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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0147

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kräftiger Faust gefaßt hält, fortschreitet, der siegreiche,
jugendkräftige Held, indem er im stolzen Gefühle, alle
Hindernisse überwunden zu haben, noch einen Blick nach
dem Schauplatze seiner Thaten zurückwirft. Einen anderen,
strengeren Stil zeigt die Statue der „Hoffnung" (1816),
welche Thorwaldsen, nachdem er im Aufträge Ludwigs von
Bayern die Gruppe der' „Aegineten" so trefflich ergänzt
hatte, modellirte, um einen selbstständigen Versuch in jenem
strengeren Stile der griechischen Kunst zu machen. Aber
so sehr er sie im Ganzen den einst auf den Akroterien
des Athenetempcls zu Aegina befindlichen Darstellungen
derselben Göttin nachbildete, suchte er doch die allzugroße
Ruhe und Geistlosigkeit im Ausdruck, jenes Eckige und
Steife, was bei aller Naturwahrheit im Einzelnen vor-
handen ist und das der späteren griechischen Kunst eben
so wenig wie uns genügte, möglichst zu entfernen. Um
gerade nun im Gegensatz zu diesen mehr nüchternen For-
men die Freiheit und Lebendigkeit seiner Werke anschaulich
zu machen, verwandte er diese Statue bei der Ausführung
seiner eigenen Portraitstatue, die 1839 von ihm modellirt
wurde. Denn auf sie gestützt sehen wir ihn, den Meißel
ip der einen Hand, in der anderen den Hammer, einen
leichten Kittel übergeworfen, in einer Einfachheit und An-
spruchslosigkeit, die nicht weniger für die dargestellte Per-
sönlichkeit einnimmt, als der schöne, runde Kopf mit dem
vollen, herabwallendeu Haare und einem Auge, daß ebenso
verständig und kindlich-treu hinausschaut, wie einst das
lebendige blaue.

Durchgehen wir weiter die linke Zimmerreihe (denn
dahin hat uns jene Statue versetzt), so begegnen uns die
„Drei Grazien" mit Amor zu ihren Füßen, ferner der
Venusliebling „Adonis", der knieende „Ganymed", wie
er aus einer Schale Zeus Adler tränkt. Dieser zeigt uns
auch, daß Thorwaldsen in der Darstellung von Thieren
nicht weniger glücklich war, wie bei der Schöpfung seiner
menschlichen Jdealgestalten. Glänzend hat er jenes Ge-
schick bewährt in dem sterbenden „Schweizerlöweu", ven
er sogar ausführte, ehe er noch ein lebendiges Exeniplar
gesehen hatte, und besonders in dem später gearbeiteten,
äußerst lebensvollen Bilde des „Liegenden Löwen", besten
Original sich im Museum befindet.

Aus der Reihe der Statuen sind nun noch hauptsäch-
lich die der christlichen Kunst Thorwaldsen's zuzu-
rcchnenden Werke übrig. Das Meiste davon sehen wir
in dem Christussaale, der durch seinen Namen den be-
sonderen Inhalt schon bezeichnet. Freilich hat das Museum
nur die Abgüsse von „Christus mit den zwölf Aposteln"
indem sie in Marmor für die Frauenkirche in Kopenhagen
gearbeitet und da aufgestellt sind. Für die Hauptstatuc hatte
Thorwaldsen sechs größere und kleinere Modelle entwor-
fen, ehe seine Idee den genügenden Ausdruck gefunden
hatte. So sehr aber die Beuriheilung jener Statuen
durch die Subjektivität bedingt ist, haben doch nicht
Wenige über sie geurthcilt, daß sie an Größe und Majestät
fast Alles übertreffe, was seit ihrer besten Zeit die christ-
liche Kunst in diesem ihrem höchsten Vorwürfe geleistet
habe. „Friede sei mit Euch": mit diesen Worten denkt
sich der Künstler den auferstandenen Christus in den Kreis
seiner Jünger eintreten, die Hände halb erhoben, um in

ihren Flächen zugleich die Nägelmale zu zeigen, die auch
auf den Füßen sich erkennen lassen, in dem durch keinen
harten Zug gestörten Antlitz jene über die Nichtigkeit der
Erde weit erhabene Größe, die in dem Beschauer nicht weni-
ger Ehrfurcht erweckt, als sich ihm von der Ruhe und
dem unendlichen Frieden mittheilt, der in wundersamer
Weise über jene Statue ausgegossen ist. Dazu die Ge-
stalten der zwölf Jünger, alles fromme und gläubige,
aber in dem Gesichte und der Stellung verschiedene Per-
sönlichkeiten, zu deren leichteren Unterscheidung noch jedem
ein bezeichnendes Attribut beigegeben ist, dem Johannes
ein Adler, dem Paulus ein Schwert, dem Petrus die
Schlüssel u. s. w. Vor dem Kreise knieet der gleichfalls
in der Frauenkirche befindliche Engel, der ein Becken
zur Taufe hinhält und davon gewöhnlich der ,,Tauf-
eng'el" genannt wird, eine Gestalt von edlem, reinem
Ausdruck, deren vergeistigtem Wesen höchstens die etwas
schweren Flügel Eintrag thun.

Wir schließen hier eine bedeutungsvolle Gruppe an,
die sich in Gyps in dem linken langen Korridor befindet,
„Die Büßpredigt Johannes des Täufers". In Marmor
ist sie überhaupt nie gearbeitet, sondern füllt, in Teracotta
gebrannt, den Giebel des Bestibüles zur Frauenkirche. Für
diese Gruppe, die im Jahr 1822 zum ersten Male zusam-
mengcstellt wurde, sind einzelne Figuren nach Thor-
waldsens Entwurf von seinen Schülern ausgeführt; sie
ist die einzige große, die er geschaffen, und im Ganzen
wie Besonderen recht geeignet, sein unmittelbares und
klares Genie zur Darstellung zu bringen. Denn wie hin-
gehaucht., als der lebendige Ausdruck seines Geistes, tritt
uns der künstlerische Gedanke plastisch gestaltet vor Augen,
der hier in den Worten Johannes des Täufers enthalten
ist: „Thut Buße und bekehret Euch, das Himmelreich ist
nahe". So sehen wir ihn selbst in kurzem härenen Ge-
wände und übergeworfenem Mantel, um die Lenden einen
ledernen Gürtel, au dem eine Taufmuschel befestigt ist;
die Rechte halb erhoben und in der Linken einen langen
Stab, der oben zum Kreuz wird, in seinem Aeußeren
schon den ganzen Ernst seines Berufes, die Menschheit
zur Buße zu rufen, ausgesprochen. Denn auch sein An-
gesicht zeigt nicht die abgerundeten und vermittelnden
Linien, sein Haar nicht die Glätte', wie es zum ruhigen,
versöhnenden Antlitz Jesu nothwendig erscheint, sondern
scharfe Züge zeichnen sein Angesicht, über dem ein kraus-
aufstrebendes Haar bei seiner Länge nach beiden Seiten
herabfällt. Thorwaldsen behielt also die Formen bei,
die von der früheren Kunst Johannes gegeben waren.
Auf diesen Mittelpunkt nun sind alle übrigen Figuren ge-
richtet, und zwar mit solcher Ungezwungenheit und Natürlich-
keit, einer solchen Verschiedenheit innerhalb der höheren
Einheit, daß die Gruppe gewiß zu den bedeutendsten
Werken der christlichen Skulptur zu zählen ist. Effektvolle
Situationen oder Draperien sucht man vergebens; dagegen
springt uns überall die kindliche, naive Auffassung des
Künstlers entgegen, die sofort jedem klar macht, was aus-
gedrückt werden sollte. Andächtig aufschauen sehen wir
zur Rechten des Johannes einen Mann, der das linke
Bein auf einen Stein und den Kopf in die auf dem Kniee
ruhende Hand gestützt hat, darauf zwei Gestalten, Vater
 
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