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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 17 (1. Juniheft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0144

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Arbeiten sich so die verschiedenen Schulgattungen — eine ideelle „Einheits-
schule" — gegenseitig in die Hände und tritt das freie Volksbildungswesen er-
gänzend und vertiefend nrit in die Reihe der Diener an der Politischen Welt-
kunde, dann, aber auch e r st dann, werden die berechtigten Klagen über unser
trotz allenr „unpolitisches Volk" allmählich verstummen, werden manche Hoff-
nungen Feldgrauer anfangen, Gestalt zu gewinnen. Wissen und Urteilen allein
tut's freilich nicht; aber es liegt in der menschlichen Natur tief begründet, daß
gerade bei den mehr außerpersönlichen Dingen, wie das die unsrigen sind,
Wissen, Wollen und Wirken am ehesten in eine und dieselbe Richtung weisen.

Hans Offe

Vom Zeute fürs Morgen

Ordnung im Gefühlsleben

ie bringen wir Ordnung in unser
Gefühlsleben? Wir haben es eine
Zeitlang mit dem Maßhalten versucht.
Ls ist ganz richtig, daß sich der we-
niger über einen Verlust betrübt, der
sich nicht zuviel aus dem Besitz gemacht
hat. Aber die Abschwächung der Ge-
fühle macht das Leberr nicht reicher.
Die Freunde der Mittelmaßmoral woh-
nen nicht gern auf Gipfeln; aber indem
sie die Stürme vermeiden, verzichten sie
auch auf das hellere Licht der Sonne.
Ihr Leben wird ein grau in grau ge-
maltes Bild und eine Musik in ein-
tönigem Mezzoforte. Es ist doch et-
was menschlich Schönes, wenn sich je-
mand herzhaft freuen kann, und die
tiefste Trauer erscheint uns als das
Abendrot einer großen Liebe. Kaum
möglich, die Gefühle abzudämpfen,
ohne die Kraft der Liebe zn schwächen!
Da scheint es uns wirklich die bessere
Methode zu sein, die Gefühle, wenn
sie von sinnlichen und selbstsüchtigen
Zutaten gereinigt sind, zu bejahen. Wir
wollen nicht allzu mißtrauisch gegen
die Freude sein, als wäre sie ein Tro-
janisches Pferd, aus dem später ein-
mal feindliche Kriegsleute steigen
müßten. Noch wichtiger ist es freilich,
daß wir auch den Schmerz richtig neh-
men. Den körperlichen Schmerz haben
wir längst als einen wertvollen War-
ner erkannt. Indem er uns zwingt, ein
crkranktes Glied zu schonen, erleichtert
er die Heilung. Nicht die schmerzhaf-
testen Krankheiten sind die schlimmsten,
sondern die sind die unheimlicheren,
die um sich greifen, ohne sich durch
Unlustgefühle zu verraten. Auch im
Seelenleben ist der Schmerz durchaus

nicht nur ein Abel. Wenn wir nicht
nur dem Anvermeidlichen uns fügen,
sondern auch den Schmerz als ein Er-
ziehungs- und Veredelungsmittel der
Seele begrüßen, zieht ein Friede bei
uns ein, der versöhnt und verklärt.

Freude und Schmerz lassen sich ver-
einigen. Die Alten haben Demokrit
den lachenden und Heraklit den weinen-
den Philosophen genannt. Im Ge-
danken daran hat Angelus Gilesius
im „Lherubinischen Wandersmann"
gemeint: „Wer diese Welt recht nimmt
in Augenschein, muß jetzt Demokritus,
jetzt Heraklitus sein." Die reinste Freude
vermählt sich wie von selbst mit der
Wehmut, und der heldenhaft ertragene
Schmerz birgt eine hohe Freude in sich.
Betrachten wir nnsre Gefühle unterm
Schein der Ewigkeit, nein, nur unterm
Scheine des Lichtes, das abends ver-
geht und morgens wiederkommt, dann
erblicken wir traurige Freuden und
lustverheißende Leiden. Wir werden
uns auf einer gewissen Stufe der seeli-
schen Reife mancher Freuden schämen
und uns ob mancher Leiden glücklich
preisen nnd weder die edleren Freuden
noch die edleren Leiden aus unserm
Leben herauswünschen. Es gibt frei-
lich auch Gcf.ihle der Lust und dlnlust,
die uns hemmen, statt zu fördern.
Gegen die wollen wir tapfer kämpfen.
Vor allem ist alle Sentimentalität
vom Abel. Wir dürfen uns nicht selbst
in unsern Gefühlen genießen wollen,
sonst verzehren wir uns selbst und
gehen in unseren Gefühlen unter. Wer
der Freude lebt und wer sich in seinen
Schmerz einnistet, schwächt seine Kraft.
Wir sind dazu bcstimmt, uns über
Lust und Leid zu erheben. Diese Er-
 
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