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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

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Heft 19 (1. Juliheft 1918)
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Treu, Georg: Eduard von Gebhardt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0021

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liebevoll befangener Sorgfalt in die frnhraffaelische Formenwelt einzuleben,
noch die fortschreitende Anlehnung an den Reifestil Raffaels und Michelangelos
vernrochte uns eine deutsche Kunst aus Eigenem zu schaffen.

Für die Folgezeit fiel in der katholischen Kirche die Herstellung von An-
dachtsbildern immer mehr einem Handwerklichen Betrieb anheim; innerhalb
des Protestantismus aber hatte sich die kirchliche Kunst fast ganz auf das
Altarbild zurückgezogen. Auch dieses verdankte häufig genug mehr dem Zufall
der Bestellung als einem inneren Triebe des Künstlers seine Entstehung. Dem-
gemäß entwickelte sich hier eine unpersönliche Formenwelt, die sich in den
kühlen Allgemeinheiten eines raffaelisierenden Stiles aus zweiter und dritter
Hand gefiel; Christus und die Apostel wurden zn schönen Männern mit lockigen
Häuptern, wallenden Bärten und weitfaltigen Mänteln. „Es sind die biblischen
Stücke", so hatte Goethe schon früher geschrieben, „durch kalte Veredeluug und
gesteifte Kirchenschicklichkeit aus ihrer Einfachheit und Wahrheit herausgezogen
und dem teilnehmenden Herzen entrissen worden." Die fromme Empfindung
aber suchte ihr Genügen in süßlich schwächlichen Darstellungen, die sich der
Menge auch durch ihre glatte Ausführung empfahlen. Man braucht bloß an
Dürers herbe Holzschnittkunst zurückzudenken, um zu empfinden, was jenen
Andachtsbildern an Innerlichkeit und deutschem Wesen fehlte.

In diese Zeit fällt Eduard von Gebhar'dts Iugend. Er wurde l828 in der
alt«n deutsch-baltischen Nordmark, in Lstland geboren, auf deren Erlösung aus
russischer Knechtschaft wir jetzt alle hoffen. Der Künstler kam in einem Pfarr-
hause zur Welt, das fernab lag von allem Kunsttreiben. Dafür aber umfing ihn
im trauten Elternhause jene Wärme altlutherischer Frömmigkeit, an der im Val-
tenland in Treue festgehalten wird, als dem letzten Hort deutschen, schwer ver-
teidigten Volkstums. Die Gemeinde des Vaters bestand teils aus den deutsch-
baltischen Gutsbesitzern, teils aus estnischen Bauern, deren herbe, wetterharte,
von langen Bärten und bis auf die Schultern herabfallenden Haaren umrahmte
Gesichter sich dem Knaben in ihrer Artümlichkeit und ihrem Ernst so tief ein-
prägten, daß sie auch dem reifen Künstler später würdig erschienen, der Um-
gebung Iesu eingereiht zu werden. Eine Ergänzung dazu bildete für Gebhardt,
wie er erzählt, das überaus lebhafte und ausdrucksvolle Mienenspiel seiner
weiblichen Angehörigen. Auch dies hat auf den empfänglichen Knaben stark
eingewirkt. Weitere Eindrücke kommen in der Schulzeit hinzu. Er verbrachte
sie in der Landeshauptstadt Reval, die mit ihren alten Mauertürmen und
Toren, gotischen Domen und hohen Giebelhäuserr; noch ganz eine mittelalterlich
deutsche Stadt ist.

Diese Iugenderinncrungen wurden in ihrer Nachwirkung noch gesteigert, seit
öer junge Künstler mit zwanzig Iahren nach Düsseldorf übergesiedelt war.
Denn auf einer von dorther unternommenen Reise durch Belgien wurde er mit
der altniederländischen Kunst der Gebrüder Ehck und ihrer Nachfolger bekannt.
Hier traten ihm die Menschen der Lutherzeit leibhaftig entgegen, mit deren
treudeutschen Augen auch er die heiligen Geschichten sah; hier die Amgebung,
in der er sie fortan darstellte. Rembrandt wirkte ebenfalls stark auf Gebhardt.
Wenn wir nun diesem den phantastisch-orientalischen Aufputz seiner biblischen
Gestalten nicht nur nachsehen, sondern uns auch an dem belebenden Reiz ihrer
malerischeu Gewänder erfreuen — sollten wir es nicht umsomehr der Weise
unseres Künstlers gegenüber tun, der uns jene heiligen Vorgänge in dem
uns vertrauten deutschen Gewande zeigt? Hören wir doch auch die Evangelien
und Psalmen lieber in der herbkräftigen Sprache Luthers, als im gereinigten
Wortlaut neuerer Äbersetzungen.

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