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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 20.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.13551#0235

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J|tr. 29. 80.1

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Beilage.

| 18. Juli. I

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ein frappanter Kontrast gegen die oben erwähnte italienische Süß-
lichkeit und gleißende Flachheit, die, ähnlich behandelt, geradezu eine
dreckhafte Wirkung machen würde, da in ihrer „Reinlichkeit" ihre
einzige Tugend besteht. — Ein zweites neueres Werk von Begas,
„Merkur und Psyche", veranlaßt durch seinen Titel zu der Meinung,
daß es sich dabei um ein Seitenstück zu dem vorgenannten handele:
Merkur trägt die der irdischen Noth entrückte Psyche zum Olymp
empor. Allein weder in der allgemeinen kompositionellen Gruppirung
korrespondireu beide Werke miteinander, noch weniger zeigen sie in
der plastischen Gestaltung der Formen etwas Verwandtes. Sie
liegen eben ein Decennium auseinander, und in diesem Decennium
hat sich Begas mehr und mehr von der liebenswürdigen Zartheit
der plastischen Empfindung — Andere mögen es Zahmheit nennen
— seiner früheren Auffassungsweise der idealen Körperformen eman-
eipirt, um sich einer michelangelesken Derbheit und Gewaltigkeit zu
nähern. Ob gerade für dieses Motiv, namentlich im Verhältniß zu
dem intendirten Eindruck des Emporschwebens, solche stramme Aus-
arbeitung der Muskulatur geboten schien, dürfte, wenigstens hin-
sichtlich der weiblichen Figur, zweifelhaft sein. Mark und gesunde
Kraft prägt sich in allen seinen Gestalten aus, aber die Plastik hat
mehr als jede andere Darstellungsweise die Aufgabe, ideale Motive
auch ideal in den Formen zu behandeln. Ein Uebergewicht nach
der Seite der realistischen Auffassung verzeiht man eher dem Maler
als dem Bildhauer; das Umgekehrte kann mit demselben Rechte und
aus demselben Grunde behauptet werden, nämlich aus dem von uns
schon oft betonten, daß die Aufgabe der Malerei überhaupt mehr
auf der Seite des realen Lebens, die der Plastik auf der Seite der
Idealwelt liegt. — Ein drittes Werk von Begas — das einzige
Monumentalwerk der Ausstellung — ist ein „Grabmonument", be-
kanntlich bestimmt für das Mausoleum, welches Dr. Stroußberg
seinem verstorbenen Sohne gewidmet hat. Originalität kann man
der Komposition keinenfalls absprechen; doch ist uns der Gedanke
nicht völlig verständlich geworden. Die beiden, in voller Realität
des Lebens gestalteten nackten Kinder, welche das Lager des Todten
n>it Blumen schmücken, sind offenbar als Genien der Erinnerung
aufzufassen; weniger erkennt man die Absicht bei der über das Haupt
des Todten, den sie nnt dem rechten Arm unterstützt, sich nieder-
beugenden, sitzenden weiblichen Gestalt. Soll es etwa die Mutter
des Todten sein, so fehlt entschieden die Aehnlichkeit; ist die Figur
"ks Jdealgestalt gedacht, — und als welche? — so widerspricht
Dem der nicht nur ziemlich genrehafte, sondern auch in den Detail-
fvrinen nicht gerade anmuthige Kopf. Ohnehin hat die Bewegung
des Niederbeugens etwas Gezwungenes, welches den fast durchweg
^dlen und monumentalen Eindruck des Gesammtwerks nicht unwesent-
sich beeinträchtigt. — Wir knüpfen hieran sogleich die Erwähnung
Stoeier anderer Künstler, die sich im Allgemeinen der Richtung von
Reinhold Begas anschließen: der eine ist sein jüngerer Bruder Karl
^°gas, der in seiner Gruppe „Mutter und Kind" zum ersten Mal
unseres Wissens einen Anlauf zu einer größeren Gruppenkomposition
llenommen hat. Es ist Manches darin recht wahr und innig em-
pfunden; doch will wohl das Machwerk noch nicht recht dem Zuge
d"' Erfindung folgen. Von größerer und liebenswürdiger Wirkung
-Erscheinen uns zwei auf der Grenze zwischen Portrait- und Jdeal-

gestaltung stehende Büsten: „Römischer Knabe" und „Römisches
Mädchen". Irren wir nicht, so möchte dieses Gebiet dem Talent
des jungen Plastikers am angemessensten sein. — Der zweite, sich
dem Meister, namentlich in seinen Erstlingswerken, noch näher an-
schließende Künstler ist Otto, dessen lebensgroßes Gypsmodell
„Centaur und Nymphe" zwar entschieden den Charakter der R.
Begas'schen Kompositionsweise trägt, aber, was anerkannt werden
muß, doch nicht mehr, wie z. B. die auf der vorletzten akademischen
Ausstellung zur Ansicht gestellte, ebenfalls lebensgroße Gruppe
„Faun und Nymphe" lediglich in der äußerlichen Manier an den
Meister erinnert, sondern eine freie und selbstständige Durchbildung
der Formen erkennen läßt.

Mit ganz reiner Freude und nachhaltigem Genuß konnte man
sich der Betrachtung der Meisterwerke zweier anderer Künstler hin-
geben, welche für unsere Empfindung Dem, was die moderne Plastik
hinsichtlich der Gestaltung idealer Motive für ihre höchste Aufgabe
zu betrachten hat, unter allen uns bekannten Bildhauern am nächsten
kommen. Namentlich verräth Ed. Müller's herrliche Gruppe
„Das Geheimniß des Fauns" neben der höchsten technischen Meister-
schaft, die, statt durch eine forderte Originalität der Behandlung
das Auge zu bestechen, mit ernster Gewissenhaftigkeit die dem idealen
Motiv entsprechenden idealen Formen dnrchzubilden bemüht ist, eine
Reinheit des Styls und einen Adel der Empfindung, die jeden
künstlerisch gebildeten Beschauer zu ungemischter Bewunderung Hin-
reißen müssen. Dabei erhebt sich mit vollem Recht der modern
fühlende Künstler insofern über die Antike, als er seiner Auffassung
des Motivs jenes Körnchen Humor beimischt, das uns die ganze
Idee mit einem Schlage näher rückt. Wer dies nicht zugeben möchte,
darf sich nur fragen, ob die Meister der Blüthezeit der hellenischen
Kunst jemals auf die Idee einer solchen, naive Feinheit mit hu-
moristischer Pointe verbindenden Auffassung hätten gerathen können.
Einen ähnlichen Charakter trägt sein zweites Motiv: „Benus, dem
Amor die Flügel beschneidend", doch kommt das Werk in der Durch-
bildung der Formen, namentlich des Amor, dem ersteren nicht
gleich. — Auch Schubert's „Jugendlicher Faun, dem im Laufe
der Weinkrug zerbrach", gehört dieser Richtung, wenigstens der all-
gemeinen Idee nach, an; doch ist das humoristische Element, zu dessen
Acceutuirung gerade hier gegründete Veranlassung vorlag, zu wenig
betont, das Ganze überhaupt — was wir bei aller Anerkennung
der Durchbildung der schönen Körperformen bemerken müssen —
etwas unlebendig. — Außerdem hat Schubert ein biblisches Motiv
behandelt: „Jakob, mit dem Engel ringend"; aber das an sich
plastisch nicht dankbare Motiv entbehrt gerade Das, was hier die
Hauptsache war, einen recht religiösen Charakter. — Nur der Voll-
ständigkeit halber erwähnen wir hierbei, daß noch zwei andere der
religiösen Plastik angehörige Arbeiten ausgestellt waren, nämlich
Beuk's Alabastergruppe „Madonna mit Christus und Johannes"
und Brodwolf's Relief der „Berggredigt". — Von Elfterem
war auch eine antikisirende Statue der „Kassandra" vorhanden,
welche in der Auffassung des Charakters nicht ohne tiefere geistige
Bedeutung ist.

lieber die übrigen Werke können wir uns um so kürzer fassen.
Unter den Jdealgruppen führen wir an: außer der liebenswürdig
 
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