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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0349

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Kunst-Literatur.

Bes anciens peintres flamands, leur vie etleurs Oeuvres,

par J. A. Crowe et G. B. Cavalcaselle. Trad.
de l’anglais par 0. Delepierre. Annotd et aug-
mente de documents inedits par Alex. Pinchart
et Ch. Ruelens. Bruxelles. 1862 u. 63. I Vol.
230 S. II Vol. 152 u. CCCXXXIV S.

Besprochen von I. A. Müller.

Seine wahre Bedeutung für die Geschichte der älteren flan-
drischen Malerschule erhält das zuerst 1857 englisch herausgege-
bene Werk The early flemish painters von dem Engländer
Crowe und dem Italiener Cavalcaselle erst durch diese bereits
1862 und 63 erschienene Uebersetzung, oder vielmehr durch ihre
erst vor wenigen Monaten vollendeten Noten und historischen
Dokumente der Belgier Pinchart und Ruelens. Und diese Be-
deutung ist für den genannten Theil der Geschichte der Malerei
nicht gering anzuschlagen, weil das Werk, auf eben so gründlicher
Qellenforschung als genauer Prüfung der zahlreichen in den
letzten Jahren gewonnenen Resultate und ausgestellten Hypothesen
beruhend, eine Fülle von neuen Thatsachen darlegt, die das
Leben und den künstlerischen Entwickelungsgang der hieher ge-
hörigen Maler betreffen. Ich wünschte, ich wäre im Stande auch
hinzuznsetzcn, daß cs zugleich aus eben so umfassender eigener
Anschauung der außerhalb Belgiens befindlichen Gemälde der
altflandrischen Schule beruht, wie etwa Waagen's „Geschichte
der deutschen und niederländischen Malerschulen." Letzterer hat
mehr gesehen, als beide Verfasser und beide Kommentaioreiflunse-
res Werkes zusammen genommen; freilich ist sein Sehen leider
häufig ein Versehen gewesen, das in der Bildertaufe alte Jrr-
lhümer unangetastet gelassen und hin und wieder neue hinzuge-
fügt hat. Wären diesem „latenten Maler" nicht die Quellen
verborgen geblieben, die sichren Belgiern aufgeschlossen haben,
seine Geschichte der Malerei wäre in diesem Punkte wesentlich
anders ausgefallen. Es ist daher ganz erklärlich, daß Belgien
grade das Land iss in welchem der Werth der Knnstanschauungen
und des künstlerischen Blickes des Herrn Waagen ziemlich gering
angeschlagen wird, wenigstens viel geringer als in England, wo
diese Eigenschaften vor zwei Jahren durch die Aufschlüsse des
Malers Rubens-Powell (Athenäum 1863, Nr. 1878. S. 539)
eine so eclatante Niederlage erlitten haben, daß man, um dieselbe
möglichst zu verdecken und Herrn W. als den Leidenden darzu-
stellen, zur euphemistisch-passiven Konstruction „es sei von Eng-
land aus behauptet, Herr W. fei getäuscht worden" seine Zu-
flucht genommen hat. Kein Wunder also, daß, wo in unserem
Werke Herr W. citirl wird, fast immer Meinungen an's Licht
treten, durch welche die seinigen bestritten oder widerlegt werden.
Damit soll aber keineswegs gesagt sein, daß in Folge dieser
zahlreichen Nachforschungen und archivalischen Entdeckungen, wie
sie enthalten sind in den Schriften von Busscher, Heris, de
Bast, Carton, de Laborde, van Even, Wauters und
Weale (deren Titel großentheils schon in Waagen's genanntem
Buche nachzulesen sind) allenothwendigen Lebensumstände derMaler
an's Licht gefördert, alle Zweifel und Unklarheiten in Betreff der
ihnen beigelegten oder beiznlegenden Werke beseitigt und alle hieher

gehörigen Werke auf ihren wahren Urheber zurückgesührt sind.
Es bleiben vielmehr, wie wir aus der näheren Betrachtung
unseres Buches ersehen werden, dergleichen Zweifel sowohl über
die einzelnen Koryphäen der flandrischen Schule als über den
wahren Urheber der derselben angehörenden Werke noch gar viele
übrig; Zweifel, deren Lösung wahrscheinlich nicht aus geschrie-
benen Urkunden, sondern aus der durch die heutigen Verkehrs-
mittel immer leichter werdenden Vergleichung der einzelnen Bil-
der unter einander erfolgen wird. Die beste Vergleichung könnte
natürlich dann vorgenommen werden, wenn es möglich wäre,
sämmtliche Bilder der altflanvrischen Schule für eine Zeitlang
an einem Ort zu vereinigen, also etwa in Brüssel oder in Antwer-
pen eine Ausstellung derselben zu veranstalten, aber eine solche, die,
sich auf diese Schule beschränkend, nicht nur Vollständigkeit in
der Vertretung der einzelnen Malernamen erzielt, sondern auch
Vollständigkeit in den hieher gehörenden Werken benannter und
unbenannter Urheber. Ob die Kirchen, die Klöster, die Museen
und die Privatbesitzer so viel Selbstverleugnung zeigen werden,
der Wissenschaft diesen Dienst zu leisten, ist freilich eine andere
Frage, die sich schwerlich bejahen läßt. In Manchester waren
1857 die einzelnen Meister der altflandrischen Schule ziemlich
zahlreich vertreten, aber von den Werken der Einzelnen war
lange nicht genug vorhanden.

Ich halte es für nöthig, zunächst eine Uebersicht über den
Inhalt und die stoffliche Anordnung unseres Buches zu geben,
um sodann, in's Einzelne gehend, die schwer herauszufindenden
gewonnenen Resultate darzulegen und daran die nöthigeu Bemer-
kungen zu knüpfen. Crowe und Cavalcaselle theilen ihr
Werk in 17 Kapitel und einen Anhang, auf welchen die (mit
römischen Zahlen paginirten) Noten von Ruelens über die ein-
zelnen Meister als kürzere oder längere Exkurse und die Abhand-
lung von Pinchart über die Geschichtschreiber der flandrischen
Malerei im 15. und 16. Jahrhundert folgen. Den Schluß macht
ein vollständiges Register der Personen und Oerter mit ihren
im Buche citirten und besprochenen Werken. Jene 17 Kapite
behandeln l) die ersten Spuren der flämischen Malerei im 14.
Jahrhundert, 2) Hubert van Eyck, 3) Jan van Eyck, 4)
die Arbeiten der Brüder van Eyck, 5) die Schüler der Brüder
van Eyck: Petrus Cristns und Gerhard van der Meire,
6) Hugo van der Gocs, 7) Justus oder Josse von Gent,
8) van der Weyden, 9) Werke desselben, 10) Antonello
von Messina, il) Werke desselben, 12) die Zeitgenossen der
Brüder van Eyck, 13) Hans Memling, 14) Werke desselben,
15) die Nachahmer Memling's und van Eyck's, 16) der
Hauptmeister der Schule von Löwen, Dierick Stuerbout,
17) Weitere Ausbildung der Kunst in Flandern und ihr Einfluß
auf das Ausland. Jener Anhang enthält Zusätzliches über Jan
van Eyck, v. d. Weyden, v. d. Meire, Antonello von
Messina, Memling, Dierick Stuerbout und die Nach-
ahmer van Eyck's und Memling's.

(Fortsetzung folgt.)
 
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