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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Alle
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0188

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Ia: «ine w«lt. ver Riesenbau. -es voins.

Ins Unermessne hatt' er sich geöehnt,

Mit pfeilern nicht, «r stieg nrit wolkensänlen
Bis auf zum Firnranrent, rrnS wie ein LNeer,

Lin leben-es, rvogte sich's brunten aus.

Das rauschte. Anb «rstarrte. Und es sang,

Di« Brüder sangen — nein, es sang nrein volk —

Ia: Völker sangen — netn. öie LNenschheit sang.

Dic ganze LNenschheit sang daraus enrxor:

„Lrhör uns, Gott! wir leiden, Gott, wir leiden!
wir leiden alle, und wir suchen dich,

Auf andern wegen jeder, und wir schrein
Zu dir in tausend Aungen, aber dich,

Dich suchen alle, benn du schufest uns,

Dich fragen alle: warunr leiden wir?
wir leiden all«, anders leidet jeder,

And keiner kennt des Nächsten kserz, doch alle,

Gott, all« leiden wir, wir -ein« btinder,
wir Brüder alle, alle leiden wir!"

Aunr Boden zwang das stöhn«n-e Gebet
Auch nrich aufs Anie, und in nrich sang «s Glut:

Lin läuterflanrnrenheißes LNitleid kochte
LNein ganzes Blut zu Tränen, und ich sang
Nlit den iNillionen, und «in Orgelsturnr
Sinbraust' er in den Trauersang der welt,

Auf trug er den. anschwellend zum Grkan:

„was trennt uns, Gott, da wir -och Brüder sind?

Ist Sxrache uns auch tausendfaltig, Glaub«

And venken, Gott, und Schmerz auch tausendfaltig:
wtr leiden alle, Brüder sind wir alle,

Denn alle leiden, alle leiden wir!" Ferd. Avenarius

Vom Heute fürs Morgen

Aus unser« Tagen

gibt zwei versucherische Gewalten,
^§eine gröbere, sinnlichere, brutalere,
die wir Ahriman nennen wollen. Die
arbeitet mit den derben Trieben und
Instinkten der Masse. Sie feiert ihre
Siege, wo der theoretische und prak°
tische Materialismus gedeiht. Den See-
len der Edleren aber ist eine andere
Macht gefährlich, die wir als Luzifer
bezeichnen können. Sie streut hohe
Ideen aus und zeigt ferne Ideale in
greifbarer Nähe, so daß man ihnen
in schwärmerischer Begeisterung zueilen
möchte. Das Derführerische liegt in
der Täuschung, als ob das Edle von
der Masse ergriffen und das Ideale
ohne Umwandlung der Gesinnung ver-

wirklicht werden könnte. In der Ge-
schichte der französischen Revolution
sehen wir bald Ahriman, bald Luzifer
am Werk. Aber auch in der Gegenwart
sind beide da, und es wäre schlimm,
wenn wir nur mit der gröberen,
nicht aber mit der feineren Versuchung
rechneten. Es ist keine vollc Klarheit
in der Luft und in der Scele; cs ist
immer eine gewisse Unruhe da und wie
das Vorgefühl von etwas Drohendem.
weil Luzifer Ncbel über die Gottes-
welt hinwedelt.* Wenn die neue Zeit
gut werden soll, dann müssen wir viel

* Vgl. Solovjeffs drittes Gespräch
über den Krieg. Ausgewählte Werk«
(Mederichs), erster Band, S. 347.
 
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