Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 12.1894

DOI Artikel:
Eine zu Grunde gegangene Pfarrei, Dürnau, DH. Göppingen, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15916#0024

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
16

dann »och ein Ueberschns; gegen früher, c) Die katholische
Gemeinde habe sich erboten, die Hannibalschen Stiftungszinsen
dem Vikar zu überlassen. 6) Wenn noch Knrbayern dem Vikar
dasjenige anweise, was bisher dem Pfarrer von Mühlhansen für
die Pastoration von Dürnaw zugewiesen war, so werden unter
den pensionierten Ordcnsgcistlichcn sich manche Liebhaber für
die Stelle,, finden. Die Lage in Dürnau sei trostlos. „Ihre
Jugend ist nun seit dem Abzug der Kapuziner alles religiösen
Unterrichts gänzlich beraubet;" nach Mühlhausen sei es so
weit, das; die Leute 6 Stunden von zu Hanse abwesend sein
müssen, wenn sic znm Gottesdienst wollen. Er selbst hätte
die provisorische Pastoration oder wenigstens den Unterricht
der Jugend längst übernommen, wenn nicht die bischöfliche
Negierung wiederholt versichert hätte, das; mit der bayerischen
LandeSdirektivn Unterhandlungen stattfinden, und wenn nicht zu
fürchten wäre, das; durch eigenmächtige Trennung von Mühl-
hausen diese Verhandlungen abgebrochen würden. Er sei
auch jetzt noch zur Uebcrnahme der Pastoration bereit, falls
das Lokalvikariat nicht zu stände komme, oder — was das
schicklichste Hxxecliens wäre — die Verlegung der Frühmeß-
pfründe in Rechbcrghansen (wogegen einige Nechberghäuser
nur leere, keine Rücksicht verdienenden Einwendungen erheben)
nicht anginge. Nur erlaube er sich zn bemerken, das; es mit
Dürnan anders sei als z. B. mit den Filialorten in Bayern,
wo die Pfarrer eigene Kooperatoren für Filialgottesdienst
haben. Er sei 50 Jahre alt; Provisionen bei Nacht und
schlechtem Wetter seien mit Aufopferung seiner Gesundheit
verbunden, auch sei zu fürchten, das; er bei schnellen Er-
krankungen zu spät komme wegen der weiten Entfernung von
Grost-Eislingcn. Deswegen empfehle er den Vorschlag des
Ordinariats — die Anstellung eines Lokalvikars zunächst für
den Winter.
Am 8. November 1804 antwortete Graf Degenfeld. Er
habe durch die Etablierung einer eigenen katholischen Pfarrei
in Salach, wo seit der Reformation keine dergleichen mehr
war, thatsächlich seine Fürsorge für die katholischen Unter-
thanen gezeigt „Ich ehre iedc Religion als eine heilige und
nnverlczliche Gewissenssache und lasse gerne einen ieden glauben
was er will, wenn er nur dasjenige thut und unterläßt, was
er zu thuu und zu unterlassen schuldig ist." Diese wahrhaft
wohlwollenden Gesinnungen hege er auch gegen die Katholiken
in Dürnau; aber er sei „gänzlich außer stände, eine eigene
katholische Pfarrei zn Dürnau zu errichten, oder welches am
Ende ans eines hinauslaufen würde, einen eigenen Vikar dort-
sclbst aufznstellen." Der Herr Graf kann nicht unterlassen,
daun zu bemerken: „Notorisch ist in dew ehemaligen Zeiten
deö Aberglaubens von Kurbaiern eine öffentliche katholische
Neligivnsübnng zn Dürnau, gegen den Neligions-Prvfau- und
Wcstphälischeu Frieden, ja sogar gegen ausdrückliche Reichs-
cammergerichtliche Erkenntnisse, mit Gewalt und mit Dragonern
eingeführt und auf gleiche gewaltthätige Weiße sind auch die
dortigen katholischen Unterthanen diesem Ort aufgedrungeu
worden." Er habe trotzdem nie eine Abneigung oder ungleiche
Behandlung der katholischen Unterthanen gezeigt, er wäre zu-
frieden gewesen, wenn die vorigen Verhältnisse fortgedauert
hätten. „Da aber Kurpfalz-Baiern gegenwärtig selbst aus
eigenem Antrieb diese Verhältnisse, ohne mein Zuthun aufge-
hoben, da dieses Kurhaus; die ehedem mit bewaffneter Hand
eingesetzte Capnciner abberufen, die vormalige Capnciner-
Mission selbst als widerrechtlich und dem Geist unsers Zeit-
alters nicht angemessen ausdrücklich anerkannt, die zur Be-
streitung einer eigenen Seelsorge zu Dürnau bisher ver-

willigte Kosten entzogen und feierlich erklärt hat, daß dasselbe
an dem ferneren Exercitium des katholischen Religionskultus
zu Dürnau lediglich keinen Antheil mehr nehmen wolle, so
kann es doch wohl lediglich keinem Zweifel unterworfen sein,
daß Seine Kurfürstl. Durchl. von Pfalz-Baiern ihrer ehe-
maligen Rechte, wenn diese Anmaßungen anders mit dem
Namen von Rechten belegt werden können, sich hierdurch aus-
drücklich begeben und dieselbe feierlich derelinguirt haben. Wie
dieses auch wirklich von Seiten Kurpfalz-Baiern in den stärk-
sten Ausdrücken und auf die emphatischste Weise geschehen
ist." Deswegen könnte ein bayerisches Benefizium nie ohne
seine (Degenfeld) förmliche und ausdrückliche Einwilligung
nach Dürnau verlegt werden. Ebensowenig könne ihm
die Errichtung einer Pfarrei, wäre es auch nur in der Person
eines Vikars, zugemutet werden: Die Katholiken seien wenige,
der Ertrag von Dürnau gering, da dem Hans Württemberg
der Zehnten zustehe und die Dürnauer jährlich eine beträcht-
liche Menge von Gülten und Abgaben nach Göppingen und
Wiesenskcig entrichten müßten. Er habe im letzten unglück-
seligen Krieg eine ganze ansehnliche Herrschaft, drei sehr be-
trächtliche Rezepturen und ein großes Kapital in Frankreich
verloren, könne sich also keine neuen Lasten aufbürden. Die früher
von de» Kapuzinern und dem Mesner bewohnten Häuser seien
freilich noch unbewohnt, aber bereits anderweitig bestimmt;
die Nechberghäuser Frühmesse könne durchaus nicht trans-
feriert werden. Nachdem die Dürnauer wiederholt ihre Ab-
neigung gegen die Einpfarrung nach Mühlhausen kundgegcben,
sei es das beste, sie nach Groß-Eislingeu einznpfarreu, zumal
man nicht wissen könne, welche Gesinnungen Kurpfalz-Bayern
auch in Hinsicht der Pastorativn nach Mühlhausen künftig
annehmen werde.
Ohnehin habe nach Mitteilung des Pfarrers Vogel der
Pfarrer von Mühlhausen die Pastorativn Dürnans bereits
in Ulm und Konstanz aufgekündigt. — „Diejenigen 50 fl.,
welche bisher noch von Wiescnsteig nach Dürnau entrichtet
worden sind, rühren von einem von meinem Vorfahren zn
dem nunmehr aufgehobenen ReligionScultus ehemal gestifteten
Kapital von 1000 fl. her. Unstreitig bin ich daher dieses
Kapital cessunte et Oerelictu curisu jure postliiruirü zu
reclarnüren berechtigt. (!) Nach Befinden der Umstände (!)
werde ich aber die davon abfallenden Zinßen mit 50 sl. zum
Vortheil meiner katholischen Unterthanen zu verwenden, mich
nicht abgeneigt finden lassen." („Geist unseres Zeitalters".)
Pfarrer Vogel möge nun bestimmt erklären, ob und wie
er die Pastoration übernehme; der Pfarrer von Mühlhausen
müsse dann urkundlich auf dieselbe verzichten. „Ich sehe da-
her hierüber einer kategorischen Aeuszerung entgegen," so
schließt der Graf seinen Brief.
Der Herr Deputat antwortete, er sehe freilich ein, das;
die Errichtung einer Pfarrei bezw. eines Vikariats nicht gehe;
das Ordinariat habe auch nur für nächsten Winter provi-
sorisch einen pensionierten kurbayerischen Priester gewünscht.
Aber Knrbayern sei freilich ganz unzuverlässig; es gehe sogar die
Rede, Mühlhausen werde nach Wiesensteig eingepfarrt, dann
wäre die Lage Dürnans noch schlimmer. Er übernehme
Dürnau, solange es ihm seine Gesundheit und physischen
Kräfte gestatten (einen Vikar könnte er nicht unterhalten).
Er wolle monatlich einmal an einem Sonn- oder Feiertag
in Dürnau Gottesdienst (Messe, Predigt und Katechese) halten
und vom 1. November bis letzten April alle 14 Tage, im
Sommer alle 8 Tage an einem Werktag dort Messe und
Katechese halten. (Fortsetzung folgt.)

Stuttgart, Buchdruckcrei der Aktiengesellschaft „Deutsches Vatksblalt".
 
Annotationen