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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 1.1884

DOI Artikel:
Giefel, Joseph Anton: Die biographischen Aufzeichnungen des fürstlich ellwangischen Raths und Kanzlers Dr. Karl Kibler über den Kardinal Otto, Bischof zu Augsburg (1543 - 1573) und Propst und Herr zu Ellwangen (1552 - 1573), [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20207#0012

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den Staunen, die es im Fahr IB>0 bei der Umwandlung der
Abtei in eine gefürstete Propstei von Kardinal Peter von
Angsbnrg erhalten hatte, war ihm die freie Wahl des Propstes
garantirt. Bon diesem Wablreebt machte es auch Gebrauch,
als Heinrich am 4. Januar 1552 gestorben war, und wählte
den Bisebos von Augsburg, Kardinal Otto Truchseß von Wald-
burg, znm Propst von Gllwangen.
Für diesen war der Besitz der reichen Propstei um so
erwünschter, als das Hochstisl Augsburg im schmalkaldischen
Kriege „übel Ungerichtet" und in seilten Ginkünsten sehr ge-
schmälert worden war, der Kardinal aber ans seinen fvrtwäh
renden Gesandtschastsreisen, bei seinem Jahre lang dauernden
Anfentbalt als Protetlor d > deutschen Nation in Nom großen
Aufwand zn machen und oazn viel Geld nöthig hatte.
Aber auch der Deutschmeister ließ sich sein angebliches
Recht ans die Propstei nicht so leicht schmälern. War doch
ans der nabe gelegenen Kapsenbnrg der Sitz einer Dentsch-
ordenstommende, deren Gebiet an das der Propstei angrenzend
durch diese hübsch abgerundet werden konnte. Indent forderte er
vom Kaiser und Papst die Prvpstei ans Billigkeitsgründen gegen
den Tentschorden als geringe Gnlschädignng für das ver
Io reit gegangene Ordensland Preußen. Beinahe das
ganze Fahr 1552 vergieng mit Unterhandlungen zwischen den
streitenden Parteien, als der Deutschmeister am 4. Dezember mit
200 Reitern und einigeil Hackenschützen Gllwangen überrum-
pelte lind entnahm. Aber schon am 17. desselben Monats
nahm Württemberg die Propstei in Besitz, nachdem sich der
Deutschmeister, ohne eitlen Angriff abznwarten, scholl am 14.
zurückgezogen hatte. Dieser Pritsch kam dem Deutschmeister
thener, er mußte an Herzog Christoph 40,000 sl. Kriegsent-
schädigung bezahlen und noch mehrere Pfarrsätze abtreten.
Diesen Kamps nun »in die Propstei und den Prozeß vor der
römischen Rota haben unsere Aufzeichnungen in erster Bnie
zum Borwnrs.
Noch nicht hatte Otto diesen Prozeß, in welchem er voll
dem Schirmherrn der Propstei, Herzog Christoph, wacker unter-
stützt wurde, ansgekämpst, als ein neuer »nd viel gefährlicherer
Feind ihm in dem genannten Schirmherrn selbst erstund. Im
Jahr 1470 hatte Gras Oberhard von Württemberg von Kaiser
Karl IV. das Schutz- und Schirmrecht über die Abtei Gll-
wangen erhalten. Dieses Recht vererbte sich ans die Person
des jeweiligen Grafe» resp. Herzogs, ohne daß der Schirm ein
„Orbschirm" war. Dieser letzte Punkt war voll großer
Wichtigkeit. Hätte nämlich Württemberg einen „Grbschirm"
über die Propslei erlangt, so wäre dieser wohl dasselbe Voos
beschiedeil worden, wie den andern, enger mit dem Herzvgthnm
Württemberg verbundenen weltlichen Stiften: Backnang,
tzanrndan, Herrenberg, Mockmühl, Oberhofen (bei Göppingens,
St. Peter zum Ginsiedel, Stuttgart, Tübingen und Urach. In
Gllwangen wäre von Württemberg die Reformation dnrchge-
sührt und damit von selbst das Stift ansgehoben worden.
Oinen starken Anlauf zur Nealisirnng dieser Ideen machte
»lail von Stuttgart ans unter der Negierung des Kardinals
Otto. In Gllwangen fand die Reformation schon anfangs
der 20ger Jahre 0ingang. Sowohl der Stiftspredigcr Dr. Gleß
als der Stadtpsarrer Mumbach predigteil das neue Gvangelinm.
Mit der Unterdrückung des Banernansstaildes hörte zwar äußer-
lich die Reformation im Stift Gllwangen ans, aber im Stillen
wucherten die neuen Ideen fort. Herzog Ohristoph spricht in
einein Schreiben ans der Milte der 00ger Jahre von 40 prote-
stantischen Bürgern der Stadt Gllwangen. Die Propslei null
gänzlich wieder für den Katholizismus zu gewinnen und eine
Reformation im katholischen Sinne dnrchznführen, war die

Hanptansgabe im Veben unseres Kardinals. Die Schilderung
dieser Gegenreformation und des dadurch herbeigesührten Kon-
flikts mit dem Derzogthnm Württemberg macht einen großen
Theil der Kibler'schen Aufzeichnungen ans.
Bon einer wörtlichen Wiedergabe derselben wurde Ab-
stand genommen, da einmal viel Unwichtiges in denselben
enthalten und dann mit der Zeit, in welcher der Verfasser
schrieb, H der bombastische und schwülstige Stil seinen Anfang
nimmt, der auch für den Sprachforscher nichts Interessantes
bietet.
Als unmittelbar vor und nach dem Ableben „weiland
deS hochwürdigen, dnrchlänchtigen und hochgeborenen Fürsten
und Herrn, Herrn Heinrichs, Administrators der Stifte Wormö
und Freising, PropstS und Herrn zu Gllwangen, Psalzgrafen
bei Rhein nnd Herzogs in Bayern ic. Hochseligen Angedenkens,
»inter venornbileL et nobiles Uominos, clecmlium et cnpi-
tuluin coUelInknc ecclosiae sancki Viki IDvncnnmL ex rinn:
cck revereiiclissimum et illuskrissinium pwincipem et ciomi-
num ckoiuinuni VVollGaiiAum LcNuGiinr, »lins lAilclckinA,
ma^uuin mae;i8ti >im orUinis Ueatae lVlarias TUeutonicorum
I licroLoHnmitanorum ex altera parke« eilt sehr hitziger und
Jahrzehnte lang anhaltender Kamps entstand, indem der Deutsch-
meister resPnationem et eomiuenUam praepositurae iam
Uictae, sibi a ^raelato coinite Palatino ilWnrico lactam et
litteris apostolicm Uesuper expeclitis ratilrcatam prätendirte,
der Kardinal aber anno 1552 Samstags nach dem Sonntag
I.aetare capütulariter nnaninei voto zllm Propst nnd Herrn
von Gllwangen postnlirt, auch bald vom Papst JnliuS III.
konfirinirt wurde.
Inmittelst diese Postnlation vor sich ging, hat hochermelter
Deutschmeister eine „laildsriedenSbrnchige Gewalt" angewendet,
indem er Sonntags den 4. Dezember 1552 von Kapsenbnrg
ans unversehens morgens in der Frühe während der Predigt
in tiefster Stille gegen die Stadt Gllwangen vvrrückte und zn
Grreichnng seiner Absicht den Grafen Balthasar von Nassau,
Gomthnr zu Kapsenbnrg, der dem Thorwart nnd männiglich
wohl bekannt war, in einem Iagdwagen sitzend, vorausschickte.
Diesem wurden ans gut Glauben nnd Treue die Thore ge-
öffnet. Sofort stürmten mehrere Reiter hinterdrein und be-
mächtigten sich dieses lind der anderen Thore, die sie hinter
sich sehloßen. Ghe die Bürger aus der Kirche zu ihren Wehren
kamen, war der Markt schon voll von feindlichen Reitern nnd
der Bürger Waffen daher umsonst. Sie mußten sich ans des
Herrn DentschnwisterS „ernstliches nnd bedrohliches Zureden",
besonders auch als S. F. 01. sich berühmte, daß alles ans päpst-
licher, kaiserlicher nnd königlicher Begnadigung nnd bevorab
mit des Schntzherrn Wissen geschehe, „mit Pflicht beladen
lassen". Bevor der Bürger Huldigung geschah, schickte der
Dentscknneister, ans dem Markte haltend, nach dem ellwangi
scheu Obervogt, welcher mit Herrn Hans Georg von Westernach
nnd dem Kanzler erschien, in Willens sein Fürbringen anzn
hören. Der Deutschmeister zeigte an, gemäß der Unterhand-
lungen zu Tübingens sei er erschienen nnd verlange den Poseß,
wolle man ihn in Güte nicht ansnchmen, so würde er sich selbst

*) Der Verfasser lebte, wie aus den Schristzngcn anderer ellwangi-
scheu Aklenstncle non seiner Hand zn ersehen nt, iin Anfang des
17. Jahrhunderts unter der Regierung des Propstes Johann Jakob
Blarer von Wartensee 1621 — 1653.
**) A,n 23. Oktober 1552 hatte Herzog Christoph einen Tag zu
Tübingen abgehalten, der aber nur vom Deutschmeister und dem Kapitel
besucht war und erfolglos blieb.
 
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