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Zeitung

für bildende Kunst und Baukunst.

üunftMatt

Organ

der deutschen Kunstvereine.

Unter Mitwirkung von

Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegttiann in Düsseldorf — Schnaase
in Berlin — Schulz in Dresden — Förster in München — Eitelberger V. Edelberg in Wien

redigirt von Dr. F. Eggers in Berlin.

M 9.

Montag, den 4. März.

1850.

Die neueste Todtentanz- Literatur.

Von Ludwig Beckstein.

(Fortsetzung.)
¥11. Als fünfter Theil des von dem für die deutsche
Volksliteratur so überaus und unermüdlich thätigen Buchhänd-
lers J. Scheible in Stuttgart herausgegebenen Werkes: „Der
Schatzgräber in den literarischen und bildlichen Seltenhei-
ten, Sonderbarkeiten u. s. w. hauptsächlich des deutschen Mittel-
alters"— erschien: die Baseler T. T. in getreuen Abbil-
dungen. Nebst geschichtlicher Untersuchung, sowie Verglei-
chung mit den übrigen deutschen T. T., ihrer Bilderfolge und
ihren gemeinsamen Reimtexten. Sammt einem Anhange: T o d -
tentanzin Holzschnitten des fünfzehnten Jahrhunderts.
Von H. F. Massmann, Dr. Professor etc. Stuttgart und Leipzig
1847. 184«. Dieses Werk begleitet ein Atlas mit 81 Abbildungen
auf 22 Kupfertafeln und mit 27 lithographirten Blättern in gross
Quart. Der Titel zum Atlas enthält die Verheissung: gS* „Eine
colorirte Ausgabe der Baseler T. T. kann im nächsten Jahre
erscheinen", indess fürchten wir fast, dass die Zeit mit ihren
blutigen Todesreigen hemmend der Erfüllung entgegengetreten
sei. Hier haben wir eine wahrhafte Bereicherung der Todten-
tanzerkenntniss zu begrüssen, eine Fülle von Belesenheit in der
Literatur dieses Gegenstandes aller Zeiten und Länder, die in
Erstaunen setzt, und alle und jede Aufschlüsse über die beiden
Baseler T. T. als Wandgemälde, die immer und immer wieder
ein fast unaustilgbarer Irrthuin dem Holbein zuschreibt, so un-
austilgbar, wie der bei vielen immer noch festwurzelnde Glaube,
dass die alte Glasmalerkunst verloren gegangen.

Wir können nicht eingehen in die Einzelheiten dieser Fund-
grube der Forschung, wir konnten uns nur innig freuen, dass
es dem wackeren Massmann endlich gelungen, sein mit so viel
Liebe und Wissen längst vorbereitetes Werk zur Erscheinung
zu bringen, denn unsere Sammlung bewahrte längst diese, dem
Werke beigegebenen Bildblätter, als seine freundliche Gabe.

Nächstdem, dass die Baseler T. T. nach Ursprung, Beschaf-
fenheit, Unterschieden u. s. w. auf das genaueste gewürdigt
sind — werden nun S. 120 als 1. Anhang „die sechs Hand-
schriften des Todtentanztextes: 4 Münchner und 2 Heidelberger
vergleichungsweise erläutert. Dann IL erscheinen die alten
Reimzeilen der T. T.-Gemälde in Deutschland: 1. der Urtext;
2. der Klein-Baseler Text: 3. der Gross-Baseler Text, mit Füss-

ner Texten; 4. der Berner Text, als Parallelen neben einander
gestellt, mit zahlreichen kritischen und sprachlichen Anmerkungen
und Varianten begleitet. III. folgen die den Kl.-B., Gr.-B. (nebst
Füssner) und Berner Gemälden gemeinsamen, oder einzeln
„eigenthümliehen Bildern und Reimen mit Anklängen aus
Lübeck", endlich III. (IV.) eine tabellarische Folge der T. T.-
Bilder und Texte: 1. Handschriften, 2. Wandbilder, 3. Holz-
schnitte, einschliesslich des Dresdener Steinbildes von 1525 (?)
(1534).

Ein zweiter Anhang schildert den T. T. in Holzschnitten des
15. Jahrhunderts, der als muthinassliches Unicum der Heidel-
berger Papierhandschrift No. 438. Fol. einverleibt ist, und zwar
27 Blatt gemalte Holzschnitte mit xylographischen gereimten
Ueber- und Unterschriften: Anreden des Todes und Antworten
der Abgerufenen enthält. Dieser Text ist oberdeutsch mit nie-
derdeutschen Spuren. Auch hier machte den Anfang der Bil-
derreihe, wie auf dem Basler und den T. T. von Ia Chaise-Dieu,
vor den eigentlichen Todtenreigen, der Prediger, dessen Bild
(No. 25) vornhin gehört, darauf die 10 Reimpaare folgen müssen.

Die treu faesimilirten Bildblätter geben vollkommen den
Geist der Holzschnitte aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
wieder. Ausdruck der Gesichter, Gewandung, Faltenwurf, alles
zeigt den Incunabelstyl der Holzschneidekunst, aber doch schon
auf einer geistigen Höhe, in den Costümen Richtigkeit und Ge-
schmack; Humor und Keckheit öfters vorwaltend, Rohheit nie-
mals sichtbar. Die Todtengestalten ganz wie auf den alten
Wandmalereien, niemals völlige Gerippe; die Musikinstrumente,
die hier vorkommen, sind Pauken beim Papst, Zinken beim
Cardinal, Dudelsack beim Bischof, einfaches Tuthorn beim Chor-
herrn, Trommel in Fassform beim Kaufmann, Kilbepfeife (eine
Art Clarinette) beim lahmen Bettler, Schalmei beim Koch.

Der Atlas, dem diese Holzschnitte und Schriftfacsimiles ein-
verleiht sind, lässt uns die Bilderreihen der beiden Basler T. T.
in gutem Stich und treuer Wiedergabe so erblicken, dass oben
der alte, noch vorhandene Klein-Baseler, unten der, mit jenem
merkwürdig übereinstimmende, als Wandgemälde nicht mehr,
sondern nur noch in treuen Abzeichnungen vorhandenen Gross-
Baseler T. T. neben einander gehen. Auch hier ist, wie bei
der Erneuung in la Chaise-Dieu, der Tod auf den späteren Rei-
gen tanzender, man möchte sagen lebendiger, darum kecker
vorgestellt, worüber sich Massmann S. 112 des Buches treffend
ausspricht. Es ist der Unterschied der Zeit ausgedrückt; im
13ten und-14ten Jahrhundert schritt man wohl ernster, sittiger,

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