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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 16.1898

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Beck, Paul A.: Oberländer Spitzbuben-Chronik, [4]
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Kleinere Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.18488#0067

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ist zu Ummendorf, Ochsenhausenscher Herr-
schaft in dem sog. „Winkelhof", dessen In-
haber B. Vögele, ein vermöglicher Bauer
und zugleich ein raffinierter Korn- und
Schnellerhändler ist, ein fast unerhört ge-
waltthätiger Diebstahl verübt worden; es
waren aller Anssag' nach der Spitzbuben
ungefähr bei 43, alle mit groben Trommeln
und teils mit Schießgewehr versehen. Diese
brachen unter dem schelmischen Vorwand
eines dahin kommandierten Detachements
Soldaten gleichsam in öffentlichem Einzug
nachts um 10 Uhr in ermeldetem Dorf
ein, stellten ihre Wachen an verschiedenen
Orten aus als erstlich vor der Kirch und
Pflegei zu Verhütung des Stnrmschlages,
sodann vor des Schultheißen Haus und
noch zwei oder drei nächst an dem Winkel-
hof liegenden Häusern, unter welchen ein
KüfcrhauS, welcher Küfer diese seine
Schelmenwacht vermerkt und solche ange-
schrieen, von der er aber zur Antwort be-
kommen, er solle nur gleich hineinguckcn,
oder sie schießen ihm eine Kugel vor'n
Kopf und zünden ihm noch sein Haus an.
Ein anderer Kerl, der bei diesen vorbei-
ging, und hörte, daß man Soldaten kom-
mandierte, machte sich ans dem Staub im
Besorg, er müsse sonst botenweis laufen.
Nachdem diese Spitzbuben ihre Wachen
aufgestellt hatten, ging das Hauptkom-
mando auf den Winkelhof loS, welches
ungefähr in zwanzig Mann bestand. Das
Haus wurde vollkommen umstellt; daraus
wurde die Hausthüre vermittels eines
Klotzes oder „Hayen" in einem Stoß
ausgesprengt, desgleichen auch des Bauern
Kammerthüre, wornach sie den Dombanern
samt der Bäuerin im Bett überfallen. Es
sprang aber er, der Bauer, aus und wehrte
sich als ein starker Mann nach allen
Kräften und soll auch drei der Schelmen
unter sich gebracht haben, allein er mußte
halt der Menge und Gewalt weichen; er
wurde also an Händen und Füßen (gleich-
wie auch der Knecht) hart gebunden, und
darauf mit brennenden Kerzen an ver-
schiedenen Stellen des Leibs, als im An-
gesicht, an Händen, Armen, an der rechten
wie linken Seite entsetzlich gemartert, um
andurch zum Geständnis seines Geldes ge-
bracht zu werden. Er, der Bauer, aber
hat uuerachtet dessen alles verweigert, auch
von keinem Geld nit wissen und noch weniger

63 —
solches hergeben wollen. Er würde auch
schwerlich den Spitzbuben solches gezeigt
haben, wenn diese nicht dem kleinen Wie-
genkind das Mordmesser an die Kehle ge-
setzt und in Verweigerung des Gelds,
selbes zu erstechen, angedroht hätten, wo-
durch er dann znm Einbekennen bewogen
worden und er diesen Jaunern bei etlich
100 sl. in einem Ränzel, so ob der Bett-
statt gelegen, angewiesen hat, mit welchem
sie sich aber nicht begnügt, sondern ihre
Fenertortnr so oft wiederholt haben, bis
er letztens (zuletzt) vor grausamen Schmer-
zen au'ch zur Erhaltung seiner selbsten als
auch seines WeibeS und Kindes Leben,
den Gaunern ein Kästlein, nach welchem
sie lange gefragt, herbeigebracht, welches
sie dann rein ansgeleert, indem einer nach
dem andern zugelaufen und in die Säck
und Taschen eingeschoben. Auch derjenige,
der ob der Bettstatt das Ränzlein suchte,
ist bei dem Kästlein nicht zu kurz ge-
kommen und wieder herabgestiegen und
hat gleichfalls zngegriffen. Dann hat er
das ersagte Ränzlein gar vergessen und
liegen lassen, worauf sie dann wiederum
in guter Ordnung mit einander abgezogen
sind. Als sie bei der Mühle vorbeipas-
sierten, frug ein Spitzbube überlaut: „Herr
Lieutenant! sollen wir da auch angreifen?"
worauf der saubere Lieutenant Weißrock
geantwortet: „Nein! für diesmal nicht,
aber nächstesmal!" Der Schaden des
Bauern nur an barem Gelbe soll sich
auf dritthalbtansend Gulden, andere sagen
gar aus 3000 Gulden belaufen haben.
(Fortsetzung folgt.)
Weinere Mitteilungen.
K l e i n k u n st - W u n d e r d r e ch s l e r in
Ravensburg. Zu Anfang des 17. Jahr-
hunderts hatte sich die Kunst vielfach in gesuchte
und nur von Handfertigkeit, Künstelei und Tüf-
telei zeugende Arbeitsamkeit verloren, der man
Kostbarkeit des Materiales beifügte. Ein Ge-
schmack, den damals namentlich die Liebhaberei
Kaiser Rudolfs II. in Deutschland kultivierte, war
die Kunst, Dutzende von Gesichtern, ja die ganze
„Passion" auf Kirschkerne rc. zu schneiden, Flöhe
an Ketten zu legen,, an Kutschen zu spannen u. s. >v.
Die erhaltenen Sammlungen aus jener Zeit ent-
halten noch Proben von dieser Kunstrichtung; vieles
aber davon, namentlich aus Klöstern und Schlössern,
ist verloren gegangen, bezw. zerstreut worden.
Auch im 18. Jahrhundert widmete man sich, wenn
auch nicht mehr so viel, solchen Künsteleien. Das
berühmte „grüne Gewölbe" von Dresden bewahrt
noch manches derartige, so eine überaus scharfe
 
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