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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 15 (1. Maiheft 1918)
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Schumann, Wolfgang: Vom Zeitunglesen
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Timm Kröger
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Gürtler, F.: Claude Debussy
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0075

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sich dadurch selbstsicherer machen — die Menge nun ist inrmer unsicher, die
Presse besorgt für sie das laute uud wortreiche Auftreten zum Zwecke der
Selbstsicheruug. Mit audern Worten: sie „macht" die „öffentliche Meinung"
wohl höchstens zu einem bescheidenen Teil, wohl aber spricht durch sie die
öffentliche Meinung, und das zu einem sehr großen Teil. W. Schumann

Timm Kröger


^^fHs^it der deütschen Heimatdichtung ist Timm Kröger, etwas spät, zuÄnsehen
/ I und Bekanntheir gekommen, und das ist für das Schicksal seiner Novellen
^bestimmend geworden. Eine kurze Ieit allgemeiner Hochschätzung war ihnen
beschieden und für die folgenden Iahre ein engerer Kreis dauernder Freunde,
wohl hauptsächlich im Norden. Dieser Kreis verengerte sich durch den Absall
der nur halb Verstehenden, als der sonderbare Kampf wider die „Heimatdichtung"
einsetzte, weil diese nicht die bedeutendsten menschlichen und künstlerischen Fra-
gen ergreife, weil sie freundliche Nnterhaltung für etwas zurückgebliebene Men-
schen sei, und wie die Redensarten immer lauten mochten. Der Freundeskreis
von Krögers Erzählungen wäre vielleicht größer gewordeu, hätten diese den
Stenrpel „Heimatkunst" nicht einmal erhalten. Zu jener geringeren Gattung, auf
die so viel, meist mit mehr Lrbitterung als sachlichem Grund, gescholten wurde,
gehörten siL kaum. Kröger bewies schaffend, daß man eine deutsche „Heimat"
„haben", daß man in einem Stück deutschen Landes wurzeln und dessen Art
mit aller Innigkeit lieben könne, ohne darum ein enger Kopf nnd cin be-
schränktes Gemüt zu sein. Wohl weht norddeutscher Wind durch seine Dichtung,
wohl rauscht es da von Ahrenfeldern, wohl zeichnet er recht kennerisch-liebhaberisch
alte Bauernhöfe und Bauerncharaktere, aber sein Blick reichte doch noch weiter.
Und hätte er nur das eine Buch „Dem unbekannten Gott" hinterlassen, in dem
ein wahrhaftiger Gottsucher sich durch die typischen Gestalteu hindurch ausspricht,
es wäre Beweises genug dafür. Als ich es jetzt wieder las, hat es mich an
Storm von fern erinnert, aber auch an Friedrich Paulsen.

Eins hat Kröger freilich nicht gehabt: „Geschick". Er war nichts weniger
als ein glänzender, ja auch nur ein meisterlicher Sprachbeherrscher, und das
überlegte und überlegene Komponieren einer spannenden, einer auch nur stark
bewegten Geschichte war seine Stärke auch nicht. Was sich ans der „Heimat-
dichtung" norddeutscher Prägung für ein sehr großes Publikum „machen"
ließ, das hat nicht Kröger, sorrdern Gustav Frenssen gezeigt. Welch ein Be-
zaubern ging von „Iörn Ahl", aus, wie hat „Hilligenlei" die Köpfe hingerissen!
Etwas „aufzumachen" verstand Kröger weder im üblen noch im besten Wortsinn.
Und doch hat unter den Norddeutschen unserer Zeit er mit am tiefsten in die
Abgründe geschaut, er mit am schwersten die Konflikte, mit am innigsten die
Freuden der schollentrenen Menschen durchlebt. Ls gibt Stellen in seinen Lr-
Zählungen, in denen es weit hinter den Zeilen braudet und braust von den
Lrschütterungen eines fühlsamen und doch starken Herzens. I. E. A.

1-

Claude Debussy

bewundert, noch mehr gescholten, einer der auffälligsten grundstürzen-
(den Neuerer in der moderneu Musik, der Vater des — vor ihm schon
^verblicheneu — „Debusshsmus", kurz, eiu ganz Anderer als die Weuigen,
die Vielen und die Vielzuvielen, hat Claude Debussy, soviel ich wciß, eins doch
nicht erfahren müssen: kein ruhig Arteilender hat ihm abgesprochen, daß er
aus wahrhaft schöpferischem Drang und Zwang, mit großer künstlerischer Kraft
seinen einsamen Weg suchte, keiner hat ihn des bloßen Virtuosentums, der
Seusationsgier, der routinierten und raffinierten Effekthascherei bezichtigt. Es
wäre freilich auch schwierig gewesen, im Kern seiner Werke etwas dergleichen
nachzuweisen, so überraschend und verwirrend auch seine auf den ersten und auf
den zweiten Vlick ohne Vorbild und Aberlieferung, ja ohne Gesetz scheinende
Technik war. Er suchte weder sinnverführende Frauengestalten, noch rauschend-
 
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