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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,1.1917

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1917)
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Bröger, Karl: Sechs neue Gedichte von Karl Bröger
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14422#0201

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Aber heute, iin xerigrauen Frühschein besehn,

ist init öer toten bsnnö ein herrliches wnnöer geschehn:

Arvischen öen leblosen Fingern, erstorben unö ausgeglüht,
sinö örei blaßblaue Bluinen auf grünen Stengeln erblüht,

Leise schwanlen unö schaukeln öie Blüten im LNorgenwinö,
Schauen gut unö tief wie Augen von einem Ainö,

Unö in jeöer Brust sich sehnenöes Fragen regt:

„wer hat Frühling, blühenöen Frühling in Todes Lsanö gelegt?"

Das Vermächtnis.

lle lieben Brüöer, die schon gefallen sind,

redeir aus Stein unö Scholle, sxrechen aus wolkc und winö.

Ihre Stimmen «rfüllen mit Lllacht öen Raum,
ihre letzten Geöanlen weben in jeöem Traum.

wieöer die Stirnnre, gehalten unö xriesterlich:

„Bruöer im Leben, lebenöiger Bruder, hörst öu mich?

„Schreibe: wenn in würgenöer Schlacht ein Bruöer fällt,
geht nur sein Leib verloren, bleibt öoch sein wcrk in öer welt.

„Datz kein wirkenöer wille von seinem werke läßt,
macht öen Sinn öes Lebens hiebsicher unö kugelfest.

„Branögewölke, verzieh! Ierteil öich, Pulveröamxf!

Stärker als all« Aämxfer unö ewig ist der Aamxf.

„Schreibe: Ieöer gefallene Bruder wirbt

neue Lsänöe, öatz sein verlassenes werk nicht stirbt.

„Darum ist öer toten Brüöer letztes Gebot:

Lsaltet das werk am Leben, öann ist kein Gcoxferter tot!"

Vom Aeute fürs Morgen

Advent

inderaugen sehen, wie draußen durch
Nebel und Schnee das Christkind,
die Weltkugel in der Hand, auf denr
Lselein reitet. Wer einmal mit solchen
Kinderaugen in den nahenden Winter
hineingeschaut hat, läßt es sich nicht so
leicht wieder ausreden, daß das Wun-
derbarc unterwegs ist. Aber wie soll
es denn kommen könncn, da sich doch
das Kommen in Raum und Zeit voll-
zieht und das Wunderbare gerade des-
halb wunderbar ist, weil es den An°
schauungsformen der Sinnlichkcit ent-
rückt ist? Es cntsteht nicht und es ver-
geht nicht. Es steht nicht unter dem
Zeichcu des Werdens, sondern deS

ewigeu Seins. Das wäre ja freilich nur
um so besser und tröstlicher, voraus-
geseht, daß wir dicses uns stets um°
gleißende Wuirderbare sehen könnten.
Abcr das ist ja unser Mangel, daß wir
gerade dafür kein Auge haben. Di«
Menschheit in ihrer Kindhcit hat eins
gehabt, das beweiseu uns die Mhtheu
und Märchen. Die Menschheit in ihrer
Reife wird es wieder haben, das sagt
uns unsre Sehnsucht und Ahnung.
Aber wir haben es nicht. Wir sind
auf die Wahrnehmung der groben
Stofflichkeit beschränkt. Phhsisch und
geistig wird das Auge vom Licht ge°
bildet. Aber wir haben uns gerade
dem Licht, das unser Scelenauge bil°
 
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