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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 3 (1. Novemberheft 1918)
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Schumann, Wolfgang: Wandlungen
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Sieger, Robert: Österreichische Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0103

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daß ein Gewitter, wie das durchlebte, leicht wiederkehren kann, daß es aber
vielleicht nicht wiederkehren muß und nie wiederkehren soll, daß wir, die es
erlcbt haben, die ahnunglose Nachwelt davor bewahren sollen, es nochmals zu
erleben, daß wir dafür von dem, was uns recht und billig, wichtig und hcilig
schien, opfern müssen, was immer demütige Aberlegung zu opfern gebictet.
Wir werden den Sinn der Nevolution, welche aus der Organisation wurde,
durchsinnen müssen Tag um Tag, um sie in neue Organisation überzuführen.

Das alles, Besinnung, Demütigung, Opfer und Aufbau, ist den andern
Völkern auferlegt wie uns. Dadurch wird es zehnfach schwer. Nicht froh-
gcmut und des Erfolges fraglos sicher werden wir an den Neubau gehen.
Sorgenvoll werden wir über die Grenzen blicken, ob die andern mit uns
gchen, angstvoll werden wir Rückschläge beobachten, Rückfälle gewahren. Laut
werden die Stimmen erklingen, die uns vor Trug und damit vor Bernichtung
warncn. Iweifelnd werden wir uns fragen, ob unsere Denkkraft ausreicht,
das ncue Haus sinnvoll, dem Wunsch, dem Entwurf gemäß zu errichten, ob
uns unser Gefühl nicht abermals irreleitet, ob die Organisation nicht wiedcrum
in Revolution und diesmal in noch grauenvollere Revolution umzuschlagen
bestimmt ist. Mit Schmerzen werden wir erfahren, daß andere und gut und
ernst Gesinnte neben uns unsern Bau als Teufelsblendwerk mit grimmigem
Eifer befehden. Und bald werden wir sehen, daß der Bau nicht Sache von
Iahren, sondern von Iahrzehnten ist, daß auch wir Iungen seine Befirstung
kaum erleben werdcn, daß dcr Schlaf der Welt noch lange nicht ausgeschlafen
ist. Nichts aber wird uns vor dem Ansturm solcher Sorgen, Angste, Zweifel,
Warnungen, Feindschaften sichern, als das wache Gedächtnis daran, daß so
Angcheures geschehen konntc, wie nun geschehen ist, daß Menschen möglich
waren, die sich an dies Ungeheure gewöhnten, daß aus unerforschlichen Tiefen
dcr Wille sich aufbäumte, solche frevlerische Gewöhnung abzuwerfen. Vielleicht
wird auch die Zukunft nur „Wandlungen" bringen, die nichts als Wandlungen
sind, kaleidoskopische Geschehnisse für die, welche aus jahrtausendfernen Zeiten
auf das arme Geschlecht von heute, morgen und übermorgen zurücksehen. Aber
es soll unserm Willen entsprechen, was geschehen wird. Dem neuen Willen,
der aus einer Zeit willenloser Gewöhnung aufgewacht ist.

Wolfgang Schumann

Österreichische Menschen

^Mit folgendcm Aufsatz geben wir, ohne damit unsere eigene Stellung um-
schreiben zu wollen, dem bckannten Grazer Hochschulprofessor Robert Sieger,
ainem anerkannten Vertreter des Deutschtums in österreich, das Wort. Prof.
Sieger schreibt uns dazu noch: „Seit dies geschrieben wurde, hat die plötzliche Ver-
änderung der Weltlage auch in Osterreich einen Umschwurig gebracht. Das
»Neuösterreichertum« ist zusammengebrochen, aber auch die deutschen Vertei-
diger des Einheitsstaates mußten sich auf rein uationalen Boden zurückziehen.
Die Haltung der andern Völker bestätigt vollauf das hicr Gesagte. Wer der
Zukunftfrage ins Gesicht sehen will, ob der Weg dcr Auflösung endgültig
bctreten ist oder andere Wege zum neuen Zusammenschluß führen können,
muß sich in dcr Vergangenheit Rats erholen. Dahcr sind mcine Ausführungen
für ihn nicht veraltet." Kunstwart-Leitungj

/*^er weichste unter den deutschen Stämmen," „von Kompromißlerei und
^Verständigungssucht zerfressen," „widerstandsnnfähig gcgen Slawen und
» Welsche". Solchc reichsdeutsche Nrteile über den Österreicher habc ich von
Kindheitstagcn an durch ein rcichliches Menschenalter immer wiedcr zu hören
bekommen — und immer wieder den Hinweis auf die Kraft der Magyaren,
dcnen so rasch gclungen sei, was unserer schwächlichen Duldsamkeit mißlang!
Wir meinen, in dieser Kriegszeit crwiesen zu haben, daß es uns an deutscher
Kraft nicht fehlt. Aber seltsam, wenn man das zugibt, geschieht es eher im
Tone des Vorwurfs: Wir Deutsche in der Ostmark hätten nicht mehr die gute
 
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