Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novembereft 1918)
DOI Artikel:
Hoffmann, Paul Theodor: Totenfestgedanken mit Jean Paul
DOI Artikel:
Luther, Arthur: Turgenew: zum hundertsten Geburtstag
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0136

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Die nagenden Wunden des Lebens sollte der Balsamhauch dieses unermeßlichcn
Frühlings (des Todestraums) verschließen, und der von den Stößen der
vorigen Erde noch blutende Mensch sollte unter den Blumen zuheilen für dcn
künftigen Himmel." So bedeutet der Tod eine neue Verkörperung, besser als
die dieser Erde. Das Sterben ist nur ein süßes Träumen bis dahin, ein Ver-
harschen der Wunden, während der Engel des Friedens sich über uns beugt,
ist beglückender Abergang. „Die Sterbendcn sind fliegendes Gewölk, die Leben»
den sind stehendes." Alle süßen Schauer und Lockungen des Todes vermag
Iean Paul aufzuspielen. In seinem Reiche ist der Würger für immer ge°
bannt, und ein freundlicher Engel erfüllt und löscht die Sehnsucht nach dem
Tode. Selbst das Vollgefühl des Lebens «rweckt nur den Wunsch rückhalt-
loser Hingabe an das All der Natur: „In gewissen Menschen breitet sich
eine dunkle Wehmut, ein desto größerer Seelenschatten aus, wenn die Schatten
außer ihnen am kleinsten sind." Denn alles, was auf Erden keine Erfüllung
findet, hat Erfüllung im Tode, im unmittelbaren Ruhn in den Strömcn
dcs Alls, in Gott, der selbst dieses All mit seinen Sonnen und Lwigkeiten
ist. Der Tod isr eine Wonne, in dem alle Seelen als Besonderheiten ver-
nichtet werden, um im Strome cins zu sein. Da erwacht die gestorbene Seele,
gewiegt in cinem durchsichtigen farbicht-dunkeln Tulpenkelch, und erlebt dieses
Wunder: „Lin Flockengewimmel von Athergestalten stand schwcbend über einer
weiten Insel, um welche ein rundes Geländer von großen Blumen aufge-
blättert spielte — mitten über den Himmel der Insel flogen Abendsonnen
Hinter Abendsonnen — tiefer neben ihnen liefen weihe Monde — nahe am
Horizonte kreiseten Sterne — und so oft eine Sonne oder ein Mond hinunter-
flog, schauten sie' himmlisch wie Engelaugen durch die großen Blumen am
Ufer hindurch. Die Sonnen wurden von den Monden durch Negenbogen ge-
schicden, und alle Sterne liefen zwischen zwei Negenbogen und stickten silbern
die bunte Ringkugel des Himmels..Die Seele aber sättigt sich im Verein
mit all den Milliarden an Licht, Dust und Tönen, um schließlich in der
Vereinigung mit dem geliebtesten Menschen den vollkommensten Liebestod zu
sterben. „Endlich sagte leise der Engel des Endes: sie sind am süßesten ver-
gangen an ihren Geliebten. — And er zerdrückte weinend das Wölkchen der
Zeit." Viele, viele Todesträume spinnt Iean Paul in seinen Dichtungen,
immcr wieder anders schüttelt er seine Sternenflöre und immer wieder «r°
blüheu ander« Lebenssymphonien aus dem Tode. Eines abcr bleibt in aller
Verschiedenheit der kreisenden Sonnen- und Blumenwelten: das Dascin nach
dem Tode als ein positiver unsäglicher, nur dichterisch mit allen Mitteln
der Poesie traumhaft andcutbarer Zustand werdender Seligkeit und eines
werdcnden Friedens, der höher ist als alle Vernunft.

Das Harmoniegefühl, die dritte große Komponente des Lebensgefühles,
schwingt sich bei Ican Paul über das Erdenleben hinaus und bezieht das
Reich des Todes samt allem, was dahinter liegt, in großartiger Einheitlichkeit
in dieses Lebensgefühl sclbst hinein. So ist für ihn der Tod überwunden.
Alles ist Leben. Mögen wir auch wissen, daß es nur Träume siud, die
des Dichters Geist zu solcher Schau führen — sie leiten doch auch uns un°
mittelbar an jene Quellen hcran, die als Lebenskräfte den Tod zu bezwingen
hclfen, daß er aus der finster drohenden Macht zum Engel und Führer zu
höhcren seligen Sphären werde. Darum kann Iean Paul, wenn wir ihn
auch nicht zum Führer begehren können, gerade in den Zeiten trüber Ver-
gänglichkeit, wo die Vernunft nicht ausreicht, ein Helfer für uns und ein
Freund sein. P. Th. Hoffmann

Turgenew

Zum hundertsten Geburtstag

^^urgenew ist für uns nicht mehr der russische Dichter schlechthin, wie er
es einst für die Rodenberg, Pietsch, Heyse, Iulian Schmidt war, auf
die neben seinem Schaffen auch der unwiderstehliche Zauber seiner
 
Annotationen