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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 15 (1. Maiheft 1918)
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Gürtler, F.: Claude Debussy
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Corbach, Otto: Die Zukunft des Parlamentarismus, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0076

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wirksame Texte, noch umspannte sein Wollen jene großen und größten Gegen-
stände der Menschheit, an die sich ein Beethoven nrrd auch ein Richard Strauß
und Gustav Mahler wagte. Sein „Lebenswerk" war die ganz eigentümliche
Musik, die sich mit Maeterlincks still-zanberischer Bühnendichtung „Pelleas und
Melisande" zu einer unzertrennlichen Einheit verband, eine Oper ohne alles
„Opernhafte", ein Werk aus einem Guß, das viele in seinen Bann zwang,
selbst wenn sie fühlten, ein denkender und zäh wollender Künstler spreche deut-
licher daraus als ein unmittelbar schaffender. Neben dem Lebenswerk erinnern
wir uns der „Meeresbilder", mit denen Debussy unvergleichlich schön die un-
gcgenständliche und doch süß-berauschende Stimmung großer Natur einfing,
auch einiger Vertonungen Verlainescher nnd Baudelairescher Gedichte, die Tieferes
erschlossen, als dem Deutschen die Verse an sich sagen mochten. Wir erinnern
nns aber anch der Musik zu d'Annunzios „Marthre de Saint-Sebastien";
sie war hilflos und gekünstelt wie von einem eingebildeten Anfänger; aber es
gereicht Debussy eigentlich zur .Ehre, daß ihn d'Annunzios äußerliche nnd kin-
dische Machc nicht fesselte. Ein Beweis mehr, wie rein aus dem Innern das
Schaffen dieses in jedem Sinne Einsamen und Echten nnd in mancher Hin-
sicht Bedeutenden kam, dem es gelang, sich eine eigne Tonwelt zu schaffen,
obwohl er selbst kaum ganz in ihr heimisch wurde, sondern den Weg zu ihr
mit stets erneuter Mühe suchen mußte. F. Gürtler

Die Zukunft des Parlamentarismus

(Schluß)

Sehr viele Äbel, die dem bisherigen Parlamentarismus anhaften,
sind durch das vvrherrschende Mehrheitssystem verschuldet. Sie können
durch die Verhältniswahl überwunden werden, die in einigen Ländern,
allerdings in noch recht unvollständigen Formen, eingeführt ist, für die
sich neuerdings auch anderwärts überall wachsende Anhängerschaften
immer wirksamer einsetzen. Das Mehrheitssystem gibt immer der Stärke
der siegenden Partei einen übertriebenen Ausdruck; oft entrechtet es
die Minderheiten völlig; zuweilen verhindert es freilich auch eine Mehr-
heit, den ihr gebührenden Anteil an der Volksvertretung zu erlangen.
Eines seiner Hauptmerkmale ist seine Anstetigkeit. Eine geringfügige
Veränderung der öffentlichen Meinung kann eine unverhältnismäßig
große Wirkung haben. Die Kraft, mit der das Pendel des Erfolges
schwingt, hängt mehr ab von der Wahlmethode als von dem Wankelmut
der Wähler. Alle diese Fehler entspringen derselben Rrsache. Die Ver-
tretung eines Wahlkreises wird der Mehrheit der Wähler darin über-
tragen, ganz gleich wie groß sie ist, während die Stimmen der Minder-
heit für nichts gelten. Der Ausfall allgemeiner Wahlen ist daher oft
nicht abhängig von der verhältnismäßigen Stärke der Parteien, sondern
von der Zufälligkeit, wie ihre Kräfte verteilt sind. Theoretisch ist der
Fall möglich, daß eine Partei in jedem Wahlkreise um nur eine einzige
Stimme in der Mehrheit bliebe und doch keinen einzigen Sitz im Parla-
ment erhielte. Das Zerrbild der Wahlergebnisse unter dem Mehrheits-
system verführt die Presse dazu, Sieg und Niederlage zu übertreiben;
der Sieg wird gewöhnlich als „glänzend" gefeiert, die Niederlage des
politischen Gegners als „vernichtend" geschildert. Der falsche Schein ver-
anlaßt eine falfche Politik. Die aus den Wahlen hervorgehende „Volks-
vertretung" glaubt, den unterlegenen Minderheiten so gut wie keine
Rücksicht schuldig zu sein. Das rächt sich natürlich, sobald eine verhältnis-
mäßig geringe Veränderung der öffentlichen Meinung das Pendel des
Ersolges bei späteren Wahlen nach der entgegengesetzten Richtung schwin-

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