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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.17219#0037
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eilagk zum Klözessn-Archiv

Nr. 20.

von Schwaben.

m2.

„Hrrernbrände" in Sul^ a. U.

Bon Amtsrichter a. D. Beck.

Vorbemerkung: Wir verweisen bei diesem Anlässe ans unsere
früheren einschlägigen Veröffentlichungen, so auf eine im „Anzeiger für
Kunde der D. Vorzeit" 28. Bd. 1879, Nr. >2 (@. 346—354) erschienene
Arbeit über „einen Hexenprozeß aus Vorarlberg i. I.' 1597", auf die
in den „württb. Vierteljahrsheften f. Landesgesch." (VI. n. Vll.
Jahrgg. 1883 n. 1884) erschienenen „Hexenprozesse ans dem Fränkischen",
ferner auf die im 43. Jahresber. des histor. Vereins f. Mittelfranken
erschienenen „Zwei Hexenprozesse ans dem Fränkischen" re.

In Oberschwaben lauft gewöhnlich das früher vorder-
österreichische Munizipal-Städtchen Saulgau, eine der sog. fünf
„Donanstädte", als „Hexenstädtchen" llat' exocllen. Es
liegen indes in Schwaben auch noch andere Oertlein und
Städtlcin, welche dieses epitheton ornans fast gerade so gut
verdienten, so das früher dem alten ausgestorbenen, früher
berühmten Geschlechte der Geroldsecker gehörige, seit 1471
würtlembcrgische Städtchen Sulz a. N., in welches i. I. 1536
die Reformation vollen Eingang gefunden hatte. Nachdem
man ans der ersten Zeit der Hexenprozesse traurigen Ange-
denkens hier noch keine Nachrichten hat, das frühere Vor-
kommen solcher aber an diesem Orte nicht unwahrscheinlich ist
und das Fehlen von Nachrichten aus-dem fürchterlichen Brande,
welcher 1581 das Weichbild von Sulz betraf und Rathaus
nebst Archiv verheerte, zu erklären wäre, werden ans den
letzten Jahren des 16. Jahrhunderts grausige Fälle berichtet,
deren Wiedcranffrischung bei deren Wenigbekanntsein um so
mehr angezeigt sei» dürfte, als heutzutage gewisse „Geschichts-
hexenmeister" es fertig bringen wollen, den Greuel der
Hexenprozesse einzig den Katholiken in die Schuhe zu schieben und
quasi als eine katholische Institution hinzustellen! Im Jahre 1596
am 6. November wurden nämlich eine Witwe und ein armer
Bürger, und den 17. Dezember des letzteren Witwe, nebst der
Gattin eines Bürgers, welche viele Jahre hindurch Hebamme
gewesen, und einer Witwe von Wittershausen, dem altwürt-
tembergischen Schilda, wegen ganz unerwiesener Beschuldigung
der Hexerei lebendig verbrannt, auch die unglückliche Wehe-
mutter bei der Ausführung zur Nichtstätte noch wiederholt
mit glühenden Zangen gezwickt. Nach der Beschreibung und
Geschichte von Sulz aus der Feder des Pfarrers Fr. A.
Köhler (Sulz, Druck und Verlag von I. E. G. Fischer,
1835), welcher demnach diese Hexenprozeßakte» ,vor sich ge-
habt hat, ist es empörend, in denselben zu lesen, wie sich
diese Unglücklichen so vernünftig vor Gericht verantworteten,
und sich auf ihren früheren Lebenswandel beriefen, und wie
roh und vernunftlos dagegen der damalige Untervogt Hans
Jak. Schott die durch die Folter — das unzertrennbare Kor-
relat der Hexenprozesse — erpreßten Geständnisse als ge-
nügenden Beweis ihrer Schuldhaftigkeit annahm! Die Nicht-
stättc, auf welcher die als Hexen Hingerichteten Weiber zum
teil lebendig verbrannt wurden, lag in der Nähe des eigent-
lichen Hochgerichts auf der Höhe, wo sich die Straße von
Sulz nach Hopfau und die alte Landstraße von Weiden nach Glatt
durchkreuzen. — Inquisitor war damals der ebengen. herzogliche
Untervogt (1595—1610) HanS Jakob Schott, welcher zu-
vor schon (von 1590—1595) Alpirsbacher Klosterpfleger in
Sulz gewesen war. Er wurde im Jahr 1610 als Rcnt-
kcimiuer-Rechenbankrat nach Stuttgart befördert, wo er noch
un Jahr 1612 lebte. Den 16. Februar 1597 wurden auf

Schotts Anklage hin wieder eine Bürgerin von Sulz nebst
einer Witwe von Vöringen und einem Eheweib von Voll als
Hexen verbrannt, jedoch vor der Verbrennung enthauptet.
Hingegen wurde den 14. Januar 1598 des Hafners alt Hans
Ruppen Tochter, Margarete, wegen gleicher Anschuldigung
lebendig auf den Scheiterhaufen gebunden. Sie war von
einer im Jahr 1596 Hingerichteten angegeben worden, und
dies und die Bezichtigung eines Bürgers hielt man für hin-
länglichen Grund, dies Mädchen zu foltern, bis sie bekannte,
was man sie fragte. Sogar den schönen Zug kindlicher Liebe,
daß sie das Bett, welches ihr alter Vater ihr in den Kerker
schickte, nicht annahm, weil dieser bei der damals großen Kälte
kein Bett mehr gehabt hätte, machte man ihr zum Verbrechen.
Köhler, welchem wir folgen, ruft ans: Ein großer Brand

kann eine Bürgerschaft arm machen, aber solche Grenelscenen,
wie sie eines Schotts Justizpflege in den letzten fünf Jahren
des 16. Jahrhunderts häufte, machen sie entsittet, und lösen
alle, selbst auch die heiligsten Bande der Religion, Mensch-
lichkeit und gesellschaftlicher Verbindung nach und nach auf.
Unwillen und Mitleid erregend — fährt derselbe Köhler fort —
ist das, waö die Geschichte des 17. Jahrhunderts in seinen
ersten Jahren von Sulz darbietet; noch schrecklicher wird sie
in den folgenden, und die letzten 14 Jahre seiner ersten Hälfte
häufen alle Arten von Schrecknissen und Elend bis auf den
Grenzpnnkt des steigenden Jammers, von wo an es wieder
herunter geht. — Das Jahr 1600 endete mit dem Kriminal-
Prozeß einer Hexe, wenn anders eine auf die unsichersten
Merkmale und Angaben gegründete und tumultuarische Ver-
fahrenöart diesen Namen verdient, welche den 15. Dezember
enthauptet und verbrannt wurde. Das Jahr 1601 zählt
nicht weniger als ein volles Dutzend Hinrichtungen. Einen
Bösewicht, dem wegen Diebstahl, Vielweiberei und der frechsten
Drohung mit Mordbraud, der Kopf wohlverdicntermaßen ab-
geschlagen wurde, ausgenommen, waren die übrigen alle alte
Weiber von Sulz, Holzhausen und Reinhartsan, welche wegen
angeschuldigter Hexerei zum teil lebendig verbrannt wurden.
Eine derselben bat, bloß durch Tortur zum Bekenntnis ge-
zwungen : „man möchte nur ihres Lebens schonen, und könne
sie auf Lebenszeit in ihr Haus bannen!" Allein der hart-
herzige Schott antwortete: „Sie sei in großem Verdacht der

Unzucht gewesen, aus der gemeiniglich Hexerei entstehe, und
solche Leute müssen hingerichtet werden, weil, wenn sie auch
sich bessern wollten, der Teufel sie nötige, Menschen und Vieh
zu beschädigen." Im Jahr 1603 wurde eines Bürgers Witive
aus der Stadt als Unholdin hingerichtet, und eine andere,
Petronell«, Kaspar Vischers Witwe, welche schon zwei Jahre
zuvor die Folter zweimal, ohne zu bekennen, was sie
nicht gethan hatte, anshielt, und deswegen wieder in
ihre vorherige Freiheit gesetzt werden mußte, den 21. Juni
1603 wieder eingekerkert und noch ärger gefoltert. Das Jahr
daraus würde im Mai eine Witwe aus Alpirsbach und eine
ans dem Thal Ellenbogen zu Sulz hingerichtet, denn auch der
damalige Abt Ostheimcr und der Klosterverwalter von Alpirs-
bach fanden jetzt Behagen an den Hexeninquisitionen, und
lieferten diese unglückseligen Weiber an den Vogt nach Sulz
ab, wie einst die Inden ihre Schlachtopfer an den Pilatus,
weil sie wie diese niemand selbst richten durften. Die eine
derselben wurde gezwungen, zu bekennen, dem Michael Burger
 
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