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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1918)
DOI Artikel:
Mumbauer, Johannes: "Klassisch" und "romantisch" im heutigen Katholizismus, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0163

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Tcchnischcn ein, etwa gleichbedeutend mit formvollendet, oder wie nran sagt
„erstklassig". Darauf deutet auch hin, daß er als „Bedingungen" und „Vor-
dotcn" einer kommenden klassischen Epoche, wie er sie erhofft, aufzählt: „Das
Streben nach sachlicher Ruhe und objektiver Klarheit, das sichere Gefühl für
die Grenzen der verschiedenen Künste, das vorsichtigere und bewußte Abstand-
lxrlten des Künstlers von seinem Werk, nicht zuletzt das Riugen nach eincr
Geschlsssenheit des Geisteslebens." Allzu klar sind diese Andeutungen nicht.
Leider fand Muth, weil die Gralbewegung an ihrer innern und äußern Dürftig-
keit bald verflachte — gegenwärtig sucht sie samt ihrem Organ, ohne ihre
großen Versprechungen auf Erneuerung der christlichen Dichtkunst eingelöst zu
haben, wieder Anschluß an die früher als unkatholisch bekämpften Gegner —,
keine Gelegenheit mehr, seinen Standpunkt schärfer zu umreißen. So blicb
denn die Frage als latentes innerkatholisches Problem, geeignet, jederzeit akut
zu werden, einige Iahre unausgetragen in der Schwebe.

Kurz vor dcm Weltkrieg trat der als Lhriker bekannte Christoph Flaskamp
ihr wieder näher, u. a. in einem Vortrage aus dem Iahre chs2, den er erst
lhch, wahrscheinlich durch die von der Weltkrisis aufgerührten Geistesbewegungen
vcranlaßt, unter dem Titel „Die deutsche Romantik" * veröffentlichte. Es ist
eine katholische Programmschrift in optiinn lormL. Für Flaskamp ist „die
Romantik", d. h. jene bestimmte historische Erscheinung, die die deutsche „Auf-
klärung" und „Klassik" ablöste, und zwar nur soweit, als es ihm beliebt, sie
für echt zu erklären — denn er weiß selbstverständlich, daß die bewußte Romantik
auch recht unchristliche Elemente in sich schloß —, und die er scharf gegcn „d a s
Romantische" im allgemeinen Sinne abgrenzt, die wenigstens grundsätzliche,
wenn auch nicht voll zur Durchführung gekommene Erfüllung des der christ-
lichen „Aniversalpoesie" zugrundeliegenden romantischen Ideals. Der Ausgangs-
punkt ist dieser: „Das Nomantische ist ein Zuwidersprechen und ein Zuwider-
handeln gegen den Materialismus, gegen die nüchterne Wirklichkeitsansicht,
der Mensch und Natur als rein aus sich, rein an und für sich selbst, ohne
übersinnliche unü übernatürliche Beziehungen da zu sein scheinen. Romantischer
Charakter haftet allen wirklich kernig volkhaften Dichtungen, Märchen, Sagen,
Lrzählungen, Rätseln an. Das Romantische läßt das Wirkliche als bestehend
gelten, gewahrt aber gehcimnisvolle Zusammenhänge. Deshalb ist es aber auch
cin Einspruch in sogenannte idealistische Erfahrungs- und Erkennungsversuche
und in Versuche, die Wirklichkeit zu verschönlichen, zu beschönigen oder zu ver-
häßlichcn." Es ist „kurzweg unsre Erdwirklichkeit", aber die ganze und volle
Wirklichkeit, ohne Abflachung und Linschränkung, mit Einschluß also auch dcs
höheren organischen geschichtlichen Zusammenhangs der Menschheit und ohne
Ausschluß der positiven religiösen Gegebenheiten. Es gibt nun Zeiten „heil-
loser Verkümmerung dieses ursprünglichen Menschheitsbewußtseins und Welt-
gefühls", so insbesondere im Humanismus und in der Renaissance und „endlich
vollends und am ärgsten in der neueuropäischen Kulturstrebung seit der Re-
formation". „Das Romantische ist keine Erfindung der Romantiker, sondern
die Wiedercntdeckung und Wiedererweckung eines menschheitlich ursprünglichcn
und alten Weltgefühls und Weltbewußtseins unter einem neuen Namen. Die
Romantik ist nichts anderes als der jüngste geschichtliche Austrag, die jüngste
Zusammenfassung aller früheren romantischen Energien . . . ein neuer weiterer
Lösungsversuch, und zwar zunächst innerhalb der deutschen Geistesgeschichte, in
ciner genauen Zcit, unter ganz genauen Voraussetzungen, Umständen und
Folgcn." Flaskamp legt das insbesondere an dem Beispiel der gegensätzlichen
Entwicklung Goethes und Friedrich Schlegels dar. Die Romantik hat das
von ihr wieder aufgenommene „gotische Ideal" nicht erfüllt, nach der Enge der
philosophischen und künstlerischen Shsteme wieder die volle Wirklichkeit und
Wahrheit dcs Lebens, den christlichen Unioersalismus, den Organismus wieder
zu gewinnen, der die Begriffe Gott, Mensch, Natur in richtiger Ordnung und

* Warendorf in Westf., I. Schnellsche Verlagsbuchhandlung.

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