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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 19.1901

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Schön, Theodor: Schultheater in den Reichsstädten Reutlingen, Heilbronn und Etzlingen und anderen unterländischen Orten
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https://doi.org/10.11588/diglit.18109#0015
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7

lieber die Schulkomödie iu der vierten
u terländischen Reichsstadt Weilderstadt
fehlen Nachrichten.
Auch in den württembergischen Städten
blühte die Lust am Komödienspiel, selbst
in den vom Verkehr abgelegenen Schwarz-
waldstädten. 1502 am Sonntag nach
Fronleichnam (2. Juni) fnhrle in Calw
der Stadtschreiber Oswald Kurse mann
ein Trauerspiel vom Leiden Christi in
Gegenwart mehrerer Tausend Personen,
unter denen sich Herzogin Elisabeth von
Württemberg, welche dazu viele kostbare
Kleider herlieh, zwei Markgräsinnen von
Brandenburg, Kardinal Raimund von
Gurk, welcher allen andächtigen Zuschauern
Ablaß ans 20 Jahre erteilte, und der Abt
Blasius von Hirsau befanden. Ans dem
Nathans wurden darauf die Ehrengäste mit
einer kostbaren Mahlzeit bewirtet?^, 1544/45
führte man in Wildberg, OA. Nagold, zwei
geistliche Stücke auf?) In dem altwürttem-
bergischen, jetzt badischen StädtchenSchiltach
führte die protestantische Bevölkerung 1654
„die Comoedia AhaSveri und seiner beiden
Königinnen Vasti und Esther" ans. Auch
in der katholischen Alachbarschaft wurden
zur Friedensfeier 1648 ähnliche Spiele
veranstaltet?) In Untertürkheim, OA.
Cannstatt, führte Pfarrer Thomas Birck
(1585—1601) mit seinen Pfarrkindern
1590 vor einem ans der Residenz herbei-
gekommenen, vornehmen Publikum seine
„Komödie von den gottvergessenen Doppel-
spielern" auf, sowie 1593 seinen „Ehe-
spiegel". Hierzu kamen Hoflente, Kon-
sistorialherren n. s. w?) In Waiblingen
führte die Bürgerschaft dem Hofgericht zu
Ehren am Sonntag Lätare (25. März)
1571 ein mit vielem Beifall anfgenommenes
geistliches Schauspiel „das jüngste Gericht"
ans?) Am Ostermontag 1571 wurden diese
Waiblinger Bürger, welche das jüngste
Gericht mit großem Beifall anfgeführt hatten,
von Herzog Ludwig nach Stuttgart berufen,
um es ans dem Marktplatz aufznführen. Dabei
kommt Feuer ans, die Hölle gerät in wirk-
lichen Brand, die Teufel fliehen, Gott
Vater ans dem Thron kommt in Gefahr

Sattler, topographische Geschichte 206.
2) Schwab. Chronik 1886, Nr. 28.
R. Krauß, schwäb. Literaturgeschichte 1. S.89.
C Neue OA.-Beschr. Cannstatt, S. 669.
OA.-Beschr. Waiblingen, S. 110.

und wird wütend, so daß das Spiel unter
dem Gelächter der Zuhörer endet?) Der
dortige Schulmeister Jakob Frischlin
(1578-1579, 1581 — 1594)' führte mit
seinen Knaben und mit Bürgern Schau-
spiele auf und wurde wiederholt an den
Stuttgarter Hof gerufen?)
Auch in Tübingen wurde am 9. Februar
1592 auf dem Markt von den Zöglingen
des Stipendiums (Stifts) die von Xistns
Letnlejnsverfaßte „Comoedia Snsannae"
anfgeführt, welcher Aufführung Professor
Martinas Cousins, wie er in 5uevi-
Lorum T^nnnlum über XI partw III
S. 641 berichtete, selbst beiwohnte. Hans
Pfister und erbare Gesellschaft führten in
Tübingen zu Herzog Ludwigs Zeit (1568
bis 1593) etliche deutsche Komödien auf
und wurden von dem Rat der Stadt mit
Kleidern und Kleinodien geziert und sonst
unterstützt. Uebrigens wurde 1588 in
Tübingen die Aufführung des Faust, daraus
„Aergernis erfolgt" verboten, der Verfasser
der Komödie und der Drucker Hock ins
Gefängnis gesteckt. Natürlich fehlte auch
in der Residenzstadt nicht die Freude am
Komöoienspielen.
Im Juli l572 führte die Bürgerschaft
(Bürgerskinoer) erstlich vor dem Schloß,
darnach öffentlich in der Stadt auf dem
Markt die biblische „Histori von dem
keuschen Joseph" auf. Der Herzog ver-
ehrte 30 Reichsthaler. 1607 wurde ans
dem Markt die Histori von vom Erzvater-
Abraham anfgeführt?)
Wie man ans dem Vorhergehenden,
das auf Vollständigkeit keinen Anspruch
erhebt, sieht, fanden in den Unterländer
ebenso wie in den oberländer Städten im
16. und 17. Jahrhundert Aufführungen
meist geistlicher Schauspiele durch Schüler
nnd Bürger statt, wenn auch nirgends
sich diese zu einer solchen Blüte entwickelten
und so lange behaupteten wie im Ober-
land. Ursache war hiervon, daß die meisten
der Unterländer Städte protestantisch ge-
worden waren und die protestantische
Geistlichkeit mit wenigen Ausnahmen gegen-
? I. Hartmann, Chronik der Stadt Stuttgart,
S. 71. Crusius, Annal. Suev. 3, 744.
? R. Krauß 1, 89.
? I- Hartmann, S. 72, 8ö; K. Pfaff, Gesch.
der Stadt Stuttgart 1, 116; Gödeke, Grundriß
1, 324; Serapenuin 7, 333; Crusius, Annal.
Suev. 3, 641.
 
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