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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.20709#0006
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man als Traumen (Verwundungen) für die normale Geistes-
thätigkeit bezeichnen kann, ist aber der Glaube an das Ueber-
natürliche und Wunderbare, wie er durch überschwengliche
religiöse Uebnngen genährt und ans die Spitze getrieben wird."
Daß von der guten Betha die religiösen Uebnngen, die ihr
Ziel immer ausschließlicher in dem von ihr so oft betonten
Verdienen fanden, in der That ans die Spitze getrieben
wurden, das glauben wir hinlänglich gezeigt zu haben. Sie
war freilich in diesem Punkte nur ein Kind ihrer Zeit. Und
auch Kügelin handelte im besten Glauben, als er sein Beicht-
kind in der geschilderten Weise zu diesen Uebnngen anhielt.
Das war ja überhaupt die geistliche Praxis in diesen Franen-
klöstern. Wir finden darum auch in ihnen alle die bei der
guten Betha beobachteten Erscheinungen wieder. Wir können
aber Kügelin doch nicht davon freisprechen, daß gerade er
es gewesen ist, der die ihm blind gehorchende Betha der Krank-
heit in die Arme jagte. Durch das verhängnisvolle Herans-
reißen des vierzehnjährigen Mädchens ans dem gesunden Boden
einer naturgemäßen Erziehung im Elternhaus hat er offenbar
den Keim geweckt. Durch seine Anleitung zu dem willenlosen
Gehorsam und zu dem Spiel mit dem Leiden Christi wurde
der Keim dann rasch zur Entwicklung gebracht. Und dann
wurde Kügelin vor die Frage des wunderbaren Fastens ge-
stellt. Es ist für ihn als Seelenführer sehr bezeichnend, daß
die Klausnerin von Warthansen den Ausschlag giebt. So
gießt er, während er durch eine entschiedene Mahnung in ent-
gegengesetztem Sinne den Brand vielleicht hätte löschen können,
Oel ins Feuer. Durch die Verhunzung des Fastens über
die Betha führt er den offenen Ausbruch der Krankheit herbei.
Und will es nicht scheinen, als ob Kügelin durch sein neugie-
riges Fragen nach den Erlebnissen der guten Betha im Zu-
stande der Verzückung dieser erst selbst ihre Visionen und
Offenbarungen nahe gelegt hat? Klingt nicht das erste Wort,
das er uns als Antwort ans seine neugierige Frage berichtet,
wie eine deutliche Abweisung derselben und weiterhin wie
leises Geständnis eigener Schuld? Jedenfalls müssen wir
sagen, daß die merkwürdige Leichtgläubigkeit', mit der Kügelin
die Wunder der guten Betha anstaunte und ihre Offenbarungen
anfnahm, ganz dazu angethan war, die Kranke zu immer
neuen wunderbaren Leistungen anzuspornen.

Und mm sei zum Schlüsse der Ansgang des ganzen
wunderbaren Schauspiels berichtet. Daß durch die unregel-
mäßige, ungenügende Ernährung, die großen Blutverluste, die
Krämpfe und Verzückungen die Gesundheit der guten Betha
völlig untergraben war, ist klar. Kügelin erzählt uns ja
auch von diesem fortschreitenden Zerfall. Im Jahre 1420
im vierunddreißigsten Lebensjahr der guten Betha nahte ihr
Ende heran. „Von Pfingsten bis an St. Katharinentag," mel-
det Kügelin, „hatte sie ein solch peinliches, fortwährendes,
stechendes Leiden, daß sie weder Tag noch Nacht liegen konnte
und die ganze Zeit so sitzen mußte in großen Schmerzen und
schwerer Krankheit. Da sprach ich: „Ach, liebe Elisabeth, sei
geduldig!" Da sprach sie: „Ich bin bereit zu leiden bis an
den jüngsten Tag." An St. Katharinen Abend entboten mir
die Schwestern, die liebe Elisabeth wäre also krank, daß sie
fürchteten, sie wolle von ihnen scheiden, und also kam ich und
war da die Nacht bei Elisabeth mrd auch bei den andern
Schwestern. Nach Mettenzeit sprach die liebe Elisabeth zu
mir: „Heißet die Schwestern alle kommen", und das that ich.
Ich sprach: „Frau Elisabeth, wie alt bist du?" Sie ant-
wortete tugendlich: „Am Sankt Katharinentag bin ich vier-

unddreißig Jahre alt." Da sprach ich: „Also alt ward auch
Christus, unser Herr. Und wie du geboren bist in dieses

Elend am Sankt Katharinentag, also glaube ich auch,
wollest an ihrem Tage in das ewige Leben geboren werden-
Sie sprach: „Frauen zündet die Kerzen an und leset mir ^
Passion," und das that ich und da ich kam an die Stew
et emisit spiritum, da Christus seinen Geist seinem him^
lischen Vater an dem Kreuze befahl, da sprach ich:
beth, ich habe gelesen, wie Christus seinen Geist seinem him'"'
lischen Vater an dem Kreuze befahl. Also befiehl dich a»0
dem himmlischen Vater!" Da sprach sie: „Gebet mir San
Johannes Minne!" Das that ich. Sie trank drei Tröpsiew
und bot mir die Hand und dankte mir für alles ®11^
Und sogleich also sitzend und ohne alle Verzerrung und En'
stellnug hatte ich ihr Haupt in meiner Hand und also verschlk
sie tugendlich. (Geiger citiert nach der Innsbrucker H^si
schrift.) Kügelin fügt dann noch die merkwürdige Stelle be>'
„Ich hatte auch vorher zu ihr gesprochen: „Liebe ElisabeG

bitte unfern Herrn, daß er offenbar mache die große GnM'
die er dir hier in dieser Zeit verliehen hat." Sie antworte
und sprach: „Ich will Gott inniglich bitten, daß es

niemals geofsenbart werde." Ich sprach: „Liebe ElisabsiL

warum?" Sie sprach: „Man hat das Leben ChrE

und der Maria und der Zwölfboten und ander
Heiligen, ich bin eine arme Sünderin," und ab
meine ich, sie habe erbeten, daß unser Herr kein Zeichen ty>
nach ihrem Tode." -a

Liegt nicht in diesem bedeutsamen Worte der Schum
zum Leben der guten Betha? Müssen wir nicht darin ^
klares Geständnis ihrer Schuld sehen? Läßt aber nicht ^
gleich and) dieses reuige Bekenntnis angesichts des Todes L,
Irrungen ihres Lebens wieder in milderem Lichte erschein^ '
Freilich diesen letzten Willen der Sterbenden hat weder K
gelin noch die katholische Kirche beachtet. Kügelin übeD
am Fronleichnamstag 1421 sein Büchlein den Schwestern ^
Reute mit dem strengen Befehle, es nie aus der Klause ^
geben und es auch niemand abschreiben zu lassen, da m«u
köstlichen Perlen und Edelsteine nicht vor die Schweine weU
solle. „Würde dieses Büchlein," sagt er in der Urkun
Uebergabe,, „mämnglich bekannt in der Stadt Waldsee,
zweifle ich nicht, die Gnade, die Gott der lieben Betha
liehen hat, würde von manchen Menschen verworfen wer
da kein Prophet in seinem Vaterlande angenehm ist (ww ^ .
spricht). Man glaubt und sagt in fernen Städten von„
guten Betha mehr als in Waldsee, woher sie gebürtig 4 ‘]t
Das wurde gar bald anders. Und Kügelin hat am ,,tCl'
dazu beigetragen. -[(.eii

Wir haben, schließt Geiger seine Darstellung, 3" »Jeti
gesucht, auf welchen Grundlagen die Verehrung der 9 g
Betha ruht. Die katholische Kirche mag der Seligsp^^,,
früher oder später die Heiligsprechung folgen lassen; wir w ^
auf das letzte Bekenntnis hin, das uns die gute Betha *
in der Glorie der Patronin und Wnnderthäterin Schwa ^
erscheinen läßt, das aber davon zeugt, daß ein armes,

Tode verfallenes Menschenkind nach vielen Verirrungen
lich den rechten Weg zum Frieden gefunden hatte. ie§j
Die Geigersche Kritik beginnt nach vorausgeganb
Vorpostengefecht mit der Klausnerin von Warthausen, +4^
Schürer und Propst Kügelin den Hanptkamps mit eiue^^^,
zentrierten Angriff aus das wunderbare Fasten der guten
bei dem der Artillerie, d. i. nach Geiger, der Hysterie, .
zugeschrieben wird. Bevor wir jedoch den Hauptkamps en
und ausführlicher schildern, wollen wir dem vorausgega^v^,,,
Norpostengefecht einige Aufmerksamkeit schenken, r^iit
greift Geiger die Klausnerin in Warthansen an?
 
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