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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 17.1899

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Mone, Fridegar: Hans Holbein d. J. in Konstanz 1514, [3]: Salem, Petershausen und Stein a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.15869#0113
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Priori» des berühmten und reichen Do-
minikanerinnenklosters in Augsburg waren
vor allen in der Lage, dem jnngen Hol-
bein anch Empfehlungsbriefe an den Or-
densprovinzial und an bekannte Patrizier-
familien in Ravensburg, Ulm und Kon-
stanz sowie an die Aebte der Kloster
Kempten, Weingarten und Salem mitzu-
gebe». Bevor ich von der Darstellung
auf der Tafel Nr. 673 spreche, muß
etwas über die Inschrift an dem gesamten
Altai werke von 1512 gesagt werden. So
wie Marggraff a. a. O. S. 170 die
Inschrift mittcilt, ist das Wort tllii aus-
gelassen. Es fragt sich nun, ob anch im
Originale dieses Versehen sich findet. Die
Inschrift führt die sämtlichen Domini-
kanerinnen des Augsburger Katharina-
Klosters sprechend ein:
Piiu ckevotis lauckibus 6Iii tut
momoriam, Vü'Av, recoiimus, ora
pro nobis, Vir§o beata. 1512.
Was die Darstellung des Bildes an-
belangt, welches ans Befehl der Priorin
Veronika Welser der junge Holbein 1517
malte, so ist R. Marggraff (geb. 1805 in
der Nenmark, gest. in'Freibnrg i. B. 1880)
selbst in Verlegenheit, wie er es benennen
soll, weil der Name: Maria oder hl. Anna
Selbdritt (Anna, Maria und das Jesus-
kind) oder „Heilige Familie" nicht recht
passen. Die Handlung auf dem Bilde ist
folgende:
Maria und Anna sitzen auf einer Bank
ohne Lehne. Hinter ihnen breiten drei
Engel einen grünen Vorhang (Hoffnung
auf das ewige Leben) ans. Die Namen
der drei geflügelten Wesen, welche Marg-
graff Engel nennt, sind nach der Mystik
des Mittelalters: intellectus (Verstand
und Vernunft), memoria (das Gedächtnis),
voluutLs (der freie Wille). Das Christuö-
kind ist unbekleidet und versucht den ersten
Schritt zum Gehen zn mache», d. h. zum
Gange nach Golgatha.
Diese Darstellung, wie das Christnskind,
geführt von Maria allein oder von dieser
und der hl. Anna, laufen lernt, hat Hol-
bein d. I. wie auch andere Maler ans
bestimmtem Grunde gewählt. Das anf-
geschlagene Buch und der auf der Bank
liegende Apfel geben zur Erklärung des
Bildes den richtige» Schlüssel. Das offene
Buch deutet an, daß das Christnskind der

hl. Anna und seiner Mutter die Stellen
in den Propheten anfgeschlagen hat, die
auf ihn als den wahre» Messias Bezug
nehmen. Der Apfel, den er von Maria,
der Tochter Evas, erbeten hat, bedeutet
den Apfel, welchen der Teufel seit dem
ersten Sündenfalle als Faustpfand im
Besitze hat, der aber durch den Opfertod
Christi ansgelvst wird. Die ersten Schritte
znm Gehen des kleinen ChristnSkindeö be-
zeugen seinen festen Willen, daß er den
Weg ans den Kalvarienberg cinznschlagen
bereit ist. Die memoria ist durch den
Apfel (Nene über die begangene Sünde),
der mdellsctus durch das anfgeschlagene
Buch sinnbildlich angedentet. So versteht
man anch die drei allegorischen Figuren
für den menschlichen Geist, welche die
Seele des Menschen zu Gott führen. Der
erste Schritt des Kindes beim Gehenlcrnen
ist Sinnbild des freien Willens (volrmta3).
In die Zeit des Aufenthaltes Holbeins
zu Konstanz oder bald nach demselben
fallen ein Porträt und zwei Zeichnungen,
wovon noch ein Holzschnitt und eine Tusch-
zeichnnng erhalten sind. Für eine Wall-
fahrtskirche zu den sieben Fällen Jesus
machte er die Zeichnung für Wallfahrls-
bildchen, welche die sieben Fälle Jesus iu
lyrischer Auffassung darstellten. Von diesen
Bildchen ist nur ei» einziges in einem
Exemplare (iu Basel) erhalten. Der Holz-
schnitt ist von Haus Lützelburger ge-
schnitten. (Siehe Nr. 277 bei Daniel
Burkhardt, Ausstellung von Werken Hans
Holbeins d. I., 1897—98 und Knackfuß
a. a. O. S. 71 mit der irrigen Bezeich-
nung „kreuztragender Christus".) Es sollte
heißen: „Christus fällt unter der Last des
Kreuzes." Wäre die Zeichnung eine so-
genannte Kreuzschleppung, so müßte dem
Bilde eine dramatische oder epische Auf-
fassung z» Grunde liegen. Das haben
Burkhardt und Knackfnß übersehen.
Was die Wallfahrtsbildchen zu den sieben
Fällen Jesu betrifft, so spricht alles dafür,
daß unser Künstler vor dem Jahre 1517
einen Ort besuchte, an welchem eine den
sieben Fällen geweihte Gnadenkirche be-
stand. Am bekanntesten sind bis jetzt die
Wallfahrtskirchen zu den sieben Fällen in
Ersheim am Neckar und bei Frankenthal
am Rhein. Die Zeichnung zu diesen Wall-
fahrtsbildchen mag 1514 — 15 oder 1517
 
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