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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0134

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Kunst-Literatur und Album.

Kostümkunve. Geschichte der Tracht und des Geräths
im Mittelalter von Herrmann Weiß. Zweiter
Abschnitt; 2. und 3. Abtheilung (Schluß). — Stutt-
gart, Verlag von Ebner u. Seubert. 1863. 1864. —
(Fortsetzung aus Nr. 8.)

In Bezug auf die Anordnung des Stoffs hat er die in den
früheren Abschnitten beobachtete Weise beibehalten. Der speciel-
leren Kostllmgeschichte der betreffenden Epoche schickt er eine
gedrängte Uebersicht der Staatsgeschichte derselben bei den Völ-
kern des Abendlandes, Italern, Ostgothen, Langobarden, Bur-
gundern, Franken und Deutschen voraus. Dieser folgt die
Schilderung der socialen Entwickelungen, welche dieselben Jahr-
hunderte zur Reise brachten: die Hierarchie, das deutsch-römische
Kaiserthum, das Ritterthum und das Städtewesen. Dann erst
wendet er sich zu seinem speciellen Thema, für dessen Behand-
lung freilich die somit gegebene Grundlage unentbehrlich war.
Aus den Berichten des Ammianus Marcellinus und des heiligen
Hieronymus entlehnt er das Bild der üppigen verschwenderischen
Kleiderpracht, wie der Entsittlichung und Hoffahrt des ganzen
Lebens, welche die vornehmen römischen Beamtenfamilien in den
so lange Rom unterworfen gewesenen Ländern, wie nicht minder
die Geistlichkeit der Stadt selbst in jenen ersten Jahrhunderten
kennzeichnet. Für die Tracht und Lebenssitte der nordischen
Stämme, welche aus den Trümmern des alten Weltreichs ihre
neuen Staatenbildungen gesormt hatten, vom fünften bis neunten
Jahrhundert, bieten nur verstreute Andeutungen in den Schrif-
ten des Sidonius Apollinaris, Cassiodorus, Jornandes, des Pro-
copius von Cäsaren, des Isidor von Sevilla, die wichtigeren des
Gregor von Tours, ferner des Frcdegar, des Paul Warnefried
und endlich reichlicher des Eginhard, jenes Chronisten Karls des
Großen, einen Anhalt dar. Aus ihnen entwickelt der Verf. über-
zeugend und anschaulich die allmähliche Beeinflussung der ur-
sprünglichen germanischen Einfachheit der Tracht durch die von
ihnen Vorgefundene römisch-byzantinische Ueppigkeit, eine Einwir-
kung, welche dann besonders bei den longobardischen und den frän-
kisch-merrvingischen Fürsten mehr und mehr zu einer immer stei-
genden überladenen Pracht des Kostüms und Geräthcs führte.
Mit dem gewaltigen Kaiser Karl scheint dagegen eine Art natio-
naler Reaction einzutreten: die volksthümliche ureigene fränkisch e
Tracht wird durch sein Beispiel wieder in ihr volles Recht ein-
gesetzt, wenn es auch, z. B. nach der berühmten poetischen
Schilderung seines Kaplans Angilbert vom Jagdzuge der Gema-
lin Karls, an seinem Hof, ivahrlich nicht an Glanz und Pracht-
entfaltung fehlen mochte. Wir können hier dem Verfasser nicht
nacherzählen, wie sich weit in die folgenden Jahrhunderte hinein
der Grundcharakter dieser fränkischen Tracht: die kurze, knappere
Tunika, der Schultermantel, die Hose, der Schuh und die Schcn-
kelriemen trotz mannigfacher Modifikationen in Schnitt, Maaßen
und Farben, erkennbar erhält. Es ist in hohem Grade intressant,
ihm zu folgen. Allmälig wandelt dann sich die Hose zum eng-
anschließenden Tricot, der Schuh steigt als weicher Stiefel am
Bein hinauf, die Tunika wird weiter und länger, um sich später
wieder mehr und mehr zu verengen, neben dem Schnltermantel
tritt der mit Spangen auf der Brust zusammengehaltene auf,
die Kopfbedeckungen, der innere reichere Pelzbesatz bringen neue
Elemente in die Tracht; die wachsenden, intimen Verbindnngen
mit Byzanz und dem Orient durch Venedig, neue Stoffe und
neue Schmückung derselben — so sehen >vir den tlebergang zu
jenem eigentlich mittelalterlichen Kostüm sich vollziehen, von
welchem zuverlässige Uebcrliefernngen schon ein reineres und be-
stimmteres Bild geben. Die hier in Betracht kommenden Han-
dels- und Gewerbsverhältnisse und die Thätigkeiten, welche die
Herbeischaffnng der Stoffe und ihre Verarbeitung vermittelten
und bewerkstelligten, werden in dieser Schilderung nicht über-

gangen. Mit der der männlichen Tracht geht von Jahrhundert
zu Jahrhundert die der weiblichen parallel. Ihrer allgemeinen
Geschichte folgt, so weit es eben durchznfllhren, die Feststellung
der Unterschiede, welche die Verschiedenheit der Stände in der
jedesmal gültigen hervorbrachte. Hier ist dem Kaiser-Ornat ein
besonders ausführlicher Abschnitt gewidmet, welcher eine ganz
in's Spezielle gehende Beschreibung und Kritik aller noch be-
wahrten Theile der alten Krönungskleinodien und Kostümstücke
giebt. Für die Tracht der kaiserlichen Hofbeamten, Kurfürsten rc.
fehlt es zu sehr an Quellen zu einem genaueren Bilde, kaum
fließen sie reichlicher für die städtischen Aemter und Würden.
Der Versasser muß sich für sie an der Auffindung allgemeinerer
Gründzüge genügen lassen. Das Kapitel über die Waffen schließt
diese Lieferung, das darin bis zum 11. Jahrhundert gelangt.

(Schluß folgt.)

Kritische Forschungen im Gebiet der Malerei alter und
neuer Kunst. Ein Beitrag zur gründlichen Kenntniß
der Meister von W. Unger. (Supplement zu sei-
nem Werke „Das Wesen der Malerei") Leipzig. —
Verlag von Hermann Schnitze. 1865.

1.

Daß wir erst jetzt, nachdem das Werk Unger's bereits seit
zwei Monaten in den Händen des Publikums sich befindet, zu
einem Berichte über dasselbe kommen, hat lediglich seinen Grund
darin, daß bei ihm nicht >vie bei den meisten heutzutage erschei-
nenden kunstwissenschaftlichen Werken ein oberflächliches Durch-
blättern hinreicht, um cs seinem wahren Werthe nach zu würdigen,
geschweige denn im Ganzen >vie im Einzelnen zu verstehen.
Wir bekennen offen, daß uns das Buch viel Blühe gemacht hat,
versichern aber ebenso bestimmt, daß wir uns eben auch keine
Mühe haben verdrießen lassen, seinen Inhalt vollständig zu be-
wältigen. Ob diese Versicherung auf Wahrheit oder auf Selbst-
täuschung beruhe, davon werden sich Leser und Versasser übrigens
aus unsrer Kritik selbst überzeugen können, da wir die Absicht
haben, uns nicht mit einer einfachen literarischen Anzeige zu begnü-
gen, sondern das Ganze seinen Principien wie seiner Form nach,
seinem organischen Gedankenzusammcnhauge wie seinen zum Theil
beiläufig beigebrachten, aber stets bedeutungsvollen Ansichten über
Kunst, Stil n. s. f. nach, einer eingehenden Prüfung zu unter-
werfen.

Unger's Werk ist entschieden sehr bedeutend und läßt sich
kaum mit irgend etwas Anderem auf dem Gebiete der heutigen
Kunstliteratur vergleichen. Zwar bietet es andrerseits auch we-
sentliche Schwächen dar, welche nicht verschwiegen werden dürfen,
indeß sind diese fast durchgängig nur formaler Art. Das aber
können wir schon jetzt, vorgreifend, behaupten, daß der Verfasser
wie Wenige überhaupt und gewiß wie Keiner unsrer heutigen
Kunstforscher en vogue in den Geist der Malerei als solcher ein-
gedrungen ist, wenn er auch nicht überall im Stande ist, seine
Empfinduugsresultate nach dieser Seite hin in der dem Gedan-
kenstoff analogsten Weise, nämlich in philosophischer Klarheit, zum
reinen Ausdruck zu bringen. Man merkt dem Buche, um dies
in Rücksicht auf die Form vorweg zu bemerken, noch allznjehr
die Arbeit des Gedankens au; statt uns nach Abbrechung alles
Gerüstes und nach Wegschaffung aller Spuren der Vorarbeit das
fertige Gedankenwerk in vollkommen durchsichtiger Klarheit des
inneren Organismus vor Augen zu stellen, ziviugt er den Leser
dazu, den Gestaltungsprozeß seines Gedankens selbst mit dnrch-
zumachen. Zwar für Den, ivclcher eben zu lesen, d. h. uachzn-
denkeu versteht, ist das Resultat dasselbe. Aber es ist doch eine
harte Arbeit, welche die ganze Konccntration des Geistes von
Seiten des Lesers verlangt. Und hierin eben besteht die Mühe,
welche es macht, um das Werk gründlich zu verstehen.
 
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