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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1918)
DOI Artikel:
Fischer, Aloys: Georg Simmel: (geb. 1. März 1856, gest. 27. September 1918)
DOI Artikel:
Hagen, Maximilian von: Kulturpolitik als Wissenschaft: Bücher der Zeit 12
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0068

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Theoreme, sondern die intellektuelle Bewältigung des eigenen Lebens, der
eigenen Zeit, der VersuH, von nnserer Lage aus zu Ende zu denken. So griff
er — dies namentlich gern in seinen öffentlichen Vorträgen — immer eine Zeit-
oder Tagesfrage heraus, knüpfte an eine gefühlte Not unseres Gegenwartslebens
an und spann von da aus seinen Faden in die letzten Allgemeinheiten. Wenn
man die Gegenstände seiner gesammelten Aufsähe allein ins Auge faßt, erhält
man ein lebhaftes Bild von seiner dem Leben der Gegenwart zugewandten Ein-
stellung. Würden nicht die meisten Vertreter der Philosophie an unseren Hoch-
schulen Bedenken tragen, beispielsweise das Geschlechterproblem aufzurollen?
And doch umschließt es die tiefsten Nöte und die größten Fragen, ist wahrhaft
philosophiewürdig. Der zweite Grund für seine Wirkung war die Art seiner
Philosophie. Er war, was ältere Zeiten einen Moralisten genannt hätten, ein
Denker, der im tiefsten bewegt wurde von den Fragen der „absoluten Forderung^,
von den Werten und Zielsetzungen des schaffenden Lebens, von ihrem Necht
und Unrecht, und den Normen, denen unsere Entscheidung darüber folgt. In
dieser Bcschränkung der Philosophie auf das Moralische — im weiteren Sinn
des Wortes — sehe ich einen Ausdruck von Simmels Iudentum, soweit eine
geschichtliche Iusammenstellung wenigstens ein spezifisch Iüdisches in dcr Philo-
sophie anzuerkcnnen erlaubt. Dieselbe Einstellung auf das Problem des Sinnes
des Lebens finden wir — wie bei Simmel so — in der jüdischen Philosophie
zu Beginn der christlichen Zeitrechnung, oder bei Spinoza und Mendelssohn.
Vielleicht ist der beste Gruird dafür darin zu suchen, daß für den Iuden —
nach dem Abfall von scinem Glauben und seinem Gesetz — Philosophie un-
entbehrlich wird als Basis seines Daseins, als seine Form der Religion.

München Alohs Fischer

Kutturpolitik als Wissenschaft*

Bücher der Zeit s2

^^m Kampf der Geister um die Zukunft unsercr Kolonialpolitik — ein Kampf,
»T der, je länger der Krieg dauert, um so eher einer endlichen Klärung bedarf —
^)ist ein bibliographischcr Aberblick über die Leistungen der Wissenschaft auf
diesem, in Dcutschland leider so wenig beachteten Gcbiete gerade heute sicherlich
geboten. Altere Kolonialvölker, die ihre Erfahrnngen schon lange wissenschaft-
lich verwerten konnten, haben uns auf diesem Felde lange Zeit den Rang ab-
gelaufen. Und doch haben auch wir kolonialwissenschaftlich sehr viel mehr
Wertvolles zu verzeichnen, als dem großen Publikum bekannt ist.

Allerdings ist, wenn man von Roschers Standardwerk über „Kolonien und
Kolonialpolitik" absieht — ein Buch, von dem einst das Ausland spotten durfte,
daß es das beste seiner Gattung sei, obwohl das deutsche Volk zum Kolonisieren
unfähig sei—, die deutsche Kolonialliteratur erst seit der Entwlcklung unserer über-
seeischen Besitzungen im 20. Iahrhundcrt zu ihrer Höhe emporgewachsen. In den
vorhergehenden Iahrzehnten beschränkte sie sich auf Erinnerungen odcr Besse-
rungsvorschläge überseeischer Pioniere oder Forscher, die dank der langsamen
Entwicklung unsercr Schutzgcbiete, sowie infolge von allerlei Rückschlägen, wie sie
Aufstände oder unvermeidliche Kolonialskandale mit sich brachten, mehr und mehr
in ein pcssimistisches Fahrwasser gerieten. Erst der Aufklärungsfcldzug Bern-
hard Dernburgs hat unstreitig auch die wissenschaftliche Seite der Kolonial-
literatur neu bcfruchtet. Seitdem ist die Erforschung und Vcrtiefung der k.olonial-
politischen Probleme in beständigem Wachscn geblieben, und erst der Krieg hat
dem, wenigstens in den Augen dcr öffentlichen Meinung, eine Schranke gesetzt,
wozu das bcdauerlichc Auftreten fanatischer Politiker, die ohne die Niederwerfung
Englands jeden Kolonialbcsitz für wertlos erklärten, wesentlich beigctragen hat.

* Die nachfolgenden Ausführungen bilden die Einleitung einer demnächst er-
scheinenden Ratgeber-Schrift des Dürerbundes: „Die Wissenschaft
unserer Kolonialpolitik" von M. v. Hagen. Die umfassende Bibliographie, welche
den Hauptinhalt der Schrift bildet, konnten wir leider nicht abdrucken. K-L

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