, nicht endgültig und innerlich den Heimweg
nach Deutschland einschlagen können? Hätte ihn jene Entwicklungsrichtung
zur Natur und Ursprünglichkeit hin, die schon Iusti nachwies, nicht an die
Seite gerade des jungen Goethe führen müssen?

Doch den Torso dieses Lebens kann niemand mit Sicherheit ergänzen.
Für uns stellt Winckelmann vor allem jene Seite des nordisch-deutschen
Wesens dar, die ihre Ergänzung sucht im Süden und im Reich der reinen
Form, und die über die Enge und Bedingtheit des Tageslebens sich hinaus-
sehnt in ein neues höheres Sein, nach freiem allseitigen Wachstum und
persönlicher Vollendung.

Denn deutsch ist auch dies und gerade dies; das wußte Ernst Moritz
Arndt, als er deutsche Art schilderte. Nnd als Deutscher fühlte sich Winckel-
mann allzeit mit Stolz, mitten unter den Welschen und im Gegensatz zu
ihnen. „Solche Werke (wie die deutsche Brutustragödie eines Schweizers)
werden ewige Denkmale zur Schaude unsrer deutschen Prinzen seyn, densn
übel wird, wenn sie nur deutsch lesen hören. Die nichtswürdigen Franzosen
und andre Ausländer haben Alles bis auf das Geblüt verdorben" (an
Geßner, Rom (7. I. (76(). „Unter anderen Dingen, für die ich Gott
preise, ist auch dies, daß ich ein Deutscher und kein Franzose bin" (an
Walther, Rom 8. XII. (759).

München OttoCrusius

Vollender und Neuanfänger

(Schluß)

Ordnerische Kraft

^ies also waren die beiden ersten Hauptstrebensrichtungen im Mittel-
^alter, die Luther in sich vollendete und zusammenzwang. Die eine in
die Tiefen des Weltseins, in den Grund des Innenlebens der Welt ein-
dringend, die andre aus den Tiefen in die Weltgestaltung einreichend.
Eine dritte, näher der Außenwelt entspringende und wirksame haben die
Germanen wohl aus früheren Schicksalen und Schicksalsgestaltungen in sich
ausgebildet. Sie kennzeichnet ihr geschichtliches Leben sehr deutlich. Die
Germanen haben sich überall, wo sie auf ihren Wanderungen hingekom-
men sind, als starke Staatenbauer, Gesellschastordner bewährt. Manche
ihrer Wanderreiche, zu fern ihrem Ausgangspunkt und mit einem gar zu
schwachen Maß von Volkstoff gegründet — kleine Minderheiten waren die
Germanen in allen ihren Außenstaaten —, konnten sich nicht halten.
 
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