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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 25.1907

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Merk, Gustav: Der Kampf um die Parität in Attenweiler bei Biberach, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18486#0105

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das Begräbnis. Die Leichenrede unter-
blieb nun. Der fortgesetzten Zwistigkeiten
zwischen Katholiken und Protestanten,
deren Haupturheber und eifrigster Betrei-
ber ein hochbetagter „Lntheraner Johannes
Gerster" war, müde, wandte sich Rensftle
an seinen Prälaten in Schnssenried und
dieser mit dem katholischen Magistrat in
Biberach an das Kreisausschreibeamt in
Ulm, mit dem Protest dagegen, daß

1. die Angsburger Konfessionsverwand-
ten an Sonn- uud Festtagen in Privat-
häusern zusammenkommen, die Psalmen
mit lauter Stimme absingen oder andere
christliche Uebnngen anstellen;

2. bei Leichenbegängnissen Gesänge an-
stimmen und Leichenreden abhalten;

3. keine förmliche Schnle daselbst, viel
weniger von einem Schulmeister Predigten
oder andere Religionsübnngen gehalten,
noch Schulvisitationen vorgenommen und
von der gutwillig zugestandenen Weise ab-
gewichen werde;

4. noch daß den Biberachschen evange-
lischen Predigern erlaubt sein solle, das
Abendmahl ihren Kranken weder in der
Siille, viel weniger aber im Beisein der
Domestiken oder unter Zulauf anderer
Leute und Nachbarn zu reichen.

Ans diesen radikalen, den Protestanten
fast jede freie Religionsübung absprechen-
den Protest erfolgte unterm 28. Jnni 1755
die Antwort, daß Punkt 2, Gesang und
Reden bei Leichenbegängnissen betreffend,
gänzlich Zu unterbleiben habe. Pnnkt 1
aber foll in keiner anderen Art gestattet
sein, als daß die evangelischen Konfessions-
verwandten ihre Privatandachtsübnngen
mit Beten und Singen, auch Predigen,
Lesen in ihren eigenen Häusern, jedoch in
Gestalt einer Gemeinde, anch der öffent-
lichen Neligionsübnng der Katholiken nn-
nachteilig vor oder nach dem katholischen
Gottesdienst abhalten, zumal anch mehr
als eine Haushaltung nicht zu der an-
dern kommen und diese Zusammenkunft
über obige Fälle nicht ausdehnen und dar-
über den Biberachschen Gottesdienst ver-
nachlässigen.

Wenn auch die Angsbnrger Konfessions-
verwandten durch eiueu Schulmeister ihre
Kinder im Christentum, Schreiben, Lesen,
Rechnen u. s. w. uuterweiseu lassen mögen,
so dürfen jedoch die Schulmeister keine

Predigten und Leichenreden halten, auch
dürfe ein „evangelischer" Geistlicher ein^
mal nach der Schnle in Littenweiler sehen,
ohne jedoch einen Gottesdienst zu halten.

Zn den Kranken und alten Leuten dürfen
die evangelischen Konfessionsverwandten
einen ihrer Geistlichen holen lassen,
um diese im Beisein ihrer Hausgenossen
uud Nachbarn, jedoch ohne weiteren Zn-
lanf auch ohne weitere geistliche Verrich-
tung providieren lassen. Schließlich sollen
die Religions- und Andachtsübnngen von
den Evangelischen über die verglichenen
Punkte zu keiner Zeit nnd unter keiner
Bedingung ausgedehnt und noch mehr
verlangt werden.

Durch diese Antwort waren die Rechte
der Protestanten in Littenweiler genau
fixiert und man handelte auch dauach.
Als im gleichen Jahre am 25. Llngnft
der bereits angeführte Betreiber der Zwi-
stigkeiten, Johannes Gerster, 70 Jahre
alt, starb, wnrde keine Leichenrede gehalten,
weil eben keine gehalten werden dnrfte.
Aber trotzdem war noch kein Friede. For-
derungen der Protestanten, wie am Grün-
donnerstag bei einem Sterbefall länten zn
lassen, konnte der katholische Pfarrer nicht
entsprechen, sie mußten warten bis Kar-
samstag. Hauptsächlich war es in der
Folgezeit das als eigenwillig bezeichnete,
jedenfalls oft nicht unbegründete Bestimmen
der Beerdiguugszeit durch den katholischen
Pfarrer, welches Mißstimmung nnd Erbit-
terung bei den Protestanten hervorrief. Im
Jahre 1786 bestimmte Magnns Siegle,
znm zweitenmal vice) Pfarrer

in Littenweiler/) als am 14. Jannar das
Kino des Johann Georg Boll und der
Dorothea Bopp lutherisch in Schammach
gestorben war, das Begräbnis von 2 bis
3 Uhr, weil es Sonntag war nnd Christen-
lehre gehalten werden mußte. Der Vater
wollte sich dieses nicht gefallen lassen, bat
und drohte. Er ging, weil der Pfarrer
auf seinem Entschluß beharrte, und kam
kurz darauf wieder mit dem Schultheiß
und Jakob Pähl. Diese drei Männer
beklagten sich bei dem Pfarrer, daß er sie
unterdrücke, sie ans ihrem Besitz und ihren
Observanzen verdränge. Der Pfarrer be-

') Von 1771-1789 und 1792 -1800. Seine
Vikare waren Joseph Brechsteiner und Anton
Reichte.
 
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