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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 18.1900

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Vor 100 Jahren: aus einem alten Neresheimer Klostertagebuch, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15870#0129
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122

und der U. Großkeller diese Ueberzengnng
mit mir icilten, so entschloß ich mich, in
das französische Hanplqnarlier nach Nym-
phenbnrg zu reifere nnd obige Vorstellung
an den General Morean nnd General
Desolle zn machen. — Den 13. September
nachmittags ging ich von hier ab und kam
noch bis nach Dillingen, wo ich bei dem
Kriegskommissär Bernard zu Nacht speiste
nnd beim Ochsenwirt übernachtete. Am
andern Tag las ich in der Pfarrkirche in k
Dillingen Messe, frühstückte bei dem H.
Stadtpfarrcr Hörmann nnd reiste dann mit
meinen» Lohnkntscher nach Augsburg ab,
wo ich nachmittags 3 Uhr ankam >— beim
H. Goldarbeiten Krnm 200 fl. für den
Kelch deS Prälaten bezahlte, den Herr»
Kieninger besuchte, nnd dann im weißen
Lamm übernachtete. — Den 15. September
fuhr ich mit Extrapost nach München ab,
wo ich nachmittags sehr frühzeitig anlangte.
Wegen der Menge französischer Einquar-
tierungen nnd anderer Fremden, mußte ich
in fünf Gasthöfen hernmfahren, nur ein
Quartier zn bekommen. Ich stieg endlich
bei Herrn Störzer ab und speiste da z»
Mittag. Endlich war ein Quartier leer.
Ich besuchte den alten H. v. Baader
und machte mit ihm einen Spaziergang in
den englischen Wald, wo ich mehrere be-
kannte französische Generäle nnd Offiziere,
unter andern den General Nicolas
Frinivn nnd denOrdonnateur Norny antraf.
Abends 7 Uhr gingen wir wieder nach
Hanse, wohin uns bald die liebe Frau
Baader folgte, die mit ihren beiden Neffen
Joseph nnd Matthias Baader eine Spazier-
fahrt nach Schleißheini gemacht hatte. —
Am 16. September früh ging ich zn Fuße
nach Nymphenbnrg, »in mit Moreau zu
sprechen. Er empfing mich wie gewöhnlich
mit ausgezeichnetem Wohlwollen, behielt
mich beim Mittagessen nnd ließ mich nach ^
demselben nach München zurückführen —
eine Ehre, die noch keinem Abgesandten
zn teil ward. Nach dem Mittagessen suchte
ich Moreau allein zn sprechen, um mich
meines Auftrags bei ihm zn entledigen. ^
Ich fand hiezu leicht Gelegenheit. Ich
machte also meinen Vortrag in Betreff der
Besorgnis einer Säkularisation. Morean
antwortete mir folgendes: „Ich weiß es,
daß über diesen Punkt zwischen unserer
Negierung und dem Kaiser unterhandelt

wird; ich weiß aber auch, daß er noch gar
nicht entschieden ist. Ich glaube zwar,
daß mehrere weltliche Fürsten, die durch
den Krieg vieles verloren haben, durch den
Weg der Säkularisation werden entschädigt
werden, aber an eine allgemeine Säkulari-
sation glaube ich nicht, nnd wünsche sie
auch nicht, nnd ineine Armee noch weniger,
indem sie überall in den Klöstern und
Stiften den besten Unterhalt fand, indes
i die weltlichen Fürsten anöwanderten nnd
uns nichts zurückließcn als leere Schlösser.
Was das Kloster Neresheim insbesondere
betrifft, können Sie darauf rechnen, daß ich
demselben nie mein Zeugnis nnd das
Zeugnis meiner Armee verweigern werde,
daß ich in demselben brave Priester ge-
funden habe, nnd daß dasselbe, nicht nur
in diesem Feldzüge, sondern schon vor vier
Jahren zum Uiuerhalte des französischen
Militärs die größten Opfer gebracht hat.
Von diesem Zeugnisse mögen Sie Gebrauch
machen, wann, wie nnd wo Sie wollen
und können." Ungefähr das nämliche sagte
mir der General Desolle, mit dem ich über
den nämlichen Gegenstand sprach. Um
2 Uhr nachmittags kam ich von Nymphen-
bnrg nach München zurück. Ich ließ so-
gleich einen Lohnkntscher bestellen nnd fuhr
nach Freising, wo ich abends 7 Ubr ankam.
(Daselbst war Lasser von 1792—94
Professor der Logik nnd Physik am Lycenm
gewesen.) Wie schlug mir das Herz, als
ich mich einem Orte näherte, welchen ich
vor 6 Jahren, fast um die nämliche Zeit
mit traurigem Herzen verließ nnd seitdem
nicht mehr sah; einem Ort, wo ich einer-
seits in dem Zirkel so vieler lieben, guten
Freunde einst so viele Freuden genoß und
anderseits durch Kabalen mißgünstiger und
eifersüchtiger Feinde so vielen Verdrieß-
lichkeiten nnd Verfolgungen ansgesetzt war!
— Ach, ich sollte sie wiederfinden, nach
einigen Minuten Wiedersehen, jene lieben,
guten Freunde, nnd mich mit ihnen freuen
mit reiner Freude — ihnen auch Freude
machen durch meine gewiß ganz nnver-
! mutete Erscheinung! — Diese Vorempsin-
dungen setzten mich in die heiterste Gemüts-
stimmnng »nd machten mich zum Genüsse
der erwarteten Freuden des Wiedersehens
recht anfgelegt. Ich genoß sie auch, diese
Freude in Gesellschaft, in dem Hause des
rechtschaffenen Vizedomö Strommer, bei
 
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