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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1918)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Suggestionskrieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0187

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Suggestionskrieg

^^reierlci Krieg wird gegen uns geführt: der mit den Waffen, der mit
Hder Sperre und der mit der Entwertung. Mle drei ergänzen und
helfen sich. Auf den mit der Waffe waren wir nach den Iahren der
„Einkreisung" ganz gefaßt, auf den der Absperrung zu wenig, auf den der
Entwertung gar nicht. Die Bedeutung des Waffenkriegs gegen uns hat jeder
Deutsche begriffen, die der Sperre noch lange nicht jeder zwcite (sonst wäre eine
Menge von Vorgängen und Unterlassungen daheim unmöglich), die der Ent-
wertung höchstens vom Hundert einer. Und doch ist die Frage, ob nicht der
Krieg des Entwcrtens der allerernsteste der drei Kriege ist, und nicht einmal nur
für uns Deutsche. Am schon mit dem ersten Beispiel schnell zu beleuchten:
ohne ihn wär' es unmöglich gewesen, das amerikanische Volk gegen uns zu
stimmen, was Voraussetzung der Kriegserklärung Amerikas war. Ohne den
Suggerier-Krieg wäre der englische Geschäftskrieg und wäre der englische Cant,
ohne ihn wäre der Ursprung des englischen Willens zum Aushungern und
Auspowern und wäre das zweierlei Maß bei allem Vergleich deutschen und
fremden Verhaltens rings in der Welt durchschaut worden. Ohne ihn wär'
es unmöglich gewesen, gegen uns als angebliche Hunnen und Barbaren „zum
Kampfe für die Gesittung" „das Menschengeschlecht" zu „mobilisieren".
Ohne ihn wäre eine Verständigung zwischen den Völkern unvergleichlich leichter.
Geradezu gcsagt: ohne ihn wäre der Weltkrieg seit Iahren zu Ende.

Aber dcn Krieg der Entwertung erleben wir Deutschen
unmittelbar nicht mit. Er wird ja weder bei uns daheim noch an den
Fronten geführt. Er arbeitet allein im Auslaird. Von ihm hören wir nur,
und selbst das bloß gelegentlich, während wir Waffen- und Wirtschafts-
krieg an uns und den Unsrigen tagtäglich erleben. Hören wir von ihm,
denken wir auch noch nicht viel drüber nach. Daß wir im Auslande
„unbeliebt" sind, wissen wir, suchen, was sehr in der Ordnung, für unsre
Selbsterkcnntnis daraus zu lernen, und über die Verleumdungen, je nun, je
nach Lempcrament: wir empören uns darüber, oder zucken darüber die Achseln
und denken: Hindenburg wird's schon ausgleichen. Nicht einnral die Tatsache,
daß England seinen Lord Northcliffe zum „Propagandaminister" ernannte, gab
den meisten bei uns Anlaß zu besonderem Aufhorchen, sie nahmen's wohl gar
als eine Art komische Kuriositäk. Nach Kriegsbeginn ist der großen Mehrheit
bei uns die Eroberung jeder Festung wichtiger erschienen als die Tatsache, daß
Eugland alle deutschcn Kabel zerschnitt, deren es habhaft werden konnte, daß
es überhaupt alles zu unsrer geistigen Absperrung tat, alles, um die Welt die
Dinge ausschließlich so sehn zu lassen, wie die Entente sie beleuchtete. Das Un°
geheuerlichstc, was vielleicht seit Kriegsbeginn überhaupt geschehn, wurde von
der großen Mehrzahl bei uns so wenig beachtet, daß es nicht einmal in den Witz-
blättcrn eine größere Rolle spielte: Englaud siebte Briefe, Depeschen, Zcitungen,
siebte das gesamte geistige Korn Europas für Amerika dnrch, und dieses, dies
noch neutrale, dieses demokratische, dieses auf seine Kraft und Frei-
heit so stolze Amerika duldete die Zubereitung und Zumessung all seiner

2. Septemberheft ,s>8 ,XXXI, 2-,'

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