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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0222

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verurtheilt wurde, so daß bekanntlich der Aussteller bei Weitem
nicht auf die Kosten kam, lediglich Erfindungen der Reklame-
Fabrikanten, und zwar der unverschämtesten Art.

Daß übrigens hier in Wien das Bild größeres Aufsehen
macht als in Norddeutschland, liegt lediglich in seiner auf wider-
wärtige Weise zugespitzten Tendenz. Im Norden ist man solcher
Parteinahme gegen Jesuitismus und Dnnkelwirthschaft gegenüber
unbefangener, weil man davon freier ist. Darum war dort auch
das Urtheil über den künstlerischen Werth nicht zu bestechen.
Doch genug davon."

Und so sagen wir nunmehr auch: genug davon: denn es
ist keineswegs erfreulich, genöthigt zu sein — am Ende gar auf
die Gefahr hin, für einen Anhänger der Inquisition zu gelten —
gegen einen durch Talent in so hohem Maaße unterstützten Miß-
brauch der Kunst zu Gunsten einer durchaus wohlfeilen Oppo-
sitionsmacherei aufzutreten. Bei kaum einer anderen Komposition
ist — mit dem Bedauern über die falsche und unheilvolle Ver-
werthung eines großen, die sinnliche Anschauung lebhaft an-
regenden Darstellungstalents — so lebhaft die Frage in uns er-
weckt worden: Was hätte nicht Kaulbach wahrhaft Großes und
Bedeutendes leisten können, wenn ihm die Natur nicht die po-
sitive Empfindnug für den objektiven Gehalt der menschlichen
Idealwelt versagt hätte? — —

Unter den umfangreicheren Kompositionen Kaulbach's soll
hier nur noch eine erwähnt werden, welche zuerst — irren wir
nicht — auf der internationalen Kunstausstellung in München
an's Tageslicht trat, seine „Schlacht bei Salamis". Die Aus-
stellung des Werkes war von um so höherein kritischem Interesse,
als die gleichzeitige Ausstellung eines Werkes von Piloty, seinem
künstlerischen Antipoden, eine nach beiden Seiten hin belehrende
Vergleichung darbot. In dem damaligen Bericht heißt es:

„Bis ans wenige einzelne gerftreute Reminiscenzen herab
deutet nichts in der heutigen Malerei an, daß Cornelius'
großer und reiner Genius jemals hier geschaffen und gewirkt hat.
Diese bedauerliche Thatsache zu erklären, mag dem späteren
Kunsthistoriker überlassen bleiben: wir haben sie hier nur zu
konstatiren, um uns dem durch die Gegenwart Gebotenen zuzu-
weuden. Nur, weil sie für das Verständniß des Letzteren von
Bedeutung ist, wollen wir die eine Bemerkung machen, daß die
Reaction gegen die coruelianische Monumentalität zunächst und
einerseits g« einer Verflachung des Ideengehalts und folglich auch
der Forin, andrerseits zu einer Versinnlichung des Inhalts, d. h.
zu einer Materialisirung des Kolorits führen inußte; zwei Richtun-
gen, die in ihrer Gegensätzlichkeit durch Kaulbach und Piloty
und ihre resp. Schüler repräsentirt werden. Bei jenem ver-
flüchtigte sich die tief-poetische und grandiöse Symbolik mystisch-
religiöser Ideen zu einer verständigen Kombination abstrakt-
vermummter Realitäten von kaleidoskopischer Mannigfaltigkeit und
stereotyper Formenanmuth, bei Piloty verhärtete sich die jenem
mystischen Inhalt entsprechende Schattenhaftigkeit des Kolorits zu
einer derben, farbenprunkenden Körperhaftigkeit, welche den Be-
griff der historischen Monumentalität gänzlich vernichtete und eine
genrehafte Thatsächlichkeit mit allem Reiz realer Unmittelbarkeit
des Daseins au seine Stelle setzte. Dennoch ist zu sagen, daß der
Abstand zwischen Kaulbach und Piloty bei weitem nicht so groß
ist, als die tiefe Kluft, durch welche beide von Cornelius getrennt

werden. — Kaulbach, welcher auf der internationalen Ausstellung
am besten und charakteristischsten durch seinen „Reineke Fuchs"
oder etwa durch seine Cartons zuin „Kinderfries" im Treppen-
haus des Neuen Museums in Berlin repräsentirt worden wäre,
hat statt dessen seinen großen Carton zur „Schlacht von Sala-
mis" ausgestellt, vielleicht die am wenigstens sowohl einheitliche
als innerlich wahre von allen seinen Kompositionen. Wenn es
schon auf seinen andern „historisch-symbolischen" Kombinationen —
denn der kombinatorische Charakter verleugnet sich in keinem seiner
derartigen Werke — (selbst im Carton) fast unerträglich ist,
historische Realitäten in portraitmäßiger Umuittelbarkeit, aber mit
völliger Vernichtung jeder Raum- und Zeiteinheit, in eine ab-
strakte Gruppirung hineingezwängt zu sehen, worin jede Figur
gleichsam nur die Bcdentnng einer Gedankenziffer hat, so kann
man bei einigermaaßen gutem Willen wenigstens einen Grund
für solche ästhetische Barbarei darin finden, daß es sich dabei
nicht um ein einzelnes historisches Faktum, sondern um die „Ge-
sammtidee einer Kulturphase", also um eine Abstraction, handele.
Solche abstrakten (und darum eigentlich unmalbaren) Sujets
vertragen allenfalls solche kombinatorische Symbolik, wenn es
natürlich auch grundfalsch und in sich widersprechend ist, zu den
Trägern derselben reale Portraitfiguren der Geschichte zu ver-
wenden, die sogleich mit dem berechtigten Anspruch auftretest,,
daß mau auch ihre sonstige Realität, namentlich die der Zeit
und der Lokalität, respektire.

In der „Schlacht von Salamis" hat jedoch Kaulbach diese
letzte Schraicke ebenfalls niedergeworfen. Wenn man von der
„Hunnenschlacht", die als bloße Mythe von vornherein auf eine
symbolische Behandlung angewiesen ist und die deshalb auch als
das in sich einheitlichste und innerlich wahrste Werk dieser Art
von Kaulbach erscheint, absieht, so hat er in der „Schlacht von
Salamis" es zum ersten Mal gewagt, einen wirklichen histo-
rischen Vorgang auf dieselbe Weise wie seine „abstrakten Kul-
tur-Ideen" zu be- oder vielmehr zu mißhandeln. Auf die
Komposition näher einzugehen, widerstrebt uns deshalb in tiefster
Seele; was nützt es eine große künstlerische Lüge zu zergliedern
und alle die hübschen kleinen Lügen, aus denen sie zusammen-
gesetzt ist, noch besonders nachzuweisen? Aber auch von dem
Inhalt ganz abgesehen, besitzt die Komposition vom rein tcchnisch-
kompositionellen Gesichtspunkt Nichts, was irgendwie den Be-
schauer zu fesseln vermöchte. Er findet die alten stereotypen
Gesichter und Formen, nur anders zusammengesetzt, aber in einer
Weise, welche die sonstige Elastizität und Anmuth sehr vermissen
läßt. Dekoration im schlimmsten Sinne, voll geistloser, mit den
Haaren herbeigezogener Beziehungen, schwächlich in der Bewegung
der Gestalten, unklar in der Gesammtwirkung: so trägt die
„Schlacht von Salamis" den Stempel eines Nichtmehrköunens
zur Schau, das im höchsten Grade peinlich ist. Es ist nur noch
die durch fortwährende Hebung erlernte, gleichsam mechanisch ge-
wordene Virtuosität, aber ohne die Wärme und den Lichtfunken,
der früher aus der Spitze des Kaulbach'schen Crayons elektrisch
hcrvorknisterte und darum auch den Beschauer zu elektrisiren ver-
mochte; die natürliche und unausbleibliche Folge eines Schaffens,
welches das ideelle Komponiren mit dein abstrakten Kombiniren
verwechselte."

Der Bericht geht sodann auf Piloty's Bild „Maria Stuart"
 
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