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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 8 (2. Januarheft 1919)
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Bonus, Arthur: Tragik
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Um den Sozialismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0056

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Allermodernsten ist diese Art Schönheit zu ruhig. Diese langsam zu so
ungeheurer Breite und Mächtigkeit ansteigende Welle, diese allseitig ge-
schlossene gliedergewaltige Form ist nichts für den aufgeregten Geschmack
der Neuesten, der vor allem verzerrte, zersplitterte Formbruchstücke will.
damit er Geist dahinter vermuten könne. Denn Geist ist nach der persön--
lichen Erfahrung dieser Leute nicht Lebenskraft, sondern Lxplosivstoff.

Zu Anfang des Weltkrieges bekam ich ein Wiener Asthetenerzeugnis
in die tzand, dessen Verfasser vor allem über die unerhörte Grausamkeit
sich aufregte, daß man den unseligen Mörder von Serajewo die welt-
erschütternden Wirkungen seines Schusses nicht wissen noch ahnen lasse.
Wie entsetzlich in der Tat, jemanden um eine solche Sensation zu bringen,
auf die er ein solches Anrecht hatte! Ls sterben Millionen, es quälen sich
andre Millionen hin, ganze Völker verfallen in den Mordkrampf, und
der Anstifter von alledem darf den Spektakel nicht genießen!

Ich hörte von einem Studenten, einem feinsinnigen, empfänglichen,
begeisterungsfähigen jungen Menschen. Während schon die Revolution
ihre ersten Schreie ausstieß, sprach er noch hoch in alldeutschen Tönen von
der Erhebung „wie Ein Mann" — es konnte wirklich nur noch Ein Mann
sein, der sich nicht schon erhoben hatte! — und vom „Lieber tot als Sklav".
Wenige Tage später war er Bolschewik. Er konnte nur im Rausch leben,
und da er Abstinent war, so mußte es ein geistiger Rausch sein; sonst hätte
vielleicht ein tüchtiges Schnapsglas genügt. Ietzt waren ihm die Sozial-
demokraten viel zu philiströs, und selbst der radikale Flügel genügte ihm
nicht. „Noch nie lebte ich so im Augenblick!" jubelte es aus ihm, rrnd er
eilte von „Erlebnis" zu „Erlebnis". — Man klagt jetzt viel über den
Mangel an Verantwortlichkeitsgefühl in den „Romantikern", die den
Krieg nicht zu vermeiden wußten. Diese Revolutionsromantiker sind um
ein vieles verantwortungsloser. Für einen Nervenkitzel unser Volk in
Blut und Hunger weiterhetzen und ein langes geduldiges Wachstum um
Blüte und Frucht bringen.

Dies ist die tiefste Tragik der Lage. Die Hoffnung bleibt, daß die
aufsteigenden Massen das aufgeregte Gekreisch an ihrer ehernen Front
ablaufen lassen. Aber die Gewißheit fehlt noch, während dies ge-
schrieben wird. Bonus

Am den Sozialismus

i

^VV^ir eröffnen mit diesem Aufsatz eine kleine Reihe grundsätzlich angelegter
V ^Erörterungen über ein Thema, um das in nicht-sozialistischen Kreisen
^^'allzu lang: herumgegangen worden ist. Heute bedeutet die „Einführung
des Sozialismus" die Höchste, lebendigste Hoffnung eines großen Teils des
dentschen Volkes und anderer Völker, Angst und Sorge beherrscht einen andern
Teil, Empörung cinen dritten. An ruhig sachlichen Darstellungen aber, worum
es sich eigentlich bei dem Wort Sozialismus handelt, fehlt es in unsern
Tageszeitungen nach wie vor, jede spricht zu ihren Lesern, als dürfe sie diese
Kenntnisse ganz selbstverständlich bei ihnen voraussetzen. So scheint uns an-
gezeigt, die Fragen, was denn eigentlich Sinn und Ziel dieser Bewegung ist,
sachlich zu erörtcrn. Sachlich, nicht farblos unparteiisch. Der Verfasser bekennt,
das; cr es in dieser Zeit nicht für nötig häll, seine Darstellung „wissenschnftlich"--
farblos zu gestalten. als ob er persönlich dem Sozialismus so fern stände, wie
der Astronom den Sternen. — Die Aufsätze sind im März 1,9s8 geschrieben.

V

ielerlei Sinn hat eine Legion von Deutern in die Tatsache „Wcltkrieg"
hincingelcgt. Gott führt die Menschen dnrch ihu zu sich zurück, sagten bie
 
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