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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 5.1888

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Kirchenbaukunst in der württembergischen Residenz, [12]
DOI Artikel:
Wetzel, Jörg; Beck, Paul A. [Hrsg.]: "Das newe lied get von Weißenburg und vil andern Dingen.": ein Lied aus dem Bauernkrieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.20203#0071

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Reihen mit runden Brustbildern auf den Teilungen, Brüstungs-
tafeln mit halb erhabenem ornamentalen und figürlichem Schmuck,
befinden sich, soviel ihrer noch vorhanden, zn besonderen
Stühlen verwendet, im Langhaus der Kirche, so daß z. B.
nur diejenigen auf der linken Seite des Chors, aber gegen
das Schiff der Kirche betrachtet, aus der Abbildnngsfignr 17
(bei Heideloff) in ihrer ursprünglichen Zusammenstellung ge-
geben werden konnten. (Die Statue unter dem Baldachin
und die zinnenartige Bekrönung nebst Fries sind vom Zeichner
ergänzt.) Die erste Seitenwand der Hinteren Sitze ist durch-
brochen und mit geschmackvollen Ornamenten ausgesüllt. Dar-
unter sieht man in einer Nische in halb erhabener Arbeit
den hl. Ulrich in ganzer Figur. Ans dem oberen Rande des
Seitenstückes der Brüstnngstafel sitzt das runde Brustbild eines
Mönchs mit Schwert und Spruchband —, dessen jenseitiges
Gegenstück wohl der eingangs erwähnte hl. Dominikus gewesen
sein mag. — Die Wand dahinter enthält ein Schnitzwerk in
halberhabener Arbeit: Maria mit dem Kinde, unter einem
Baldachin, zu ihren Seiten der hl. Johannes (wohl Baptista)
und die hl. Barbara.
(Fortsetzung folgt.)

„Das rirwe lird get van Weifzenliurg und vil
andern dingen."
Ein Lied aus dem Bauernkrieg vvu Jörg Wetzet aus
S ch u s senrie d.
Mit einer Einleitung von Amtsrichter a. D. P. Beck.
Nachstehendes, erstmals im Jahre 1525 in einem Flug-
blatt aus 6 Bl. 8". o. O. und I. erschienenes, gegen die
Bauern Stellung nehmendes Lied handelt nicht etwa, wie man
vielleicht nach der Ueberschrift vermeinen möchte, bloß vornehmlich
von dem Bauernaufstand in Elsaß und in der (ehemals freien
deutschen Reichs-) Stadt Weißenbnrg (mit welcher es erst in
der 26. Strophe anhebt), sondern vom Bauernkrieg überhaupt
in Schwaben, Franken und der Pfalz und ist somit die
Veröffentlichung auch in diesen Bl. gerechtfertigt. Das Kriegs-
lied gewinnt aber für uns noch ein erhöhtes Interesse, soferne
der Sänger desselben, Jörg Wetzel(l), wie er sich selbst
in der Schlnßstrophe 33,^' nennt, aus Schnssenried in
Oberschwaben, dem damaligen Sitze einer Prämonstratenser-
abtei gebürtig ist. Leider wissen wir (bis jetzt) über seine
Persönlichkeit nichts; nur so viel glauben wir ans seiner ein-
gehenden poetischen und hin und wieder den Kriegsmann von
Profession verratenden Erzählung des Bauernaufstandes ent-
nehmen zu können, daß unser Dichter einer von denen war,
die gegen die Bauern „dabei waren" und den Rummel von
Anfang bis zu Ende als Kriegsmann im Lager der Bünd-
nischen mitgemacht hat und allem nach weit hernmgekommen
ist. Wie er unter die Soldaten — ob etwa als Angehöriger
des Stift Schussenriedschen Kontingentes — gekommen, in
welcher Charge er dabei gestanden re., — alles dies entzieht
sich unserem Wissen; leicht möglicherweise ist er durch den
Ruf des Bundesfeldhanplmannes Trnchseßen Georg v. Wald-
bnrg, des gewaltigen „Bauernjörg", dessen Stammburg unserne
und angesichts seiner Heimat lag, angezogen und zu dessen
Fahnen gelockt worden. Die jetzt noch in Schnssenried vor-
kommenden Wetzet zählten zu den dortigen alten Geschlechtern;
und es ist nicht ganz ohne Bedeutung, daß um dieselbe Zeit
ein anderer Träger dieses Geschlechtes, der Reitknecht (oder
Klosterstallmeister) des Prälaten Johs. Wittmayer (1505 bis
1544), Hans Wetzel(l) aus Schussenried in dem
Bauernaufruhr, soweit solcher im Gebiete des Reichsstistes

Schussenried rumorte, ebenfalls eine Rolle ans seiten der
„Herrischen" spielte. Das Kloster Schussenried war nämlich
von der großen allgemeinen Banernbewegung keineswegs unbe-
rührt geblieben; nachdem sich in dessen Gebiet längst früher
die Vorwehen und ersten Anzeichen derselben, so bereits im
Jahre 1448 unter Abt Konrad Räuber H, einige Jahrzehnte
später wieder unter Abt Peter Fuchs (1475—1481)^) und
noch mehr unter dessen berühmtem Nachfolger Heinrich Oester-
reicher (1481—1505)2) gezeigt hatten, kam demselben das
schon lange dumpf grollende soziale llngewitter immer näher und
näher und entlud sich dann aus einmal am Mittwoch nach
Lätare, dem 29. März 1525, über dasselbe; und nur mit knapper
Mühe entging es dem Schicksal anderer Gotteshäuser, verbrannt
zu werden, wie Adelberg, Lorch, Irrste, wurde aber sonst hart
mitgenommen. Schon am 5. März 1525 erschien ans dem
Memminger Banernparlament neben den Gesandten des Balt-
ringer Hansens — nämlich Ulrich Schund von Sulmingen („ir
Redner und obrister fürgesetzter"), Hans Wanner von Wart-
hansen, Hans Maiger von Baltringen, Christian Madcr von
Griesingen, Blesin Geiger von Kirchbierlingen, Hans Stincklin
von Unlingen, Ulr. von Delmensingen, Lip. Spans von Aichen-
berg, Lienhart Müller von Rißtissen, Contz Rietmüller von
Danheim (-—Thannheim im Jllerthal), Christian Heldelin
von Filzingen, Jak. Sentz von Erolzheim — auch ein gewisser
M ichel vonS ch u s senrie d. Nicht lange stand es dann mehr
an; und stürmten an besagtem Tage die Schussenriedschen Bauern
in der Frühe zwischen 5 und 6 Uhr ins Kloster ein, hielten
es 15 Tage lang besetzt und plünderten es ans, wobei der
Abt dem Tode nur durch eine geheime in den Turm führende
Thüre entging?) Der Hauptsammelplatz der aufrührerischen
Bauern war der sog. „Totenbühl" oder „Büchele" bei Steinhaufen,
wohin Ulan behufs Anknüpfung von Unterhandlungen den schon
genannten Klosterstallmeister H ans Wetzet von S ch u s s e n-
ried, sicherlich einen Verwandten unseres Dichters,
sowie den ?. Großkeller nebst den Pfarrherrn von (Eberhards-)
Zell und Otteröwang gesandt hatte. Das Stift war von den
Aufständischen so übel mitgenommen, daß der Abt aus ein
Anschreiben des Prälaten Gerwig von Weingarten vom 25.
April 1525 um Geld antwortete, er habe keines, mit dem
Gotteshause sei ihm alles, ob klein, ob groß, zerbrochen und
znm größeren Teil weggeführt worden, erst nach drei Jahren
könne er wieder etwas aus den Fischen lösen, der dritte Teil
seiner „armen Lenke" habe nicht gehuldigt. Doch spendete der
Konvent kaum zwei Jahre daraus unterm 18. Januar 1527
der Reichsstadt Ueberlingen einen großen silbernen vergoldeten
Kredenzbecher mit Deckel, weil dieselbe im Bauernkrieg seine
verjagten Konventualen ausgenommen und weil seine erste
Verehrung „etwas kleinsueg" gewesen. Auch hatte Schussen-
ried noch im laufenden Kriegsjahre wie die Klöster Weingarten,
Weissenau, Ochsenhansen zur Bezahlung eines halben Monats-
soldes an die gegen die Bauern ausgebotenen Kriegsknechte
300 fl. an den Zunftmeister Hans Krüglein von Ravensburg ^)
zu bezahlen. — Später glostete noch einigemale der alte ans-

ch S. die Schrift des Verfassers über das Prämonstratenserreichs^
stift Schussenried S. 14 und 15.
2) A. a. O. S. 17, 18.
ch A. a. O. S. 20—22.
0 Wie es dabei hcrging, ist a. a. O. S. 25—29 des näher»
beschrieben; nur sei bei dieser Gelegenheit wiederholt — namentlich
gegenüber von solchen, welche fortwährend immer noch nach alten
Schnsscnriedcr Originalurkunden suchen — bemerkt, das; beinahe die meisten
Urkunden und Briefschaften damals von den Bauern vernichtet wurden!
ch Zn vgl. Ban mann, Akten zur Geschichte des Bauernkrieges
aus Oberschwaben (Freibnrg, Herder 1877) S. 296 und 297.
 
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