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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 25.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.18486#0203

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— 191 —

Bilderschmnck klar und deutlich; schon das Register
läßt den reichen Inhalt ahnen und rasch findcn.

-e- Dieser Anzeige kann nicht in allein durch-
weg beigepflichtet werden. Herr Pfleiderer
läßt in seinein sonst trefflichen Buche da und
dort, und g>mz ohne Not, einen engherzigen kon-
fessionellen Standpunkt hervortreten, der Nicht-
protestanten abstoßen muß. Der alte Dom-
baumeister Böblinger (1477—94) hatte sich
— um von mehrerein nur einiges anzuführen —
die Bekrönung des Hauptturmes durch eine
M arieusäule gedacht. Als nun in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts der gewaltige
Turm (das höchste Bauwerk der Christenheit)
ausgebaut wurde, plädierte der bekannte Gotiker
August R e i ch e n f p e r g e r in Köln für die Wieder-
aufnahme der alten Böblingerfchen Idee, also für
die Aufrichtung der Muttergottesstatue, was der
Verfaffer (S. 3V seiner Münsterschrift) als „un-
berufene (!) Einmischung" bezeichnet. Die Ulmer
allerdings haben, was bezeichnend ist, weder die
Madonna noch den Lalvator muncli auf die
Spitze ihres Domes, sondern gar nichts gesetzt.
Bei Beschreibung des neuen, im Jahre 1878 zu
München in der Zettlerschen Glasmalanstalt ge-
fertigten Himmelfahrtfensters (Z. 180), auf
welchem Petrus im Mittelpunkt der Apostel im
bekannten mittelalterlichen Kostüme dargestellt
ist, bemerkt Pfleiderer: „Petrus sollte kein bischöf-
liches Pluviale, sondern ein schlichtes Apostel-
gewand tragen". Als einziges der mittelalter-
lichen Gemälde ist wieder das gewaltige „letzte
Gericht" den Augen der Beschauer neubelebt
worden, die andern Gemälde sind bekanntlich
auf die Feier des Neformationsfestes im Jahre
1817 unter der Tünche „als alte, oft Aber-
glauben nährende Bilder" (S. 21) begraben
wm den und begraben geblieben. Da ist nun
wieder Petrus als erster Papst und Menschen-
fischer dargestellt. Wie drückt sich nnn Pfleiderer
über diese Darstellung aus?! „Dies ist das
Netz des Menschensischers Jesu (!). Eine gekrönte
Gestalt (nicht Papstkrone!> mit Schlüssel, Petrus
öffnet die Pforte" (S. 60). Vgl. auch die Aus,
drucksweise bei Beschreibung des Reliefs mit der
Kirchweihe (S. 200 unten Anmerkung): „ . . den
(d. i. den Äbt von Reichenau) hätten die Ulmer
zu allerletzt hingestellt". Das Neueste aber aus
der Ulmer Kunstgeschichte ist, daß der „bedauer-
liche Vorgang" - so nennt Pfleiderer den be-
rüchtigten Ulmer Bildersturm vom 19./20. (alias
21.) Juni 1531 (f. darüber „D.-A." VIII, 1890,
Nr. >9, S. 74/75) — „nicht dem Rat, nicht der
evangelischen Kirche, wie gerne geschieht,, auf die
Rechnung zu schreibe» ist, sondern der ganzen Un-
wissenheit und fanatischen Blindheit eines bisher
katholischen, katholisch erzogenen Volkes." Diese
ungeheuerliche Behauptung hat Pfleiderer, schon
ein paar Jahre srüher im „christl. Kunstbl.",
46. Jahrg. iI904), 5. (Mai-) Heft, S. 146 in
seinem Aufsätze: „Die restaurierten Steinbildwerke
und Schnitzaltäre im Ulmer Münster" fast ganz
in der gleichen Weise aufgestellt. „. . . Den
Stiftern der drei Neithartaltäre war es urkund-
lich überlassen, ihr Eigentum heim zu
nehmen. Darin liegt ein Beweis für die Vor-
sicht uud Rücksicht des Ulmer Rats uud das v o n
ihm gewollte maßvolle Vorgehen bei der

„Säuberung der Kirche", wie man es ausdrückte.
Darin liegt anch ein Beweis, daß der wilde be-
dauerliche Bildersturm an: 19/20. Juni 1531
nicht demRat, nicht der evangelis ch e n
Kirche auf Rechnung zu schreiben ist,
sondern dem Pöbel (das war aber in Wahrheit
der größte Teil der Bürgerschaft), welcher
die Sache in tumultuarischer Weise au sich riß
und vollzog. Hier trat also die ganze Unwissen-
heit und Unbildung eines bisher katholischen
Volkes noch einmal grell hervor, welches, indem
es viele Altäre als „Götzen" umhieb, eben damit
bekuudete, daß ihm Bilder und Kunstwerke bisher
nichts als Götzen gewesen waren." Psleiderer
will hiemit die Schuld an der Bilderstürmerei
möglichst vom Rate (d. h. der Regierung), welcher
Vorsichtsmaßregeln getroffen, abwälzeil, fährt
aber gleichwohl fort: „Der Rat war einver-
standen" (d. h. mit Beseitigung der über 60
Meßaltäre, der Heiligenstatuen zc.) „damit sie
den Platz nicht versperrten. Da brach der Pöbel
eben am 21. herein und zerstörte, ivas er er-
reichen konnte." i) Bisher war man — nnd zwar
auch gewichtige protestantische Stimmen, so der
Chronist Sebastian Fischer, der Ulmer Super-
intendent Konrad Dieterich, die Geschichtschreiber
Karl Adolf Menzel und Leo, der Münftersorscher
Mauch u. s. w. — der Ansicht, daß der Bilder-
sturm uuter dem Einfluß der fortgesetzten auf-
hetzenden Reden der Prediger Konrad Sam
(aus Rothenacker, ^ 1533 in Ulm im Alter von
48 Jahren), Blaurer, Eberlin u. Gen ^abge-
fallener katholischer Priester) ausgebrochen uud
gegen die „Götzenbilder" gewütet wurde. Nun
steht auf eiumal jemand auf, der die Tat dem
unwissenden-, fanatischen undblinden
bisher katholischen Volke zuschiebt. Man
weiß wohl, daß die Ausschreitung des Bilder-
sturms, ein Auswnchs der Reformation, den
Protestanten, bezw. den protestantischen Geschichts-
schreibern der Reformation meist Verlegenheit
bereitet, aber — so was, wie den Bilderstnrm
den Katholiken, in deren Zeiten und durch deren
Hände und Mittel alle diese durch deu Bilder-
sturm veruichteteu Kunstschätze geschaffen worden
sind, in die Schuhe zu schiebeu und damit die
Tatsachen einfach auf den Kopf zu stellen, ein
solches Paradoxon und non plus ultra von
Sophismus hat doch noch niemand fertig ge-
bracht wie Pfleiderer, welcher damit zum Manne
geworden ist, der alles beweisen kann. Nein!
dieses Volk hat die Biloer:e. zerstört, weil
es nicht mehr katholisch war und nicht,
weil es früher katholisch war, nicht weil
es in katholischer Unwissenheit und Unbildung,
Blindheit und Fanatismus erzogen wurde, son-
dern weil es von seinem alten katholischen Glauben
abgefallen ist und ihm die Vernichtung d er alteu
abergläubischen Bilder :e, vorgepredigt uud es

5) Der moderne Chronikschreiber Schuttes
schreibt in seiner „Ulmer Chronik" (S. 101):
„. , . Schoil vorher war das Münster von dem
Götzenwerk, wie sie es nannten, gereinigt worden.
Der Rat hatte hiezu Handwerker gestellt, n»i die
Altäre uud Bilder zu entferneil, aber diese waren
unnötig. Der Eifer der Bürgerschaft hatte schnell
alle 60 Meßaltäre im Münster beseitigt."
 
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