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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.17220#0041
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Keilsge nittt Wchesan-Archiv

Nr. 22. von Schwaben. ^893.

Das Schussenrieder Chorgestühl und dessen
Meister.

Eine.kunstgeschichtliche Monographie von Bernhard Rueß, Kaplan.

(Schluß.)

Wie oben bemerkt, fanden aber die Arbeiten am
Gestühle erst im Jahre 1717 ihren Abschluß. Derjenige
Abt, in dessen Negierungszeit die Fertigung des Ehorstuhl-
werkes sällt, ist vielmehr der Nachfolger Tibers, der hoch-
betagte Jnnocenz Schmid vom benachbarten Reichenbach,
Oberamtö Sanlgan, gebürtig. Er stand dem Kloster Schnssen-
ried von 1710 bis 1719 vor. Das wohlgelungene Wappen
dieses Abtes Jnnocenz Schmid ist an dem Gestühle angebracht.
Dieser Gestühlsschmnck ruht ans den, Kranzgesimse des ans
der Südseite befindlichen Dorsales. Daö Wappen ist ein
sogenanntes Allianzwappen. Die heraldisch rechte'Schildhälfte
zeigt den aufstrebenden Schussenriedischen Löwen, die linke
Hälfte aber weist das Hauswappentier des Abtes Jnnocenz,
nämlich einen Straußen, auf, welcher im Schnabel ein Huf-
eisen hält. Offenbar liegt in diesem Hufeisen ein Hinweis
auf den Namen Schmid. Das Wappenschild des Prälaten ist
überragt von einem Engelskopfe, welcher die Jnful trägt.
Rechts von diesem Kopfe ist das Schwert als das Symbol
des ältlichen Blutbannrechtes, während links früher ohne
Zweifel sich ein Krnmmstab befunden hatte, der jetzt aber
weggebrochen ist. Vis-a-vm von diesem Wappen des Prä-
laten Jnnocenz Schmid ist über der entsprechenden nördlichen
Gestühlsrückwand das Wappen der Klostergründer, ehemaliger
Schussenrieder Barone, zu sehen. Das Feld dieses Adels-
wappens bedeckt ein von rechts nach links in die Höhe streben-
der, gekrönter Löwe. Das Helmkleinvd bildet ein zweiter,
mit dem vorigen ganz konformer Löwe, dessen Leib aber nur
zur (vorderen) Hälfte auS dem Kleinod hervorschaut und sicht-
bar ist.

Wie heißt nun der Meister der Schussenrieder Stifts-
stühle? — Auf diese Frage eine Antwort zu geben, war schon
viele Jahrzehnte lang nicht mehr möglich; denn der Name
des Künstlers war vollständig verschollen. Erst gegen Ende
des Jahres 1892 ist uns dessen Wiederentdeckung in Waldsee
gelungen. Beim dortigen Königlichen Kameralamte liegt näm-
lich das zwölfbändigc Register des ehemaligen schussenriedischen,
zurzeit in Stuttgart befindlichen Klosterarchives. Im sechsten
Bande des genannten Registers, Seite 371, nun erzählt der
P. Klostcrarchivar, daß das Norbertinerstift Schnssenried
„mit Herrn Georg Antoni Machein Bildthauern von Ueber-
lingen" einen Kontrakt abgeschlossen habe. Laut dieses Ver-
trages hatte der Meister Machein um die Summe von 714 fl.
die Statuen, Engelsfiguren, das Laubwerk und die Asserelcv-
arbciten zum früheren Hochaltäre von Steinhansen zu liefern.
Steinhansen ist ein ehemals zum Klostcrherrschaftsgebiet
Schnssenried gehöriger Pfarr- und Wallfahrtsort im Oberamt
Waldsee. Unmittelbar unter diese Notiz über die Lieferung
von Bildhauerarbeitcn durch Machein in die Steinhäuser Kirche
hat der Verfasser des Archivregisters folgenden Eintrag ge-
macht: „Nota: Diser Antoni Machein ist der ne lieb-

liche Künstler, welcher in Anno 1715. 16. et 17
allhiesiges Chor-gestuehl verferthiget." Diese
Stelle belehrt uns also, daß der Meister unseres Gestühles
der Bildhauer Machein (Machheim ?) aus Ueberlingen ist. Derselbe
hat das Werk im Jahre 1715 begonnen und anno 1717 beendet.
Uebrigens läßt der Reichtum der Ornamente und der Figuren
am Gestühle, auch die trotz des einheitlichen Gesamtplanes
dennoch bei einzelnen Partien unschwer nachzuwcisende Ver-
schiedenheit beim künstlerischen Schaffen mit Sicherheit schließen,
daß Machein zahlreiche Gehilfen beigezogen und beschäftigt
hat. Auch haben wir die feste Ueberzeugnng, daß Mache!»
bei der Komposition des geistvollen, ideenreichen Gestühls-
planes von einem oder mehreren gelehrten Klostergeistlichen
unterstützt wurde. Daß der P. Stiftsarchivar, welchem wir
die Notiz über den Namen des Schöpfers unserer Chorstühle
entnommen haben, ein durchaus glaubwürdiger Gewährsmann
ist, haben wir in dem zu Stuttgart erscheinenden, von Pro-
fessor Keppler redigierten „Archiv für christliche Kunst",
Jahrgang 1892, Nr. 12, dargethan. Der begabte Meister
Machein ist bis jetzt unseres Wissens in der Litteratur völlig
ungenannt und unbekannt gewesen. Auch haben in Baden
angcstellte Nachforschungen über Macheins Kunstthätigkeit bis
zur Stunde noch kein Resultat geliefert. Uns ist bisher so
viel gewiß, daß Machein außer der Erstellung des Chor-
gestühles noch andere Arbeiten im Aufträge des Prämon-
stratenser Reichsstiftes Schnssenried geliefert hat. Zu dem
gegenwärtigen Hochaltäre der Schussenrieder Kirche, dessen
eigentlicher Erbauer übrigens Judas Thaddäus Sichelbain
von Wangen ist, hat unser Bildhauer Georg Anton Machein
auch Kunstgegcnstände für 214 fl. gefertigt. Diese seine
Beiträge zum Schmucke des reichsstiftischen Hauptaltares da-
tieren aus der gleichen Zeit wie daö Chorgestühl. Später im
Jahre 1728 ist auf Rechnung des Schussenrieder Klosters
ans dem Atelier Machcins auch der 120 st. kostende, kleine
Altar der Kapelle von Unter-Eggatsweiler, Oberamtö Sanlgan,
hervorgegangen. Abgesehen von den gelungenen, schwungvollen
Ornamenten und ein paar befriedigend geschnitzten Engels-
figuren dürfte übrigens unser Meister nichts eigenhändig zu
diesem Altarwerke geliefert haben, da dasselbe mehr Hand-
werker- als Künstlerarbeit ist. Zwei Jahre später, also ins
Jahr 1730, fallen die bereits erwähnten Kunstlieferungen
Macheins zum früheren Steinhäuser Hochaltäre. In Stein-
haufen wurde von 1728—1732 (nicht 1735) ein origineller,
imposanter Wallfahrtstempel vom Kloster Scbnssenried erbaut.
Im Jahre 1730 nun wurde der „gedoppelte" Hochaltar,
welchen unsere Geschichtsguelle eine - überaus große machina
nennt, und zu welchem Maler Gabriel Weiß von Wnrzach
Riß und Modell gemacht hatte, in der neuen Steinhäuser
Kirche aufgestellt. Zn diesem Altäre hatte unser Meister die
schon erwähnten Bildhauerarbeiten geliefert. Weil aber dieser
Altar von allen Bankundigen als unproportioniert, „allzu-
blockisch", mit seinen zwei konsekrierten (Altar)Tischen zu viel
Raum einnehmend erachtet worden ist, so hat Abt Siard
schon anno 1750 durch den Bildhauer und Faßarbeiter Joa-
chim Frühholz von Weingarten an Stelle des nrsprüng-
 
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