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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 16.1898

DOI Artikel:
Mone, Fridegar: Bemerkungen zu Herrn Detzels "Christl. Ikonographie, Handbuch zum Verständnis der christl. Kunst" (Freiburg, 1894-96, bei Herder, 2. Bde.), [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18488#0089

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Wollte man im elften Jahrhundert den
geistigen Tod darstellen, so zeichnete man
einen Bogenschützen, welcher einer Fignr
mit Adler- oder Drachenkopf den (ver-
gifteten) Pfeil in den Mund schießt.
Dieses Bild findet sich ans den Boden-
fließen, die oben erwähnt wurden. Den
Vorgang in der menschlichen Seele, welche
man den geistigen Tod nennt, konnte man
bildlich nur mit einem vergifteten Pfeile
darstellen, der in den Mund des Menschen
oder des Teufels geschossen wird. Denn
durch den Mund des Körpers erhielt auch
die menschliche Seele das geistige Leben,
d. h. die Fähigkeit (Gnade), den freien
Willen znm Guten zu lenken. Im 2. Ka-
pitel Vers 7 im l. Buche Moses stehn
et inspiravit in laciem (llominis) spirn-
culum vitns (Atem des Lebens der Seele)
et tnckus est Iromo in nnimnm viventem
(und die Seele wurde zum ewigen Leben
befähigt). Der Apostel Johannes erzählt
in seinem Evangelium 13, 27, wie der
Tod der Seele Antritt: et post bucellnm
introivit in eunr Lntnnns, d. h. sobald
Christus die Finger von dem Stückchen
Brote im Munde des Judas Jskariot
entfernt hatte, fand die circurninsessio
(Besitzergreifung der Seele) des Judas
durch den Teufel statt. Aehnliche Worte
gebraucht Lukas 22, 3 intrnvit nutem
Lntnnns in )udnm, d. h. die sogen, cir-
curninsessio der menschlichen Seele durch
den Teufel. Sie bewirkt sofort den Tod
derselben, d. h. sie ist zu keinem Willens-
akte znm Guten mehr befähigt. Da
Christus von sich selbst sagt: ich bin das
Leben (sunr via, veritns, vitn), so folgt
hieraus, daß derjenige, welcher gar keinen
Anteil an ihm mehr hat, das Leben der
Seele nicht besitzt, also geistig tot ist.
Den Teufel und den Tod der Seele
als circurninsessio der Letzteren durch
das absolut Böse konnten die Künstler des
Mittelalters in den bildlieben Darstellungen
nicht auseinander halten. Nach der Defini-
tion vom Tode der Seele ist es logisch
ganz.richtig, daß beide, Seelen-Tod und
Teufel ein und derselbe Akt ist. Darnach
richteten sich notwendig die Maler und
Bildhauer im Mittelalter.
Die Darstellungen des Todentanzes, des
Todes Lauern und des Kampfes mit dem
Tode, wie derartige Scenen Dürer, Hol-

bein d. j., Waldung Grien u. A. gezeichnet
habe», kann man ans der christlichen
Ikonographie ausscheiden, weil solche Kom-
positionen aus allgemein menschlichen oder
weltlichen Beobachtungen hervorgingen,
nickt direkt aus dem betrachtenden Ge-
bete. Sie gehören zur Historien-Malerei.
Aber anders verhält es sich mit der sogen.
Psychomachie, d. h. mit den Darstel-
lungen des Kampfes der menschlichen Seele
mit dem bösen Prinzipe, das in verschiede-
nen Gestalten der Seele den Weg znm
Paradiese oder ewigen Leben verstellt und
znm Kampfe nötigt. Christus selbst hat
diesen Kampf'und die Nachstellungen des
bösen Feindes vorausgesagt und zur Wach-
samkeit und zur Ausdauer ermahnt. Papst
Jnnocenz III. äußert sich hierüber in der
zweiten Predigt auf Mariä Himmelfahrt:
czuicuncpuc sentit impuAnationem nb>
llostidus, mundo, cnrne, clnemone, re-
spicint cnstrorurn ncism orclinntnrn (d. i.
die hl. Maria), cleprecetur iVluriam et ipsa
mittet nuxilium. Damit ist deutlich
gesagt, daß die Kompositionen der Psycho-
machie dem betrachtenden Gebete entstam-
men. Ueber die Psychomachie siehe „Diöce-
san-Archiv von Schwaben", Jahrgang 1894
Seite 27.
Den sogen. Physiolvgns in der Aus-
gabe von G. Heider 1851, citiert Detzel
zweimal S. 30 und 33 Bd. 1. Aber er
hätte gewiß den Leser zu Dank verpflichtet,
wenn er auch nachgewiesen hätte, an wel-
chen kirchlichen Gebäuden und Gerätschaften
in Württemberg, Baden und in der Schweiz
jene dem Physivlogns entliehenen Gestal-
ten und Figuren Vorkommen. Insbesondere
erwartete man S. 36 eine Erklärung der
zwei Affen in den Säulen beim Eingang
in die Afrakapelle beim Speyerer Dome
(11.—12. Jahrhundert).
Mit der bildlichen Darstellung des Be-
griffes von Teufel, .Tod der Seele und dem
absolut Bösen hängen die symbolischen
und allegorische» Figuren der. Sünden,
Laster und der bösen Leidenschaften zu-
sammen. Der Künstler kann dieselben für
die bildliche Darstellungen nicht entbehren.
Seine Phantasie schafft dieselben, so oft
er genötigt ist, von jenen Begriffen oder
Abstraktionen zu handeln. Schon dadurch
ist er veranlaßt, Sünden und Laster bild-
lich znm Ausdruck zu bringen, weil er in
 
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