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Die mittelalterlichen Zeugnisse
über die großen Heiligtümer zu Aachen
Von
Heinrich Disselnkötter
Die Wiederauffindung der fast ein Jahrhundert lang verschollenen
Handschrift des Aachener Marienstifts, die einst Christian Quix nur in
unzulänglicherWeise benutzt hat und die jetzt als S1559 ein Kleinod
der Bonner Universitätsbibliothek bildet, hat sich seit 1916 für die
Erforschung des frühen Mittelalters nach vielen Seiten hin nutz-
bringend erwiesen1. Auch für den Reliquienbestand des Aachener
Münsters bietet sie neben einem etwa gleichalterigen, auf der Ber-
liner Staatsbibliothek befindlichen Stiftschartular (Cod. lat. Qu
324) die älteste zuverlässige Grundlage, und, obschon die Nachprü-
fung des von Quix 1839 herausgegebenen Verzeichnisses keine er-
heblicheren Verbesserungen zutage gefördert hat, so dürfte sich
doch, weil das Quixsche Buch jetzt so selten geworden ist und ein
neues Aachener Urkundenbuch noch aussteht, ein Sonderabdruck
empfehlen.
Wir sind jetzt zudem in der Lage, das Schriftstück, welches das
zweitälteste Verzeichnis der Münsterreliquien enthält, in seinem
ganzen Wortlaut zu veröff entheb en, von dem bisher nur ein von
H. Kelleter 1892 im Kölner Stadtarchiv aufgefundenes Bruchstück
bekannt geworden war2. Dieses Schriftstück, die Abschrift einer
Kundmachung des Aachener Stiftsdechanten und -kapitels, hat sich
gleichfalls im Kölner Stadtarchiv gefunden, und zwar in einer Hand-
schrift, die, jetzt G B 192 4° signiert, ursprünglich der Kölner Nie-
derlassung der Kreuzbrüder oder -herren gehört hat und dort auch
niedergeschrieben worden ist3. Unserem Aachener Schriftstück und
1 Näheres darüber bei W. Levison und A. S chulte, Das Verzeichnis der könig-
lichen Tafelgüter von 1064/5 und seine Handschrift: Neues Archiv der Gesellschaft
für ältere deutsche Geschichtskunde 41 (1919) 559 f.
2 Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins (ZAGV) 14 (1892) 234—242.
3 Der um 1211 zu Huy im Bistum Lüttich gegründete Orden kam 1307 nach
Köln und war zuerst auf dem Hofe der Gudelinde, der Witwe des Hildger Hardefust,
in der Columbapfarre ansässig. Vgl. R. Haaß, Die Kreuzherren in den Rhein-
landen: Rheinisches Archiv 2 (1922) 79 f. Auch in Aachen gehörte ihnen seit 1372
eine dem hl. Julian geweihte Kapelle an der äußeren Pontstraße. Vgl. Haaß 117 f.
u. O. Gatzweiler, Liturgische Handschriften des Aachener Marienstifts ZAGV 46,
159 u. A. 1. Sie war „ein Geschenk der Witwe Gerhards von Bongard“ an die Brü-
Die mittelalterlichen Zeugnisse
über die großen Heiligtümer zu Aachen
Von
Heinrich Disselnkötter
Die Wiederauffindung der fast ein Jahrhundert lang verschollenen
Handschrift des Aachener Marienstifts, die einst Christian Quix nur in
unzulänglicherWeise benutzt hat und die jetzt als S1559 ein Kleinod
der Bonner Universitätsbibliothek bildet, hat sich seit 1916 für die
Erforschung des frühen Mittelalters nach vielen Seiten hin nutz-
bringend erwiesen1. Auch für den Reliquienbestand des Aachener
Münsters bietet sie neben einem etwa gleichalterigen, auf der Ber-
liner Staatsbibliothek befindlichen Stiftschartular (Cod. lat. Qu
324) die älteste zuverlässige Grundlage, und, obschon die Nachprü-
fung des von Quix 1839 herausgegebenen Verzeichnisses keine er-
heblicheren Verbesserungen zutage gefördert hat, so dürfte sich
doch, weil das Quixsche Buch jetzt so selten geworden ist und ein
neues Aachener Urkundenbuch noch aussteht, ein Sonderabdruck
empfehlen.
Wir sind jetzt zudem in der Lage, das Schriftstück, welches das
zweitälteste Verzeichnis der Münsterreliquien enthält, in seinem
ganzen Wortlaut zu veröff entheb en, von dem bisher nur ein von
H. Kelleter 1892 im Kölner Stadtarchiv aufgefundenes Bruchstück
bekannt geworden war2. Dieses Schriftstück, die Abschrift einer
Kundmachung des Aachener Stiftsdechanten und -kapitels, hat sich
gleichfalls im Kölner Stadtarchiv gefunden, und zwar in einer Hand-
schrift, die, jetzt G B 192 4° signiert, ursprünglich der Kölner Nie-
derlassung der Kreuzbrüder oder -herren gehört hat und dort auch
niedergeschrieben worden ist3. Unserem Aachener Schriftstück und
1 Näheres darüber bei W. Levison und A. S chulte, Das Verzeichnis der könig-
lichen Tafelgüter von 1064/5 und seine Handschrift: Neues Archiv der Gesellschaft
für ältere deutsche Geschichtskunde 41 (1919) 559 f.
2 Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins (ZAGV) 14 (1892) 234—242.
3 Der um 1211 zu Huy im Bistum Lüttich gegründete Orden kam 1307 nach
Köln und war zuerst auf dem Hofe der Gudelinde, der Witwe des Hildger Hardefust,
in der Columbapfarre ansässig. Vgl. R. Haaß, Die Kreuzherren in den Rhein-
landen: Rheinisches Archiv 2 (1922) 79 f. Auch in Aachen gehörte ihnen seit 1372
eine dem hl. Julian geweihte Kapelle an der äußeren Pontstraße. Vgl. Haaß 117 f.
u. O. Gatzweiler, Liturgische Handschriften des Aachener Marienstifts ZAGV 46,
159 u. A. 1. Sie war „ein Geschenk der Witwe Gerhards von Bongard“ an die Brü-