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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1918)
DOI Artikel:
Spranger, Eduard: Das Problem des Aufstieges, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0058

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Das Problem des Aufstieges

/^^eit etwa IM Jahren ist die Gesellschaft bei den westlichen Kulturen in eine
Bewegung geraten. Bis dahin waren die einzelnen Stände durch
Rechtsschranken streng voneinander abgeschlossen. Der Staat wachte iin
Interesse der politischen Arbeitsteilung darüber, daß der Ldelmann, der Bür-
ger und der Bauer nicht aus ihrem Kreise heraustraten; nur zum geistlichen
Beruf gab es bei Katholiken wie Protestanten einen fromm geförderten Auf-
stieg. Und im Orient ist bis auf den heutigen Tag die Gesellschaft in Kasten
gegliedert, die in der Regel keinen Äbergang, nicht einmal eine Heirat aus
der einen in die andre gestatten. Vielleicht liegt in dieser harten Begrenzung
auch ein wohltätiger Sinn: man getraute sich nicht, der Bewegung Herr zu
werden, wenn einmal grundsätzlich jeder in alle Stellungen aufrücken oder
hinabsinken könnte.

Das Iahr f789 hat die ständische Gesellschaft überwunden und ein allgemeines
Staatsbürgertum geschaffen, indem es den ^Bürger" zu einer Art von Normal-
typus des Volksgenossen stempelte. „Vor dem Gesetz" sind in diesem neuen
Nationalstaat alle gleich. So hat es wenigstens die im f8. Iahrhundert mündig
gewordene Vernunft bestimmt. Der Sohn des Tagelöhners kann Minister
werden: keine Rechtsordnung verwehrt den Aufstieg aus einer Klasse in die
andere. Die neu entstandcnc Gesellschaft ist nicht mehr wie ein festes Land
mit Höhen und Tiefen, sonüern wie ein wogendes Meer, das den einen empor-
spült, den andern in den Abgrund zieht. Man sollte meincn, das; nun der
wirklich Leistungsfähige ganz von selbst in die Höhe kommen müßte und daß
aus der allgemcinen Freiheit die schönste Harmonie von Verdienst und gesell-
schaftlicher Geltung gefolgt wäre.

Ieder weiß, daß es nicht so ist. Das Gesetz ist eben nicht die einzige Macht
im Völkerleben. Altes Herkommen wird nicht durch Paragraphen sogleich
außer Kraft gesetzt: Es gibt neben der Rechtsordnung tatsächliche Mächte,
von denen die Schichtung der Gcsellschaft abhängig ist, mag auch tausendmal
der Grundsatz der allgemeinen Gleichheit aufgerichtet sein. So wirken alte
soziale Anschauungen lange nach; sie bleiben mit ihrem Werturteil hinter der
Zeit zurück, weil die Masse nun cinmal schwerfällig ist. Im Gegensatz zu
dicscn Beharrungsmächten der gesellschaftlichen Schähung wohnt dem Gelde
eine schnell erobernde, alle Schranken überwindende Kraft innc. Beide zu°
sammen wirken dahin, die Aufmerksamkeit vom echten Verdienst abzuziehen

2. Iulihcft t9,8 sXXXI, 20)

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