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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1918)
DOI Artikel:
Trentini, Albert von: Über Schönherrs "Volk in Not"
DOI Artikel:
Spranger, Eduard: Das Problem des Aufstieges, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0106

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gebotenen Respekt vor Shakespere, und zugegeben, daß seine Dramen
von dauernder Wirkung und überdies die Spiegel sind, in die auch der
Dramatiker von heute mit schleierlosestem Auge zu blicken hat. Aber
ebenso unwahr wie die Behauptung, Shakesperes dramatisches Genie
gipfele in der Handlung als solcher, — ebenso unverzeihlich erscheint es
mir, daß zu den Symbolisten, Expressionisten und bestenfalls zu den
waschlappigen Romantikern gezählt wird, wer begreiflich zu machen ver-
sucht, daß Handlung nicht etwas ist, dem die Entwicklung der Zeiten
nichts anhaben kann. Ich werde mich hüten, zur Verteidigung dieser
Verständigungssucher — die Schönherr nicht im geringsten für sich in
Anspruch zu nehmen braucht! — das Wort von der Entwicklung der
Psychologie mehr als nur fallen zu lassen. Aber ich stelle die Frage:
Ist unser Zeitalter ein handelndes (Handeln im Sinne der angeblich
shakespereschen Handlung gemeint!), ein aktives, innere Konflikte durch
zähe, tatsinnliche Entschlüsse lösendes — oder nicht? Hat dieses Zeit-
alter mit dem Ausbau der inneren Persönlichkeit des Einzelnen, mit
der absichtlichen Objektivierung der Gehirne eine Verfassung der Geister
geschaffen oder nicht, die sich davor scheut, Knoten zu zerhauen, und es
vorzieht — aus dem ungeheuer gesteigerten Gefühl von persönlicher Ver-
antwortlichkeit und von der Bedingtheit aller gegebenen Werte heraus
vorzieht, die Lösung in der geduldigen Ausprobe aller organischen Ent-
wirrungsmöglichkeiten zu versuchen? Und — wenn hier gleich einge-
wendet wird: wenn aber der Knoten in diesem Geduldspiel nicht gelöst
werden kann? —: hat diese Geistesverfassung nicht ganz und gar folge-
richtig dazu geführt, gewisse Konflikte als überhaupt unlöslich, ihre
Tragik aber gerade in dieser Unlöslichkeit anzuerkennen?

Gewiß: wenn jemand — ohne Einsicht dafür, daß die inneren Ent-
wicklungen der Menschheit ebenso den Naturgesehen gehorchen wie der
außermenschliche Kosmos und daß daher „Umleruen" in diesem Zu-
sammenhang nichts anderes bedeuten könnte als „Zurückgehen" — wenn
jemand beklagen zu müssen glaubt, daß die Physis der heute sehr be-
wußt Lebenden immer mehr unter das Ioch der Psyche kommt und da-
mit naturgemäß äußere Handlung immer kräftiger durch innere ver-
drängt wird, — er Mag es auf seine Weise wie immer beklagen! Aber
dagegen, daß aus solch rein persönlicher, meistens nicht einmal ober-
flächlich überprüfter Geschmacksrichtung heraus, und geradezu schlagwort-
artig, die Erhaltung und Einhaltung von Kunstgesetzen gefordert wirdj
die einer endgültig versunkenen Zeit ebenso organisch entwuchsen, wie
der Gegenwart neue entspringen, — dagegen darf sich die heutige dra-
matische Kunst mit Fug und Recht wehren! Albert von Lrentini

Das Problem des Aufstieges

(Schlußt

Wahre gesellschaftliche Bildung wächst aus dem Wesen des Menschen heraus;
sie kann ihm nicht von außen her aufgeprägt werden. Deshalb verrät sich
auch alles Unfertige, alles Unsichere und innerlich Formlose unweigerlich in
dem Auftreten, sobald man den gewohnten Kreis verläßt. Es ist die Frage,
ob man nicht durch den Aufstieggedanken geradezu solche Mißverhältnisse
züchtet. Auch dieser Gedanke könnte ja ein eiliges Schlagwort sein, erzeugt
von einer Zeit, der der Sinn für die inneren Maße verloren gegangen ist.
Man muh sich hüten, solchen Sirenenstimmen willenlos zu folgen. —

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