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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1918)
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Lassalle über Zeitungsannoncen: in Sachen der Volkswirtschaft mit Geistgut
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https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0202

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Lafsalle über Zeitungsanrroncen*

Zn Sachen der Volkswirtschaft mit Geistgut
kann Luch hier nicht die Geschichte der europäischen Presse geben.
^t Genug, einst war sie wirklich der Vorkämpfer für die geistigen Inter--
^Fessen in Politik, Kunst und Wissenschaft, der Bildner, Lehrer und gei--
stige Erzieher des großen Publikums. Sie stritt für Ideen und suchte zu
diesen die große Masse emporzuheben. Allmählich aber begann die Ge--
wohnheit der bezahlten Anzeigen, der sogenannten Annoncen oder In-
serate, die lange gar keinen, dann einen sehr beschränkten Raum auf der
letzten Seite der Zeitungen gefunden hatten, eine tiefe Umwandlung in
dem Wesen derselben hervorzubringen. Es zeigte sich, daß diese Annoncen
ein sehr ergiebiges Mittel seien, um Reichtümer zusammenzuschlagen,
um immense jährlicheRevenüen aus den Zeitungen zu schöpfen. Von Stund
an wurde eine Zeitung eine äußerst lukrative Spekulation für einen kapital--
begabten oder auch für einen kapitalhungrigen Verleger. Aber um viele
Anzeigen zu erhalten, handelte es sich zuvörderst darum, möglichst
viele Abonnenten zu bekommen, denn die Anzeigen strömen natür-
lich in Fülle nur solchen Blättern zu, die sich eines großen Abonnenten--
kreises erfreuen. Von Stund an handelte es sich also nicht mehr
darum, für eine große Idee zu streiten, und zu ihr langsam und allmäh-
lich das große Publikum hinaufzuheben, sondern umgekehrt, solchen
Meinungen zu huldigen, welche, wie sie auch immer beschaffen sein
mochten, der größten Anzahl von Zeitungs-Käufern (Abonnen-
ten) genehm sind. Von Stund an also wurden die Zeitungen, immer
unter Beibehaltung des Scheins, Vorkämpfer für geistige Interessen zu
sein, aus Bildnern und Lehrern des Volks zu schnöden Augendienern
der geldbesitzenden und also abonnierenden Bourgeoisie und ihres Ge-
schmackes, die einen Zeitungen gefesselt durch den Abonnentenkreis, den
sie bereits haben, die andern durch den, den sie zu erwerben hoffen, beide
immer in Hinsicht auf den eigentlichen goldenen Boden des Geschäfts, die
Inserate.

Von Stund an wurden also die Zeitungen nicht nur zu einem
ganz gemeinen, ordinären Geldgeschäfte, wie jedes andre auch, sondern
zu einem viel schlimmeren, zu einem durch und durch heuchlerischen Ge-
schäfte, welches unter dem Scheine des Kampfes für große Ideen und für
das Wohl des Volkes betrieben wird.

Habt Ihr einen Begriff von der depravierenden Wirkung, die diese
täglich fortgesetzte Heuchelei, dieses Pfaffentum des (9. Iahrhunderts, all-
mählich auf Verleger und Zeitungsschreiber hervorbringen mußte? (S. 2()

T

^vch habe Euch gezeigt, daß das Verderben der Presse mit Notwendtgkeit
Odaraus hervorgegangen, daß sie unter dem Vorwand, geistige Interessen
zu verfechten, durch das Annoncenwesen zu einer industriellen Geldspeku-
lation wurde. Es handelt sich also einfach darum, diese beiden Dtnge zu
trennen, die ja auch nichts miteinander zu tun haben. Insofern dte
Presse geistige Interessen vertritt, ist sie dem Volksschulredner oder Kanzel-
prediger vergleichbar; insofern sie Annoncen bringt, ist sie der öffentliche

* Aus Ferdinand Lassalles Rede: „Die Feste, die Presse und der Frankfurter
Abgeordnetentag" (gehalten September neue Ausgabe erschienen s892 im
Verlag des „VorwLrts", Berlin)

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