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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novembereft 1918)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Stirb und werde!: In der Zeit der Totenfeste
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0128

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Stirb und werde!

In der Zeit der Totenfeste

ist noch kein Totenfest in der Welt gewesen wie dieses. Noch keins
E^Z^Hat solche Totenäcker gehabt, einen von Paris bis Petersburg und
von den russischen Kälten bis zur arabischen Glut, andre in
Sand oder Sumpf aller Erdteile, andre in allen Breiten, deren schwei-
gendes Dunkel das Meer überwogt. Millionen Gräber pflegt aus der
Ferne das Gedenken, nach andern Millionen — wo ruhen die Gebeine? —
fliegen die Seufzer als irre Vögel hinaus, die nicht landen können. Aber
die Leiber, mit denen der große Mörder Länder und Meere besät hat,
sind ja lange nicht alles, um was getrauert wird. Da lagen Oasen vor
dem Blick, von Palmen durchrauscht, von Bächen durchrieselt — Luftge--
bilde, fie sind verweht! Da warteten Länder mit deutschen Brüdern auf
deutsche Arbeit, da wartete ein größeres Deutfchland — Wolken, jetzt
sinken sie unter den Horizont! Verschleiert, umdunkelt und unklar noch
steigt an ihrer Stelle als Herrscher der Welt ein Angesicht über dem
Morgen auf. Was kündest du: Freiheit oder Geldknechtschaft, ehrlichen
großen Gedanken oder ungeheuerlichsten Weltbetrug? Das Leben, das über
all dem Todc heraufsteigt, scheirrt vorläufig nichts für uns als eine Frage.

(^otenfest! Ist denn nun endlich genug gestorben? Ach, was wissen wir,
^wie viele Opfer an Söhnen, Gatten, Vätern, an Menschheit die Ilu--
menschlichkeit noch heischen wird! Was wir, wie viele noch am Hunger
enden werden, an Seuchen und unter den Rossen und Kleppern der
Apokalyptischen sonst! Was wir, wie viel noch hinfinken wird von jenem
Menschheiterbe, welches durch Geschlechter auf Geschlechter das Sehnen
erschaut, der Mut errungen, die Arbeit gepflegt, das Glück geerntet
und die Unverdrossenheit neu gepflanzt und betreut hat. Scheint es doch
fast, als wenn auch alle die Werte stürben, wie vom Schnitter gemäht, die
uns als die festesten des Seins erschienen, als die unzerreißbaren Bande
zwischen Diesseits und Ewigkeit.

gx^a, wie wir in all das Vergehen um uns sehn, wächst wie ein Windstoß
^aus der Ferne sichtbar übers zitternde Meer, läuft wieder ein Fragen
an uns heran, und wie es näher kommt, braust es: und waren die Gluten
auch deines Herzens und waren die Schwerter auch deines Kopfes beim
Brennen und Töten nicht mit dabei? Wirf den ersten Stein, wenn du
ganz ohne Schuld! Du erkanntest das nicht? Nein, du erkanntest es nicht.
Ls schien schön und groß, was du wolltest? Es schien nicht nur so, es

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2. Novemberheft ,si« (XXXII.
 
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