128
erfahren, wann Ravignan ihn wieder besuchen
könne. Schließlich kam der Fürst selbst zu uns
und erklärte Ravignan, er wolle nun sein Werk
vollenden und die Firmung und heilige Kommunion
empfangen. Ravignan konnte aber damals noch
kaum sprechen, geschweige ausgehen. Da bat
der Prinz selbst den U. Superior, ihn Beicht zu
hören, die hl. Messe zu lesen und ihm dis Kom-
munion zu reichen. Am Montag in der Kar-
woche des Jahres 1852 geschah all das in der
kleinen Kapelle der „verlassenen Kinder", am
nämlichen Tage ging der Nuntius zu ihm, um
ihm die hl. Firmung zu spenden. Acht Tage
später, am 16. April 1882, starb Herzog Paul
rasch an den Folge» einer Gehirnentzündung.
Dian konnte ihm nur noch die letzte Oelung
erteilen, denn der Kranke hatte, als der
1'. Superior zu ihm kam, das Bewußtsein be-
reits verloren. Der Herzog hatte Ravignan streng-
stes Stillschweigen aufcrlegt, das er auf einige
Zeit gewahrt wissen wollte, hatte Ravignan in-
dessen erlaubt, dem Nuntius die Nachricht unter
dem Siegel des Geheimnisses mitzuteilen; her-
nach bat er diesen, den Papst davon zu benach-
richtigen. Der Nuntius ließ sich, wie bereits
erwähnt, sür alle Fälle von U. Ravignan ein
authentisches (hier im wesentlichen wiedergege-
benes) Dokument über die Konversion ausstellen.
Die Ueberzeugung des Prinzen stand schon längst
fest; er Hatto sich schon längere Zeit von der
protestantischen Religion abgewandt und keinen
Gebrauch mehr von derselben gemacht. Obwohl
As cle Lkontessu)' den Uebertritt ihres Vaters,
de» dieser geheim gehalten wissen wollte, öffentlich
ausgesprochen hatte, blieb im allgemeinen das Ge-
heimnis gut gewahrt. Die an seinem Sterbebette
erschienenen Verwandten, wie sein Schwager, Prinz
Jerüme Napoleon, Exkönig von Westfalen, mit
seinen beiden Kindern Prinz Napoleon und Prin-
zessin Mathilde, sein Enkel Herzog Wilhelm von
Nassau, der auf die Nachricht von der schweren
Erkrankung des Großvaters sofort herbeigeeilt
mar, Freunde, Respektspersonen wie der russische
(Staatsrat v. Kisseleff) und württsmbergische
Gesandte (v. Wächter) hatten noch keine Ahnung
von der Konversion und waren durch das plötz-
liche Erscheinen des Nuntius in vollem geistlichen
Ornate aufs Höchsts überrascht. Der Herzog von
Nassau, der hiedurch sichtlich am unangenehmsten
berührt war, glaubte gar gegen die Gültigkeit
des Konfessionswechsels Protest erheben und die
Andeutung von wahrscheinlichen Einwirkungen
dritter hiebei nicht verhehlen zu sollen, wovon
man indes weiter keine Notiz »ahm; er nahm
die Sache offenbar zu tragisch und wußte sich im
ersten Augenblick der Ueberraschung nicht in die-
selbe zu finden, wohnte aber doch am 18. April
dem kirchlichen Trauergottesdienste zu Paris bei.
In seinem Testamente hatte er seine beiden
Töchter aus erster Ehe zu Haupterben eingesetzt.
Auch die politische Welt gerieth durch den Vor-
gang ein wenig, aber nur auf kurze Zeit in
Aufregung, am allermeisten natürlich in seinem
Heimatlande, wo der Prinz indes durch seine
langjährige Abwesenheit kaum mehr gekannt war.
„Denn" — so schreibt der wohl von altwürttem-
bergischer Seite inspinerte „Neue Nekrolog der
Deutschen", XXX (1882, Weimar 1884, Druck
und Verlag von Beruh. Fried. Voigt, S. 256—62;
insbes. S. 260) in der Biographie des Prinzen
von Gröger — „der König von Württemberg
habe nur einen Sohn, wenn nun dessen Ehe
mit der Großfürstin Olga kinderlos bleiben sollte,
wie es den Anschein habe, so würden des Prinzen
Paul Söhne die nächste Anwartschaft auf die
württembergische Krone haben, wovon aber nach
dem Hausgesetz Katholiken ausgeschlossen seien (!!).
Es könnte daher behauptet werden, das Erbrecht
der Prinzen sei durch den Religionswechssl ihres
Vaters beeinträchtigt worden (??!)." I» dieser
bezeichnenden Auslassung ist natürlich mehr der
Wunsch als die Wirklichkeit der Vater des Ge-
dankens, denn das württ. Hausgesetz weiß von
einem Ausschluß der Katholiken von der Thron-
folge nichts und die Behauptung von einer Be-
einträchtigung des Erbrechts der Prinzen durch
de» Konfessionswechsel ihres Vaters ist eitel Ge-
rede, wie übrigens der ged. Nekrolog selbst bei-
fügt, eine solche Gefährdung sei nicht zu besorgen,
„da eine solche Folge des Glaubenswechsels
jedenfalls nur den Prinzen selbst hätte treffen
können". Zuerst versuchte man, den Uebertritt
zu bestreiten und als dies nicht mehr ging,
wollte man Anstand nehmen, seinen Leichnam in
seinem Stammlande aufzunehmen. Nun ruht er
aber doch schon längst bei seinen Ahnen in der
Ludwigsbnrger Fürstengruft! Das Urteil der
Welt über diesen, wie ges. in seinem Vaterlands
später kaum mehr gekannten Prinzen, über wel-
chen man hierzulande viel zu wenig mehr weih,
um die paar über denselben veröffentlichten Ur-
teile prüfen bezw. kontrollieren zu können, ist et-
was geteilt. Der bekannte Kriminalist Paul Joh.
Anselm Fenerbach, welcher den Fürsten
in Karlsbad schon im Sommer 1815 — also noch
als jungen Mann! — kennen gelernt und eine
scharfe Feder führt, schildert ihn von imponieren-
dem Aeußern, von hohem, kräftigem Wüchse, mit
einem großen, geistvollen, zuweilen starren oder
in wilder Irre hin- und herblickenden Auge,
charakterisiert ihn als hochintelligent, belesen,
geistreich und schreibt ihm „gewaltige Rednergabe,
glühendes Feuer des Ehrgeizes, durch zurückge-
haltene Befriedigung genährt" zu. Die Schatten-
seiten malt Feuerbach aber wohl wie folgt zu hart:
„daher Unmut, wilde Leidenschaft gegen alle regie-
renden Häuser, freche Offenheit; Revolutions-
grundsätze »»verholen geäußert. An Charakter
und Sitte ein Orleans LZalite". Seine freud-
lose, durch den frühen schreckhaften Tod der Mutter
getrübte Jugend sowie das strenge väterliche „Re-
giment" »lögen nicht spurlos an ihm vorüber-
gegangen sein. Daß auch seine schöne, an Je-
rüme Napoleon vermählte Schwester Katharina
(geb. 1783, ft 1835 zu Lausanne), den Glauben
gewechselt habe und bei ihrer Verehelichung ka-
tholisch geworden sei, ist aber nicht richtig; viel-
mehrverharrte sie in ihrem ursprünglichen Glauben;
wohl aber wurden die aus dieser Ehe hervor-
gegangenen Kinder, Jerüme N., der bekannte Prinz
Plon-Plon und die erst kürzlich ft schöne Prinzessin
Mathilde katholisch.
Stuttgart, Vuchdruckerei der Akt.-Ges. „Deutsches VolkSblatt".
erfahren, wann Ravignan ihn wieder besuchen
könne. Schließlich kam der Fürst selbst zu uns
und erklärte Ravignan, er wolle nun sein Werk
vollenden und die Firmung und heilige Kommunion
empfangen. Ravignan konnte aber damals noch
kaum sprechen, geschweige ausgehen. Da bat
der Prinz selbst den U. Superior, ihn Beicht zu
hören, die hl. Messe zu lesen und ihm dis Kom-
munion zu reichen. Am Montag in der Kar-
woche des Jahres 1852 geschah all das in der
kleinen Kapelle der „verlassenen Kinder", am
nämlichen Tage ging der Nuntius zu ihm, um
ihm die hl. Firmung zu spenden. Acht Tage
später, am 16. April 1882, starb Herzog Paul
rasch an den Folge» einer Gehirnentzündung.
Dian konnte ihm nur noch die letzte Oelung
erteilen, denn der Kranke hatte, als der
1'. Superior zu ihm kam, das Bewußtsein be-
reits verloren. Der Herzog hatte Ravignan streng-
stes Stillschweigen aufcrlegt, das er auf einige
Zeit gewahrt wissen wollte, hatte Ravignan in-
dessen erlaubt, dem Nuntius die Nachricht unter
dem Siegel des Geheimnisses mitzuteilen; her-
nach bat er diesen, den Papst davon zu benach-
richtigen. Der Nuntius ließ sich, wie bereits
erwähnt, sür alle Fälle von U. Ravignan ein
authentisches (hier im wesentlichen wiedergege-
benes) Dokument über die Konversion ausstellen.
Die Ueberzeugung des Prinzen stand schon längst
fest; er Hatto sich schon längere Zeit von der
protestantischen Religion abgewandt und keinen
Gebrauch mehr von derselben gemacht. Obwohl
As cle Lkontessu)' den Uebertritt ihres Vaters,
de» dieser geheim gehalten wissen wollte, öffentlich
ausgesprochen hatte, blieb im allgemeinen das Ge-
heimnis gut gewahrt. Die an seinem Sterbebette
erschienenen Verwandten, wie sein Schwager, Prinz
Jerüme Napoleon, Exkönig von Westfalen, mit
seinen beiden Kindern Prinz Napoleon und Prin-
zessin Mathilde, sein Enkel Herzog Wilhelm von
Nassau, der auf die Nachricht von der schweren
Erkrankung des Großvaters sofort herbeigeeilt
mar, Freunde, Respektspersonen wie der russische
(Staatsrat v. Kisseleff) und württsmbergische
Gesandte (v. Wächter) hatten noch keine Ahnung
von der Konversion und waren durch das plötz-
liche Erscheinen des Nuntius in vollem geistlichen
Ornate aufs Höchsts überrascht. Der Herzog von
Nassau, der hiedurch sichtlich am unangenehmsten
berührt war, glaubte gar gegen die Gültigkeit
des Konfessionswechsels Protest erheben und die
Andeutung von wahrscheinlichen Einwirkungen
dritter hiebei nicht verhehlen zu sollen, wovon
man indes weiter keine Notiz »ahm; er nahm
die Sache offenbar zu tragisch und wußte sich im
ersten Augenblick der Ueberraschung nicht in die-
selbe zu finden, wohnte aber doch am 18. April
dem kirchlichen Trauergottesdienste zu Paris bei.
In seinem Testamente hatte er seine beiden
Töchter aus erster Ehe zu Haupterben eingesetzt.
Auch die politische Welt gerieth durch den Vor-
gang ein wenig, aber nur auf kurze Zeit in
Aufregung, am allermeisten natürlich in seinem
Heimatlande, wo der Prinz indes durch seine
langjährige Abwesenheit kaum mehr gekannt war.
„Denn" — so schreibt der wohl von altwürttem-
bergischer Seite inspinerte „Neue Nekrolog der
Deutschen", XXX (1882, Weimar 1884, Druck
und Verlag von Beruh. Fried. Voigt, S. 256—62;
insbes. S. 260) in der Biographie des Prinzen
von Gröger — „der König von Württemberg
habe nur einen Sohn, wenn nun dessen Ehe
mit der Großfürstin Olga kinderlos bleiben sollte,
wie es den Anschein habe, so würden des Prinzen
Paul Söhne die nächste Anwartschaft auf die
württembergische Krone haben, wovon aber nach
dem Hausgesetz Katholiken ausgeschlossen seien (!!).
Es könnte daher behauptet werden, das Erbrecht
der Prinzen sei durch den Religionswechssl ihres
Vaters beeinträchtigt worden (??!)." I» dieser
bezeichnenden Auslassung ist natürlich mehr der
Wunsch als die Wirklichkeit der Vater des Ge-
dankens, denn das württ. Hausgesetz weiß von
einem Ausschluß der Katholiken von der Thron-
folge nichts und die Behauptung von einer Be-
einträchtigung des Erbrechts der Prinzen durch
de» Konfessionswechsel ihres Vaters ist eitel Ge-
rede, wie übrigens der ged. Nekrolog selbst bei-
fügt, eine solche Gefährdung sei nicht zu besorgen,
„da eine solche Folge des Glaubenswechsels
jedenfalls nur den Prinzen selbst hätte treffen
können". Zuerst versuchte man, den Uebertritt
zu bestreiten und als dies nicht mehr ging,
wollte man Anstand nehmen, seinen Leichnam in
seinem Stammlande aufzunehmen. Nun ruht er
aber doch schon längst bei seinen Ahnen in der
Ludwigsbnrger Fürstengruft! Das Urteil der
Welt über diesen, wie ges. in seinem Vaterlands
später kaum mehr gekannten Prinzen, über wel-
chen man hierzulande viel zu wenig mehr weih,
um die paar über denselben veröffentlichten Ur-
teile prüfen bezw. kontrollieren zu können, ist et-
was geteilt. Der bekannte Kriminalist Paul Joh.
Anselm Fenerbach, welcher den Fürsten
in Karlsbad schon im Sommer 1815 — also noch
als jungen Mann! — kennen gelernt und eine
scharfe Feder führt, schildert ihn von imponieren-
dem Aeußern, von hohem, kräftigem Wüchse, mit
einem großen, geistvollen, zuweilen starren oder
in wilder Irre hin- und herblickenden Auge,
charakterisiert ihn als hochintelligent, belesen,
geistreich und schreibt ihm „gewaltige Rednergabe,
glühendes Feuer des Ehrgeizes, durch zurückge-
haltene Befriedigung genährt" zu. Die Schatten-
seiten malt Feuerbach aber wohl wie folgt zu hart:
„daher Unmut, wilde Leidenschaft gegen alle regie-
renden Häuser, freche Offenheit; Revolutions-
grundsätze »»verholen geäußert. An Charakter
und Sitte ein Orleans LZalite". Seine freud-
lose, durch den frühen schreckhaften Tod der Mutter
getrübte Jugend sowie das strenge väterliche „Re-
giment" »lögen nicht spurlos an ihm vorüber-
gegangen sein. Daß auch seine schöne, an Je-
rüme Napoleon vermählte Schwester Katharina
(geb. 1783, ft 1835 zu Lausanne), den Glauben
gewechselt habe und bei ihrer Verehelichung ka-
tholisch geworden sei, ist aber nicht richtig; viel-
mehrverharrte sie in ihrem ursprünglichen Glauben;
wohl aber wurden die aus dieser Ehe hervor-
gegangenen Kinder, Jerüme N., der bekannte Prinz
Plon-Plon und die erst kürzlich ft schöne Prinzessin
Mathilde katholisch.
Stuttgart, Vuchdruckerei der Akt.-Ges. „Deutsches VolkSblatt".