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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 12.1894

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Mone, Fridegar: Kritik der Wappen der Minnesinger aus Schwaben, [10]: ein Beitrag zur Geschichte der christlichen Mystik in Schwaben und Alamannien
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Miszellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15916#0040

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ich ans zwei Schriften des Dominikaners ?. Heinrich Denifle,
der Gvttesfrennd im Oberland und Nikolaus von Basel 1875
und das Buch von der geistlichen Armut (von einem Lindauer
Franziskaner (?. Markus?) verweise, gehe ich zu den bilden-
den Künsten über, welche jene Ideen in hervorragender Weise
znm Ausdrucke brachten. Es soll nur darauf hingewiesen
werden, daß in der Porträtierknnst wie in den Jdealtvpfen
eine Vergeistigung der menschlichen Gesichtszügc angestrebt und
erreicht wurde (die beiden La» Eyk), welche uns jetzt in
Erstaunen setzt. Das spiegelt sich ebenso in den symbolischen
Porträts d. i. in den Wappen ab und besonders in den indi-
viduell gewählten Emblemen. Es erklärt sich auch hieraus,
daß am Ende des 13. und im ganzen 14. Jahrhundert eine
demokratische Strömung bemerkbar wurde. Man kann'aus
jedem Wappen erkennen, in welchem Jahrhundert cs ent-
standen ist.
Ein Gesichtspunkt bei der Erklärung der Wappen der
Minnesinger und der Mystiker bleibt mir noch zu erörtern
übrig. In dein 12. bis 14. Jahrhundert hatte das Christen-
tum und die katholische Kirche in Schwaben, Alamannien und
am Nhcine noch stark und in vielfacher Weise gegen die her-
kömmliche» heidnischen Vorstellungen und den Aberglauben als
Uebcrrest einer Mythologie zu kämpfe». Eine dieser vielen
abergläubischen Vorstellungen war auch die Erinnerung an
die Schicksals-Göttinnen, die Normen und die Walkyren, welch
letztere die Fähigkeit besitzen sollten, sich in Schwäne zu ver-
wandeln. Man dachte sich dieselben als geflügelte Wese»,
ähnlich den Harpyien oder den Erinnyen (Furien), oder wie
die Parzen. Das Christentum suchte vom 6. Jahrhundert an
unablässig und mit Konsequenz christliche Ideen den heidnischen
Vorstellungen von jenen Wesen zu unterstellen, d. h. zu sub-
stituieren. Die drei Walkyren wurden in verschiedenen Me-
tamorphosen in die Heraldik bald als Schwan, bald als
Falke n. s. w. ausgenommen. Nicht nur in den Wappen,
sonder» auch in den Ornamenten der Kirche haben jene Bilder
des Heidentums Aufnahme gefunden.
Bei unausgesetzter Arbeit der Kirche, des Benediktincr-
ordens und der christlichen Poesie gelang eS der ersteren, für
die heidnischen mythologischen Fabeltiere mit Flügeln christ-
liche Embleme einzuführc», wie die Taube, den Sittich (Papagei),
den Pelikan, den Kolraben u. a. m. An die Stelle des Wär-
wolfcs trat der Löwe cte tridu jsuckn, an die Stelle des
schwarzen Gespenster-PferdeS trat das Einhorn n. a. in. —
Daß die Mystiker bei dieser Aufgabe, die Ueberreste des Heiden-
tums durch eine neue Poesie zu verdrängen, der Kirche wie
der Kultur und Zivilisation große Dienste geleistet haben,
läßt sich nicht verkennen. Um die Wappen und die figürlichen
Ornamente, wie das Laubwerk, Maßwerk und den Pflanzen-
schmuck an den Kirchenbautcn des 13. bis 16. Jahrhunderts
zu verstehen, muß man notwendig auf die Mystik des
12. bis 13. Jahrhunderts zurück gehen. Es wurde an die
Stelle der oströmischen und romanischen traditionell und hand-
werksmäßig gepflegten Kunstübnng, die anfänglich nur Nach-
äfferei war, im 13. Jahrhundert eine neue Knnstperiode ge-
schaffen, in welcher ein origineller und lebendiger, teilweise
sogar nationaler Kunststil sich entfaltete.
Daß nicht wenige Wappen der bürgerlichen und adeligen
Dichter im 12. bis 14. Jahrhundert mit den damals herrschen-
den Vorstellungen und Ansichten über die Tierfabeln und
über Aberglauben im Zusammenhänge stehen, unterliegt keinem
Zweifel. In Schwaben, Alamannien und am Rheine waren

eben damals noch vielfacbe Spuren der heidnischen Mytho-
logie vorhanden. Man könnte deshalb die Wappen der Dichter
des Manesse-Codex einteilen: in solche des Aberglaubens, des
Amtes, der Nationalität, der individuellen Neligiösität, der
mystischen Richtung der Familie, der Bernfsgeschäste und der
menschlichen Individualität n. s. w. Die verschiedenartigsten
Anschauungen des menschlichen Lebens, der Erziehung, fremder
Einflüsse und der Beschäftigung wirkten hier ein. Es bleiben
aber doch immer gewisse Anhaltspunkte, aus welchen man auf
das Alter der Wappen und deren Entstehung schließen darf.
Daß die erste und älteste christliche Wappenfigur das
Krenzzeichen war und die kreuzweise Teilung des Schildes
versteht sich von selbst. Die ältesten Bistümer führen dieses
Wappen. Die sog. Rolandsäulen, das Symbol des christ-
lichen Staates, haben ebenfalls auf dem Schilde das Kreuz.
Da Karl der Große und vor ihm schon Chlodewech I. einen
christlich-theokratischen. Staat anstrebten, so war das Kreuzes-
zeichen ganz gerechtfertigt.
(Fortsetzung folgt.)

Mis;rllrn.
Die Leiden undFreu den desWeinb aus in Schwab en.
Angesichts der projektierten Weinsteuer ist es nicht ohne Interesse,
zu erfahren, wie Wilhelm Hauff über die gedrückte Lage des
Winzerstandes urteilt. Dieser Schriftsteller, im Weinland Württem-
berg geboren und erzogen, hat in seinen „Phantasien im Bremer
Ratskeller" hinlänglich bewiesen, daß er im Weinbau und in Wein-
verhältnissen überaus erfahren war. In seinem „Bild des Kaisers"
(Kap. X) nun läßt er den jungen Brandenburger Herrn v. Rantoiv,
der bei seiner Cousine Anna v. Thierberg in Schwaben ans Besuch
war, mit einem Opernglas verschiedene Gruppen Winzer und Win-
zerinnen bei der Weinlese betrachten und in überschwängliche Worte
der Begeisterung ansbrechen. Nachdem der Onkel, Herr v. Thierberg,
Heu mit Weinbanverhältnissen unbekannten Brandenburger schon ge-
hörig ernüchtert hat, fängt Fräulein Anna an, ans Erfahrung das
wirkliche Leben der „schwäbischen Wingeter", wie sie — buchstäblich
gesprochen — im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot bezw. Wein ver-
dienen, wie sie die steilsten Buckel schwerbeladen auf- und abklettern
und sich oft hier von der glühenden Sonne wahrhaft ausdörren lassen
müssen, die vielen langen und bangen Tage und Stunden des HoffenS,
wie so oft ein paar Minuten mit Frost oder Hagel re. alt' ihr Abmühen
und Abplagen, all' ihre Erwartungen zu Nichte machen — zu schildern:
„Poesie? Eine Poesie, die mir das Herz dnrchschneidet. Mir erscheint
dies fröhliche Treiben wie ein Bild des Lebens. Unter langem Jammer
und Ungemach ein Tag der Freude, der durch seine Hellen, freundlichen
Strahlen das öde Dunkel umher noch deutlicher zeigt, aber nicht ans-,
hellt! O, känntest du erst das Leben dieser Armen näher! Wenn du
sie beim ersten Erwachen des Frühlings sehen könntest! Jeder Winter
verwüstet ihre steilen Gärten; der Schnee löst sic ans und reißt ihre
beste, fruchtbarste Erde mit sich hinab. Aber rastlos zieht jung und
alt hinaus. Die Erde, die ihnen das Wasser nahm, tragen sie wieder
hinauf und legen sie sorglich um ihre Reben her. Vom frühesten
Morgen, in der Glut deS Mittags bis am späten Abend steigen sie
schwer beladen die steilen, engen Treppen hinan. Welche Freude, wenn
dann der Weinstvck schön steht und Blüten treibt; aber wie bitter ist
zugleich ihre Sorge, denn der kleinste Frost kann ihre zarte Pflanze
vernichten. Und fällt nun der böse Than oder eine kalte Nacht, wie
schauerlich ist dann ihr Geschäft anzusehen! Alle, selbst die kleinsten
Kinder, strömen noch vor Tag in den Weinberg. Dort legen sie alte
Stücke von Kleidern und Tüchern neben die Rebstöcke und brennen sie
an, daß der qualmende Ranch die zarte Pflanze schuhen möchte. Wie
arme Seelen, ins Fegfener verbannt, schleichen sie um die kleinen,
zuckenden Feuer und durch die Schleier, die der Rauch um sie zieht.
Die Kleinen rennen umher, sie können noch nicht berechnen, welches
Unglück sie sehen; aber die Männer und Weiber wissen es wohl, cs
ist eine kühle Morgenstunde, die das Werk langer, mühsamer Wochen
zerstört und sic ohne Rettung noch tiefer in die Armut senkt."

Stuttgart, Bnchdrnckcrei der Aktiengesellschaft „Deutsches Volksblatt".
 
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