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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

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Heft 19 (1. Juliheft 1918)
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Gurlitt, Cornelius: Der kommende Weltfriede
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0035

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Brüderlichkeit nicht nrehr viel halten! Sie setzen ihre Friedenshoffnung nnr
noch anf die Gleichheit. — Leere Hoffnungen. Eornelius Gurlitt

Vom Heute fürs Morgen

Von der Kritik

Outher nahm als junger Mönch in
-^der Peterskirche Anstoß an den
raschen, leichten Messen. Er trug
einen Gott in der Seele, den man mit
Furcht und Beben suchen muß. Auch
Goethe hat im heiligen Rom ein Ar-
gernis erlebt. Ein Greuel waren ihm
die Menschen, die Kunstwerke er-
ledigten wie man einen Zeitungspack
liest. Und auch bei ihm steht ein Got-
teserlebnis dahinter. Gerade von der
italienischen Reise erzählt er uns:
„Wenn man die hohen Kunstwerke
sieht, so hat man nichts zu wünschen,
als sie recht zu erkennen und dann
in Frieden hinzufahren . . . Da ist
Notwendigkeit» da ist Gott!" Was sich
in ihm erhob gegen die Heiligtums-
schänder, das war der Gott, den er
erlebt hatte. Die beiden Großen auf
dem Gebiet der Religion und der Kunst
verkünden uns: das ist deutsche
Kritikl Wollten wir ein drittes
Bild daneben stellen, so könnte es Ie°
sus sein, wie er in blitzender Hoheit
die Händler hinaustreibt aus dem
Heiligtum. Auch hier ging der Kritik
ein gewaltiges Gotterleben voraus.
Die Iugendgeschichte Iesu läßt es uns
ahnen: „Muß ich nicht sein in dem,
das meines Vaters ist?" Vor dem
Tempelsturm die stille Tempelstunde.

Wir wissen wohl, daß auch Ver-
standeskritik sein muß in Wissenschaft
und Leben, ja auch in Kunst und
Neligion. Aber die wahrhaft große
Kritik beginnt dort, wo der Gott in
der Seele sich erhebt. Vielleicht ist
es nicht der neue Gott, der aufsteht
gegen den alten, sondern der alte Gott,
der sich auflehnt gegen den neuen.
Dann mag er sein Necht erweisen und
seine Macht kundtun, wie Baal gegen
Iehovah auf dem Karmel. Wäre die
Geistesgeschichte der Menschheit ein
Kampf der Götter, dann wäre es gött-
liche Lust, ihr zuzuschauen. Aber zu-
meist streiten und schreien kleine Men-
schen wider einander. Aus Nietzsches
hochgesinnter Seele kam einmal das

Wort: Der wahrhaft Weise macht aus
seinem Eegner einen Gott mit leuch»
tenden Waffen, dann erst kämpft er
gegen ihn. Das deutet in die Rich-
tung der Eröße. Aber der wahrhaft
Große „macht" nichts, auch nicht aus
seinem Gegner. Er wird „übermocht".
Der Gott in ihm macht sich auf, um
mit leuchtenden Waffen zu streiten.
Könnte nicht der meiste Tageslärm
der Kritik ruhig verstummen in Schwei-
gen und Warten? Könnte nicht auch
unter uns sich das Prophetenwort er°
füllen: Der Herr wird streiten und ihr
werdet stille sein? „Apollo und Mi°
nerva sind nie widerlegt worden", aber
ein stärkerer Gott kam und siegte über
sie. Erhaben ist es, wenn auf den
katalaunischen Feldern der Weltent-
scheidungskampf von den Gefallenen
in den Lüften weitergekämpft wird.
Erhabener wäre es, wenn die Götter
aus den Höhen herniederstiegen und
in den Menschen ihre Weltentschei»
dungskänipfe kämpften. Das sei Kunst-
geschichte, Religionsgeschichte, Welt-
geschichte! Nsino oontru äsuin nisi äsus
ipss, schrieb Goethe über den letzten
Teil seiner Lebensbeschreibung. Got-
tes wahrer Widersacher ist Gott selbst.

Friedrich Nittelmeher

Wandertheater

ine vom Lheaterkultur-Verband
wohl vorbereitete Besprechung über
das Wandertheaterwesen im Reich
fand kürzlich in Berlin statt. Ab-
geordnete verschiedenster Parteirich-
tung, Negierungsvertreter, Volksbild-
ner, Schriftsteller, Theaterfachleute. Ein
vortrefflicher Bericht über die Sach-
lage leitete die Leilnehmer ein. Durch
den Krieg zunächst weggefegt, sind die
Wandertheater nun „in der wildesten
und unzulänglichsten Form" „in viel-
leicht noch größerer Zahl wieder-
erstanden", da das Bedürfnis derMas-
sen, abgelenkt und unterhalten Zu wer-
den, ein glänzendes Geschäft verspricht.
Diese Unternehmen „blühen", sind
aber künstlerisch, kultürlich ein Greuel.

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