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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 14 (2. Aprilheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Jetzt
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Avenarius, Ferdinand: Rembrandts "Faust"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0047

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heit hai sich vor unsern Augsn gegipfelt. Ietzt ist das Ungeheuerste
ihrer tötenden Wucht erreicht. Nie vorher war das. Und, wenn wir
denken können: nie wird es wieder sein. Nie war das und nie
wieder wird das sein, was an Entsetzlichem und Großem zugleich eben
heute geschieht.

Anfaßlicher Gedanke!

Könnten wir ihn aufnehmen, vielleicht, er zersprengte uns. Wir können
ihn denken, aber wir können ihn nicht erleben, die Sicherheitsschalter im
Menschenhirn sorgen dafür. Aud wie das Nachbild im Auge die Farben
umkehrt, so malt die Seele zu dem wenigen, was wir davon erfassen
konnten, das friedliche Nachbild dorthin, wo wir die Wimper schlossen.
Von jetzt ab, sagt sie, wird der Krater sein Toben mildern. Er wird er-
löschen, wenn seine Gestalt auch bleibt, wie der tzauptkrater des Aetna
nicht mehr speit. Einst werden die Iahrhunderte, die Iahrtausende der
kommenden Geschichte auf ihn zurücksehn, wie der Ozeanfahrer im er-
reichten Meer zurückblickt auf den gipfelnden Gewaltigen über den letzten
Vorinselschaaren. Ist das Silbergebilde im Ather dort ein Wirklichkeits-
bild oder ein Traumgesicht? And nur dem Wissenden wird bei dieser
Vision dann gottlob vergangener Geschichte die Erinnerung wilden Stolzes
kommen, was einst der Mensch auf sich nahm, und des Entsetzens, wozu
der Mensch es kommen ließ . . .

Ietzt aber, eben jetzt ist der gipfelnde Ausbruch d a. Dem Donner dort
lauschen alle Kontinente, und noch Iahrhunderte werden glauben, sein Echo
zwischen ihren Höheu rollen zu hören.

Nembrandts „Faust"

Zeit, da man ganz sicher den Faust auf den Bühnen gibt, die Oster-
^zeit, ist wohl auch geeignet, unsre Leser für Rembrandts „Faust" zu
-^^gewinnen, soweit sie nicht längst schon dieser ebenso großen wie stillen
Schöpfung Frennde sind.*

Als die Glocken den westfälischen Frieden einläuteten, tönten sie in Hol-
land schon einem andern Geschlecht, als dem, das Rembrandt allgemein be-
wundert hatte, und eine andre Kunstmode war im Land. Man war fleißig
und fromm, achtbar und korrekt, aber auch gefühlträge, man ging vor
Bildern nicht mehr dem Ausdruck eines eigenen Iunenlebens nach, man
wünschte Bilder einfach als heitere und freundliche Gesellschafter und als
Schmuck. Man schätzte mehr und mehr das Glatte, und seit die Mater aus
Italien das akademische Wesen brachten, eben das Akademische. Bald sprach
man von Rembrandt geringschätzig, er habe ja nie Italien besucht, wo
man doch das Feine erst recht zu kosten bekomme, er wisse die „Regeln"
nicht zu würdigen, seine Kunst sei eigentlich ungebildet. Doch brachte der
Modewechsel die großen holländischen Maler jener Zeit nicht aus ihren
Wegen. Der nun schon alte Frans Hals malte weiter, wie sein frcier
Pinsel ging, Ruisdaels wehmütige Landschaften zwangen sich kein Lächeln
au, und einen Nembrandt bestärkte die Anwendung der Menschen eher
noch in seiner Eigenart, als daß sie ihn schwächte. Er wurde immer gleich-
gültiger gegen den Effekt, immer einfacher, größer und immer tiefer. Seine
Kunst ward um die Iahrhundertwende ganz und gar innerlich, und seine Mittel
suchten dem Ausdruck den allerkürzcsten Weg durch Haud und Auge zur Seele
der wenigen Empfänglichen.

* Das Blatt vor unserm Heft ist freilich Kriegsarbeit, ausreicheud nur
fürs Oberflächlichste. Ich rate, den guten Friedens-Lichtdruck nnsrer „Meister-
bilder" (Blatt 68) zur Hand zu uehmen.

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