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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.17219#0033
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Nr. (8.

mlage zum Wözesan-Urchiv

von Schwaben.

^892.

Tin verschollenes Opus von Sebastian Sailer.

Von Amtsrichter a. D. P. B e ck.

Eines der letzten Geisteserzengnisse des auch als religiöser
Schriftsteller so produktiven Marchthaler Prämonstratenser-
möncheö, welches mir bis jetzt nicht bekannt war nnd mir des-
halb auch bei der seiner Zeit für die Zeitschrift „Alemannia"
(im 19. Jahrgang 1891, S. 36—42) gefertigten Sailerschen
Bibliographie entgangen ist/) wird nachfolgende, aus einer
Apostrophe, einer Pastorclle nnd einem Hymnus bestehende
Glorifikation der hl. Magdalena, wie es scheint eine Ueber-
setzung einer französischen nicht näher bezeichneten Arbeit ins
Lateinische sein. Wie Sailer gerade ans dieses Thema, bezw. zu
dieser Publikation kam, ist nicht aus derselben zu ersehen; es
ist eine seiner bekannten Gelegenhcits- und Widmungsschriften,
diesmal an den Abt Mauritius des Prämonftratenserstifts Roth
(v. Monchrvth), welches ja das Stammklostcr aller schwäbischen
Norbertiner, im besonder» das Mntterkloster Marchthals war
nnd wo Sailer öfters verkehrte. Möglicherweise sind in Sailer
die ersten Gedanken zu diesem OpuS in der Weissenau O. S.
Norb., einem Tochterkloster Marchthals, wo Sailer gleichfalls
nicht selten einkehrte und auch einigemale den Festprediger
machte, entstanden. Dort befand und befindet sich näm-
lich seit dem Jahre 1283 noch heute in dem sogenannten „Krenz-
altar" eine kostbare, von Rudolf von Habsburg dem Gottes-
haus als Unterpfand und stetes Denkzeichen besonderer Huld
und Gnade verehrte Reliquie vom hl. Blut, auf Grund welcher
dem äußerst bedrängten Kloster erwiesenen großen Wohlthaten
dasselbe Rudolf von Habsburg fortan als seinen zweiten
Stifter ehrte nnd für ihn sowie für sein erlauchtes Haus bis
zur Auflösung einen feierlichen Jahrtag hielt. Die Reliquie
besteht (nach Busl: „Zur Geschichte der Weissenau" im
„Diözesan-Archiv" 1884, S. 6 ff.) aus mit Erde vermengtem,
durch Maria Magdalena unter dem Kreuze des Welterlösers
gesammeltem Blute, welches sie nach der Legende nach dem
südlichen Frankreich verbrachte. Nicht nur war sie beim Schei-
den dcö Erlösers unter dem Kreuze gestanden, sondern sie
suchte auch den hl. Leib im Grabe und war die erste, ihn
dann lebendig vor sich zu sehen. Nach uralter lleberliefernng
warfen, nachdem Jesus den Kreuzestod erlitten, nnd Magda-
lena die Mntteö Gottes und den hl. Johannes nach Ephesus
begleitet, dann die Inden voll des Hasses die hl. Büßerin
Magdalena, ihre von jeher fromme Schwester Martha von
Bethanien, ihren Bruder Lazarus, die Magd Marcella und den
Jünger Maximin in ein leckes Schiff ohne Ruder und Segel
»nd gaben sie den Winden und Wellen des Meeres preis.
Nach wunderbar schneller Fahrt gelangten sie nach Marseille

i) Im gleichen Jahre erschien gleichfalls zn Ulm anonym folgen-
des lateinisches Gelegenheitsgedicht, welches wohl anch Sailers Muse
Nltflossen ist: -Ltrnthio Symbolicus / In Nominalizaute / Reveren-

'Ussimo, Perillustri, ac Amplissimo / Domino / S. R. J. Praelato /
b. / Paulo, Imper. ac Exempt. Canoniae Marclitallensis, / Sacr.
Candidi et Exempt. Ord. Praemonstr. / Abbati Vigilantissimo, etc. /
üguratus I ac / modulis Musicis / a / Devotissimo Conventu / so-
bnniter honoratus / Die 29.” Junii , 1773. Ulmae imprimebat

Christianus Ulricus Wagnerus Cancellariae Typograplnts etc. etc.«
(4 Bl. mit des. Titelbl., je mit einer Vignette ans Bl. 2 a vor Text-
nnsang und ans Bl. 4 b am Schlüsse geziert.) — Es ist keineswegs aus-
jjeschlvssen, das; Sailer noch weitere kleinere, mit der Zeit in gänzliche
Vergessenheit geratene Schriften im Druck heraus gegeben hat.

in Südfrankreich, in dessen Nähe Magdalena dann noch 30
Jahre in einer Berghöhle der strengsten Buße lebte und starb.
Sie fand ihre Ruhestätte in dem nachmaligen Dominikaner-
kloster St. Maximin in der Diöcese Aix (Aquae Sextiae),
in welcher Gegend ihre Schwester Martha gelebt hatte?) Oft-
mals hatten die Engel sie in ihrer Einsamkeit besucht, ihr
Nahrung gebracht und mit ihr das Lob Gottes gesungen; in

b Nach einer Sage, ivclcher übrigens alle und jede Spur von
historischem Untergrund abgeht, wäre die hl. Magdalena von St. Beginne,
als tvildc Kriegerhorden ihrer Grotte nahten, von hl. Engeln nach
Rhäticn, diesem Urhorte alter Sagen, getragen worden, wo sie dann
ebenfalls das Christentum verkündigte. Hier soll nach einer weiteren,
noch am „Ritten" fortlcbcnden sinnigen Holkssage, zn welcher die am
Besnv wachsenden »Lacrimae Christi« ohne Zweifel Veranlassung ge-
geben, bei dem am Fuße des „Ritten" am Wege nach Obcrbozcn ge-
legenen nnd nach ihr benannten, der Heiligen vom hl. Hermagoras,
einem Schüler des hl. Markus, geweihten Hügel, St. Magdalena zu
Präzoll, der Quelle des feurigen „Magdalenerweines", ihren Rcne-
thränen dieses kostbare Rebenblnt, von welchem schon Virgil (Georg. 2, 96)
singt: »montanis Rhaetorum radicibus . . . . — Quo te carmine dicam,

Rhaetica?« entquollen sein. Diese Sage ist in einem hübschen Gedichte
bearbeitet, ans toclchcm folgende hieher bezügliche Verse folgen mögen:
Nach langer Wallfahrt kam hieher
Magdalena vor grauen Jahren,

Nachdem ihr Herr und Heiland war
Vom Oelberg gen Himmel gefahren.

Hier wollt' in tiefster Einsamkeit
Sie führen ein heiliges Leben,

Voll frommer Andacht Dem geweiht,

Der ihr die Sünden vergeben.

Aus Moos und Reisig baute sic
Am Felsen sich eine Zelle;

Sie nährte von Wurzeln und Kräutern sich
Und trank das Wasser der Quelle.

Und wo ihrem Aug' eine Thrän' entfiel
In Liebe, Sehnsucht nnd Glaube»,

Da sproßten duftige Reben empor,

Sich wölbend zn luftigen Lauben.

Den blutigen Zähren der Reue entquoll
Das feurige Rot der Traube;

Ans Freudenthrünen der Liebe schwoll
Hellleuchtendes Gold im Laube. .

So wandelte sie zum Garten das Land,

Umspült von des Eisacks Wogen,

Wo schwellende Trauben sich boten der Hand,

Hoch schwebend in laubigen Bogen.

Das war kein wildes, profanes Geivächs,

Wic's der heidnische Bacchus läßt sprossen,

Es war aus heiligem Frauengemüt
Den schönsten Augen entflossen.

Magdalena starb. Ihre Seele flog
Gen Himmel als leuchtender Engel;
Ans ihrem Grabe wuchsen vereint
Eine Ros' und ein Lilienstengel.
Trebonius baut aus Dankbarkeit
Darüber eine Kapelle
Und lud die Pilger znm Gebet,

Das Glöcklein läutend so helle.

Solcher Magdalencnkapellcn entstanden in der Folge eine Reihe,
so im Villnösjthale, im Gschnitz-, Lisenz-, Gsieserthal n. s. w.

„Die Herrn von Trostburg nnd Gnfidaun,
von Runkclsteiu, Salegg tind Sebcn,

Sie ließen der Heiligen Kirchen bau'»

Und priesen das Gold ihrer Reben." —

Dies ist nur eine der vielen deutschen Magdalenensagen.
 
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