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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0342

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334

In Nachstehendem geben wir, in möglichstem Anhalt an
die chronologische Folge, einige seiner Lemerkenswerthesten Kunst-
leistungen, welche seinem Ruhme so rasch die glatte Bahn ge-
brochen haben, dazwischen mögen so manche kleinere seiner
Arbeiten Erwähnung finden — tragen sie ja doch alle, ob
Hauptschöpfungen, ob etwa bescheideneren Ranges, ohne Aus-
nahme das Gepräge seines Genius. Den Beginn machen Wohl
„Der verwundete Jäger", oder „des Försters letzte Heimkehr",
die mit den „Jungen Wilderern" noch in das Jahr seines
Wiedererscheinens in München, 1867, fallen. Das nächste Jahr,
1868, sah seinen „Joseph Speckbacher" entstehen, dasjenige
Bild, welches der Ausgangspunkt seines Weltrufes geworden
ist. — Vollständig nannte er das Bild „Scene aus des Tiroler-
-Anführers Speckbacher Leben". Das Gemälde schildert folgenden
Ergänz. Speckbacher's — eine prächtige, echte Tirolergestalt
— Söhuchen Ändert, ein Bursche von kaum zehn Jahren, tritt
bewaffnet an der Spitze einer Schützenkompagnie zu St. Johann
in das Hauptquartier seines Vaters ein, in dem Augenblicke,
wo dieser mit seinem Adjutanten gerade Kriegsrath hält und
mit Plänen für die demnächstigen Operationen lebhaft beschäftigt
ist. Olpacher und Wintersteller, die beiden Hauptleute des
Obersten, sitzen am Tische über einer Karte der Umgebungen
von Kufstein! Der „Mann von Stein" — wie Speckbacher
in der Volkssprache hieß und heißt — ist auf den ersten Lärm
der hereinbrechenden Schaar bereits aufgesprungen, und sieht
beim Umwenden seinen Buben mit dem riesigen Schießprügel
vor sich stehen. In den Gesichtern von Vater und Sohn sind
die kontrastirendsten Gefühlsregungen höchst glücklich zum Aus-
druck gebracht. Im Antlitz des Vaters malt sich noch der Zorn
ab über die ärgerliche Störung von Seiten des kleinen Bengels.
Doch macht sich andererseits auch stolze Vaterfreude über seinen
frühzeitigen Muth geltend. Dieses Gefühl siegt ob. — Halb
ängstlich und nur ein wenig stolz und zuversichtlich blickt zu
ihm der Knabe empor. Da tritt ein alter Bauer, unzweifel-
haft dem Joseph Speckbacher'schen Hause seit langer Zeit zu-
gethan, an den Kleinen heran und empfiehlt ihn in treuherzigen
Worten als tapferen Mitstreiter im heiligen Kampfe. Schon
im nächsten Augenblicke wird der rothnasige Trommler an der
Spitze seiner Mannschaft einen durchdringenden Wirbel schmettern,
ein donnerndes Hurrah wird die Wände beben machen. Alles
das ist mit so packender Wirkung dargestellt, daß es einen jeden
Beschauer unwillkürlich beleben muß. Und ebenso vorzüglich
wie die wahrhaft dramatische Behandlung des Auftritts ist auch
die Charakteristik der einzelnen Persönlichkeiten ausgefallen.
Speckbacher ist der Urtypus männlicher Schönheit, im Verein
mit Kühnheit und Kraft, das Bild seiner Erscheinung, wie ihn
die Geschichte schildert. — Des Obersten Hauptleute, der alte
Bauer, die übrigen Mannschaften alle miteinander und insge-
sammt sind eine wahre Fundgrube tirolischer Gesichtstypen.
Ja, dein alten versoffenen und etliches verllnuptcn Trommelbe-
arbeiter sieht man's wohl ganz deutlich an, daß er seinem
Kalbfell nur deshalb so tapfer zusetzt, um sich selbst Kourage

einzutrommeln. Der Glanzpunkt in der Charakteristik des Ge-
sammtbildes — auch in malerischer Beziehung dessen bestes
Stück — ist der Kopf des greisen Fürsprechers, der für den
Buben so beredt das Wort ergreift.

In das folgende Jahr, 1869, fällt „Der Ringkampf in
Tirol", die Darstellung des bekannten volksthümlichen Spieles,
einer wahrhaft populären Gymnastik jener Gebirgsthaler, und
eines der meisterhaftesten Genrebilder der neueren Zeit, welches
Defregger unter die ersten Meister des Faches, Knaus und
Vautier, würdig hinstellt. Im nächsten Jahr 1870 malte er
ein Bild religiösen Stoffes, „Die heilige Familie" als Altar-
gemälde und Andenken an seine Taufe in der Kirche zu Döl-
sach, für diese. — Ihm folgten in den Jahren 1871 „Die
beiden Brüder" und 1872 „Der Sennerinnenball". Das letztere
Meisterwerk ist allbekannt durch unzählige Reproductionen in
Holzschnitt, Lichtbild u. s. w. Nicht weniger köstlich sind „Die
beiden Brüder". Der Künstler stellt einen vom Gymnasium
in der Vakanz heimkehrenden jungen Studenten in dem Augen-
blick vor, wo er im Vaterhaus einen neuen, ihm noch unbe-
kannten Familienzuwachs in einem drallen Brüderle vorfindet.
Die Freude des Papa an seinen beiden Stammhaltern, dem.
Erbprinzen, wie nicht weniger an dem kleinen Karl, der Stolz
der Mutter, die Zärtlichkeit, mit welcher die Geschwister den
angekommenen „Herrn Bruder" begrüßen, die absonderliche Auf-
merksamkeit, welche ihm die Hausmagd erweist — alles dieses,
wirkt harmonisch zusammen, um uns das ungetrübte Familien-
glück so recht mit- und nachempfinden zu lassen.

Im Jahre 1873 schuf er seine italienischen „Bettelsänger"
und sein „Preispferd", endlich im jetzigen Jahre „Das letzte
Aufgebot", alle drei vielbesprochen, gefeiert und verbreitet. Im
„letzten Aufgebot" schildert er eine ergreifende Scene aus dem
Tiroleraufstand im Jahre 1809, eine letzte Aushebung der Ge-
birgler zum Kampf aus Leben und Tod gegen den „Erbfeind",
den „Gottesfeind". Die kräftigen Söhne der Alpen, zum
Theil schon etwas in den Jahren, sind vorzüglich meisterhaft
dargestcllt, wie sie vou Weib und Kind einen schweren Abschied
nehmen, um, mit ganzen Arsenalen von allen denkbaren und
phantastischen Mordinstrumenten beladen, in den Kampf zu ziehen.
Das so wirkungsvolle Bild hat auf einer Rundreise durch Tirol
und Nachbarschaft einem edlen Zweck gedient, nämlich durch
Eintrittsgelder den Brandbeschädigten in Defregger's Nachbar-
heimatsort Gorzach Gaben der Mildthätigkeit zu erwerben, was
herrlich gelungen ist. — In die Jahre zwischen 1867 und jetzt,
fielen noch so gar manche köstliche kleinere Gaben des Defregger'-
schen Genius, so „Die Speisung der Bettler", „Eine kleine
Schwester gürtet ihrem jüngeren Bruder ein hölzernes Schwert
um", „Der Brief" und manche andere mehr.

Der in so überraschend glänzender Weise zu einem hohen
Ruhm gelangte liebenswürdige Künstler ist Ritter des königlich
bayerischen St. Michael - Ordens und Mitglied der königlich.,
bayerischen Akademie der bildenden Künste zu München.

W.
 
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