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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 11 (1. Märzheft 1918)
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Schumann, Wolfgang: Zu Franz Werfels Lyrik
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Avenarius, Ferdinand: Gustav Klimt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0144
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gehört er zu den Liebenswertesterr dieser Zeit, deren tiefes Leid er durcherlebt,
deren große Hoffnung er von ferne erblickt, Und mußte er irren, ästhetisch
irren, so wird dies ihm „zngute gerechnet werden an jenem großen Tage", da
sich Bleibendes von Zeitlichem sondert. Wolfgang Schumann

Die Bücher „Der Weltfreund", „Wir sind", „Einander" und „Gesänge aus
den drei Reichen" sind bei K. Wolff in Leipzig erschienen. Die drei ersten kosten
in Pappband je o,50, das vierte 2,50 Mark.

Gustav KlimL

^^^ie moderne wienerische Kunstkultur, vielleicht die moderne österreichische
^hat den Maler verloren, der etwas wie ihr heimlicher Kaiser war.
^»^Nicht öffentlicher, nicht daß Gustav Klimt für die höchste Autorität in
Kunstdingen gegolten hätte, die anordnete oder zuließ. Das würde von ihm
nicht einmal in dem Umfange gelten, wie von seinem letzten Vorgänger im
heimlichen Kaiseramt Wiens, von Makart. Aber die Art des Sehens, des
Fühlens, des Geschmacktastens der Wiener Astheten hatte in den letzten Iahren
immer einen Zuschuß Klimt. Der Reichsdeutsche denke an die österreichische
Abteilung der Werkbund-Ausstellung in Köln. Kein Gemach, in dem man
nicht Klimt sah, auch zwischen Gegenständen durchscheinen sah, deren Gattung
er niemals ausübend behandelt hat!

Sein Ich war sehr leicht zu fühlen, aber leicht mit dem Worte änzudeuten
ist es nicht. Was dem Betrachter zunächst als Klimt auffiel, war er nicht
selbst, war irgendein andres, mit dem er zusammenging. Iapan, Lhina, auch
Byzanz und sonst alter und neuer Orient. Italienisches Präraffaelitentum
und neues englisches. Französische Schmuck- und Zauber-Malerei der Moreau-
Art, neuniederländische Mhstik aus der Gegend Khnopffs, mit Kolonial-Gütern
und Göttern dazwischen. Aber wenn er von allem nahm, so war er doch
nichts weniger als ein Eklektiker. Er nährte sich nur daraus, er verwandelte
es in Gustav Klimt.

Da ich Makart einmal erwähnte, frage ich selbst: war dieser Farbenrausch-
Kolorist etwa mit Klimt verwandt, so daß sich beider Einfluß auf österreich
aus Gemeinsamkeit erklärt? Wer Makart war, ist heute aus seinen Bildern
nicht mehr zu sehn, sie sind ja alle an leich'tfertiger Technik gestorben. In ihrer
Iugend war ein Farbenrausch zum SHwelgen und Laumeln darin, der führte,
wie bei Klimt, Tänze und Andachten vor wienerischer Frauenschönheit auf.
Aber Makarts Kolorit ist ja viel äußerlicher als Klimts, es hat viel weni-
ger von jener gefühlverbundenen verhaltenen Shmbolik, die in europäischer
Malerei von Giorgone über Böcklin eben zu Klimt geht. Und als ein neuer
kommt bei Klimt zur Venus Morpheus. Klimts Sinnlichkeit ist auch anders
als die Makarts, sie geht nicht gerade und nahhin, sie schweift aus oft dunkel
verschatteten Schlängelwegen weitum durch Nerven und Hirn. Hier ist viel
weniger Gattung, viel mehr Zeitgeist und Zeitgeschmack und viel mehr auch
persönliche — sagen wir: Kultur oder Verfeinerung? Verfeinerung nicht immer.
Manches, wie die Kontrastierung des zartest Geschwungenen mit geraden Balken
wirkt wenigstens auf mich persönlich bei Klimt oft beinahe billig, so schön dann
wieder die rechteckigen Streifen koloristisch belebt sind. Anderes scheint mir
im Gegensatze dazu in keinerlei üblem Sinne „raffiniert", sondern aus unge-
wöhnlichstem Genießen und Sich-Einbilden in orientalische Schmuckkunst von
einem europäischen Können ersten Ranges umgeboren. Gerade dieses Doppel-
spiel von hart und zartest setzte sich auch im wienerischen Kunsthandwerk fort.
Selbst Klimts Auffassung der Frau wirkte darein. Seine Frauen-Auffassung
kann man am einfachsten andeuten, wenn man sie das Gegenteil von der
des Rubens nennt. Die Ssterreicherin, geworden aus germanischem, slawischem,
romanischem und ungarischem Blut, aber nicht als Bastard-, sondern als elegante
Edelrasse. Bei Klimt erscheint sie im Einen höchst bewußt, im Andern fast
embrhonal unbewußt.
 
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