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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 22.1904

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Beck, Paul A.: Vorlagen zu Schillers "Räuber"
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https://doi.org/10.11588/diglit.18334#0159

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birgsland da und dort eine Reihe von
Galgen, sehr soliden Bauten aus Siein
nnd nicht aus faulem Galgenholz, mächtige
Säulen, ausgemauert in der altdeutschen
Galgenhöhe von l5Fuß, quasi als stumme
Zeugen der alten inappellablen rätische»
Hochgerichte! Noch zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts weihte der Pfarrer von
Zutz im Obereugadin einen solchen neue»
massiven Galgen ein und betoute dabei!
„Der Galgen ist für unsere Kinder nnd
Kindeskinder gebaut!" -— Auch der Ge-
schlechtsname M vor mag aus Graubündte»,
der Heimat des uralten rätischen Grafenhanses
der von Mohr, bezogen worden sein?

Mit der Rückdatierung des Stückes
endlich in die Zeit Kaiser Maximilians I.
hat sich dir Dichter entschieden eine Art
vo» Anachronismns geleistet, denn alles im
Drama, Figuren wie Vorgänge, paßt viel
besser nnd eher i» die wilden Zeiten vor
oder in dem 39jährigen Krieg, und dann sind
doch so „konfiszierte Kerle", wie Spiegel-
berg, KosinSky und Schwarz, welche be-
reits gauz gehörig mit Pnlver und Blei,
mit „Pistole» und Kngelbüchsen" han-
tierten, schon ziemlich weit über den „all-
gemeinen oder ewige» Landfrieden"
hinausgewachsen! — Weithiu, bis nach
Spanien und Polen, bis nach Schweden
u»d Julien, hatte» Schillers „Räuber"
Welle» und Wogen geworfen und nament-
lich die Herzen der Jngend gewaltig er-
regt, dnrch deren Reihen damals eine tiefe
Gärnng, eine Art von Wiedererwachen
und Ueberschäume» lang verhaltene» Frei-
heils- »nd Kraftsimies, ähnlich wie fast
drei Jahrhunderte früher in der Hmna-
»istenzeit, ging. Fast in alle europäische
Sprachen winden sie übersetzt. Nicht
richtig ist aber, was der Spanier Ochoa
nach dieser Richtung in seinem „Spanische»
Theater" sagt, daß sich durch die Schillerscheu
„Räuber" die Räuberbande» in Württem-
berg dermaße» vermehrt hätten, daß die
Regierung sich genötigt gesehen habe, die
Ausführung des Stückes zn verbiete».
Die „liebe Jugend" mag ja mehr als viel-
leicht gut war, „Räuberles gespielt" haben,
aber Räuber hatten wir im 18. Jahr-
hundert schon vorher genug in Schwaben!

Auch für die Zukunft werden die
„Räuber", welche in so engem Zusammen-
hang mit der eigenen Jugendzeit des unsterb-

lichen Dichters stehen und wie kein
anderes von seinen Werken den Stempel
der poetisch - literarische» Sturm- und
Drangperiode mit sehr vielen Anklänge»
an den bald darauf erfolgte» s»rchtbaren
Ausbruch der die französische Revolution
beherrschenden Ideen tragen, welche, das
einzige noch in seiner Heimat ent-
standene, auch noch mit eiuer Reihe von
schwäbischen Idiotismen durchsetzte Drama,
den jugendlichen Dichter — man darf
wohl sage» zn seinem und der Welt Heil,
denn sonst hätte wohl sein Genius nicht
so hohe Schwingen genommen und hätten
wir nicht die unsterblichen Schöpfungen
erhalten und wäre Schiller wohl zu Hause
iu der altwürttembergischeu Misere ver-
kümmert — aus dem engere» Vaterlaiide
hinaustrieben, das Liebliugsstück der
Jugendwelt bleiben, solange es noch eine
deutsche Jugend gibt und nicht die leider schon
zu sehr in derselben eingerissene Blasiert-
heit über dieselbe Herr wird; uud auch
den Literarhistoriker wird es von Zeit
zn Zeit immer wieder reizen, der ein-
zelnen Persönlichkeit in dem so viel-
gestaltigen Schauspiel näher nachzugehen.
Der originelle Mainzer Philosoph Joh.
Heinrich Vogt (1749—1789) hat i»
seinen „Fragmente» ?e." (Mainz, 1791,
S. 145) auf die Frage: Warum macht
die Vorstelluug der „Räuber" eineu solchen
Eindruck auf juuge Gemüter, daß es
scheint, als gefielen dem Menschen anch
Schlechtigkeiten? geantwortet: „Die Räuber
haben den Eindrnck auf die Jünglinge
nicht als Räuber gemacht, sondern als
Menschen, die noch Edelmut besaßen,
denn auch ein Räuber hat Ehre! So
ist ein schöner, hoher Turm, auch vom
Donner zerstört, dem menschliche» Auge
doch 'was Schöneres, als ein Lusthäuschin."
Dieses Räubergeschlecht, wie es Schiller
im großen Ganzen zeichnet, ist freilich in
unseren Tagen ausgestorben; selbst die
Räuber sind heutzutage blasiert, weu»
nicht gar Uebermensche» geworden nnd
jeder Romantik bar. Die jetzigen, viel-
fach raffinierte» und wissenschaftlich vor-
gebildeten Verbrecher glauben au kein
Oben, kein Unten, lein Verdienst und
keine Strafe, an kei»e» Gott uud keinen
Teufel, an kei» Jeiiseits uud keine Hölle;
sie habe» gar keine Ideale uud Gefühle,
 
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