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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1919)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: "Werte" und "Dinge": zur Gesinnungspflege in der Jugendbewegung
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Gebet
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0093

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und Iahren — benn so lange kann sie dauern! — zu einer Gewohnheit wird,
welche die Zeit vergeudet, die Gedanken zerspleißt und die Kräfte lähmt. Und
bin ich mir endlich „klar" über meine Gesinnung (die doch eigentlich kräftig
genug sein sollte, um mich ohne Zergliederung zu leiten), so taucht die erst«
Frage wieder auf, welche Handlungen mir denn meine Gesinnung eigentlich
vorschreibt? Handeln jedoch vollzieht sich nicht wie Selbstbesinnung in meinem
Innern, sondern setzt mich in Beziehung mit der Welt, bedarf der Kenntnis
der andern Menschen, der anwendbaren Mittel, der Wirkungzusammenhänge.
Wehe dem, der in der Stunde des Handelns sich gestehen muß: ich habe meine
Iugend damit verbracht, meine Gesinnung zu erforschen, zu begutachten, zu
pflegen; nun weiß ich zwar, was sie mir im allgemeinen erlaubt und ver»
bietet, ich bin mir halbwegs der Grundsätze bewußt, nach denen ich zu handeln
habe; aber leider weiß ich nicht, wie man sie anwendet, und leider kenne ich
auch das Gebiet nicht ordentlich, auf dem ich sie eigentlich anwenden möcht«
und soll. Wehe dem, der aus der süßen Gewohnheit der Selbstzergliederung
und Selbstbesinnung den schweren Abergang zur Tat erst in reiferem Alter
mühsam suchen muß! Was bestenfalls dabei herauskommt, ist jener unselig«
Gregers Wehrle-Typus, jenes groteske, in der Wirklichkeit allenthalben an-
eckende und die Wirklichkeit doch nie bezwingende Herumtragen der „idealen
Forderung". Und im ungünstigsten Fall der verbrecherische Narr, der aus über-
spanntem Gesinnungswahn und verirrter Aberzeugungstreue Vlut vergießt un>
das Glück von Millionen Menschenbrüdern zerstört, um einer Iukunft willen,
dis sich dann doch nicht seinem Willen beugt.

Mit ganz andern Worten: „Gesinnungpflege" läuft stets Gefahr, iu Prin»
zipienreiterei, in das aussicht- und nutzlose Gegeneinanderabwägen von „W e r »
ten" auszugleiten. Sie verstärkt damit bis zum Fürchterlichen eine Aeigung,
welche deutscher Iugend ohnehin innewohnt: dje Neigung, unfruchtbare ethische,
metaphysische, philosophische Erörterungen abzuhalten und darüber die Be-
schäftigung mit den Dingen zu versäumen.

„Aber sind denn ethische und philosophische Erörterungen notwendig unfrucht-
bar? Waren Platon und Aristoteles, Augustinus, Thomas, Kant und Schopen-
hauer, Iesus, Buddha oder Kungfutse nichtsnutzige Zeittotschlager?" Wi«
spracherr nicht von Genies, deren das Iahrhundert eine kleine Zahl erblickt,
wir sprachen nicht einmal von den Wenigen, die ihre Lebenskraft und --zeit auS
innerstem Beruf dem Nachdenken und der erläuternden Verkündung des von
jenen Gedachten widmen. Wir sprechen von den Tausenden junger Menschen,
die, seltsam genug, ihrem sittlichen Instinkt nicht vertrauen, die ihre Gesinnunz
nicht nur in sich erleben, sondern sich erst um den „Beweis" mühen, daß sie
„auf das Richtige ziele", die darüber vergißt, die Welt kennen zu lernen, in
Ler sie sich doch betätigen will. Wolfgang Schumann.

GebeL

^rtrage -u's, latz schneidsn dir dsn Schinerz
^LScharf durch's Gehirn und rviihlen hart -urchs Herz —
Das ist der j)flug, nach dem der Sämann sät,

Dasz aus der Lrds wunden Aorn ersteht.

Aorn, das der armen Leele lsunger stillt —-
2Nit Aorn, o Vater, seane mein Gefild:

Aeisz deinem j)flug erbarmenlos den j)fad,

Doch rvirs auch ein in seine Furchen Saat! A


 
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