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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

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Heft 21 (1. Augustheft 1918)
DOI Artikel:
Rathenau, Walther: Sicherungen
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Trentini, Albert von: Über Schönherrs "Volk in Not"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0101

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Millionen frei werdende Mnnitionsarbeiter, verstärkt um zwei Millionen Rest--
bestand der französischen und englischen Heere anf der Insel verfügbar sind,
die Hälfte für Schiffban, die HLlfte für Friedensindustrie. Unter denr Schutze
der Blockade wird man versuchen, die warenhungrige Aberseewelt mit Frachten
und Fabrikaten zu versorgen und alljährlich eine friedlich erpreßte Kriegs-
entschädigung von fernen Freunden einzutreiben. Zum Kampfplatz wird der
Ozean.

Inzwischen ist auf den europäischen Gefilden die Lage der Mittelmächte so
beherrschend wie nie znvor. Vom Kaukasus zu den Pyrenäen reicht ihr Macht-
gebiet. Italien liegt wehrlos, das Mittelmeer mit allcn seinen Buchten ist
erschlossen, der Orient steht offen, der Ilnterseekrieg ersteigt seinen Gipfel.
Zum Kampfplatz wird das Mittelmeer und der Osten.

Freilich steht eine neue Umstellung unserer Wirtschaft uns bevor, die ge-
waltigste seit Beginn des Kriegs. Die Mnnitionserzeugung, die den über-
wiegenden Teil unserer Gewerbe heute beschäftigt, ist beendet, die Heimkehr
dcr Millioncnheere beginnt, es mnß für eine Wirtschaft ohne Zufluß und Ab-
fluß Arbeit geschafft werden. Sie wird im Innern und zur See sich finden,
zum großen Teil auf Staatskosten; Wiederherstellung und Erweiterung von
Verkehrsmitteln und Wohnstätten ist ihr erstes Ziel. Die neue Amstellung wird
gelingen, wie die früheren gelungen sind, denn nnsere Arbeitskraft, Iuversicht
und Willensstärke ist ungebrochen.

Damit beginnt der letzte, gänzlich vorbildlose nnd vielleicht langwierigste
Abschnitt des Krieges. Die sichtbaren Berührungsflächen mit dem Fcinde ver-
ringern sich, auf beiden Seiten wächst der innere Druck. Die phhsische Kraft-
entfaltung nimmt ab, der Krieg wird zur reinen Frage des Geistes und
Willens. Dieser letzten Prüfung ist Deutschland gewachsen.

Doch auch dieser Abschnitt geht zu Ende, wenn auch vielleicht nach vielen
Iahren. Dann werden manche nnserer heutigen politischen Vorstellungen ver-
gessen sein. Man wird den Krieg als das erkannt haben, was er ist: die wirt-
schaftliche und soziale Revolntion der Alten Welt, man wird seine Ursachen
in den sozialen Spaltungen und in ihren nationalistischen nnd imperialisti-
schen Folgeerscheinungen finden. Die Sicherungen verlegen sich in das Innere
der Staaten. Kraft nnd Gerechtigkeit der Völker und ihrer Einrichtungen
werden als die stärksten Sicherungen erkannt. Annexionen werden nicht mehr
im Bilde der Begehrlichkeit erscheinen. Warum sollen nicht Gcbiete, die or-
ganisch zusammenhängen odcr sich ergänzen, zu einheitlichen Staatsformen sich
vereinigen? Es steht nicht geschrieben, daß nach einem Kriege, der wie kein
zwciter das Angesicht dcr Erde durchfurcht hat, die Grenzen der Staaten un-
berührbar sein müssen. Sollten nach diesem Kriege die Grenzen, die Bund-
schaften Dentschlands sich erweitern, so wird es weder aus Ländergier, noch aus
Sichcrungsangst geschehen, sondern aus organischem Gesetz. Der Friede, den
wir erleben oder nicht erleben, wird ein Gesinnungsfriede sein.

Walther Rathenau

Über Schönherrs ^Volk in NoL"

^^er „Weibsteufel" ist von vielen entweder als vorübergehende Entglei-
>-^^sung des Dramatikers bänerlicher Primitive oder als erstes Anzeichen
entschlossener Abkehr zur polyphonen Psychologie gedeutet worden. Ein
gründlicher Irrtum; denn das Maß der Existenzberechtigung jedes ein-
zelnen Werkes eines Künstlers steht in geradem Verhältnis znm Maß
der Notwendigkeit, mit der es dem inneren Entwicklungsgang des Künst-
lers entspringen mußte. Von den früheren Werken Schönherrs hat zum
mindesten „Erde" den Beweis erbracht, daß Schönherr nach der inneren
Kraft ringt, Allerweltsinn auch in die Hülle von Bauern zu gießen, und
daß er diesen Sinn vielleicht gerade deshalb in dies primitive Gewand

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