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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0093
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Deutfdjts

Zeitung

für bildende Kunst und Baukunst.

üunftblatt

Organ

der deutschen Kunstvereine.

Unter Mitwirkung von

Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaase
in Berlin — Förster in München — Eitelfoerger V. Kdelberg in Wien

herausgegeben von JDr. F. Eggers in Berlin.

M 10.

Sonnabend, den 6. März.

1852.

Die Ausstellung im Bernhardsaale zn Weimar.1)

limine Kunstausstellung, seit der Feslzeit am Jahresschluss
im sogenannten Beimhardsaale des hiesigen Rathhauses eröffnet,
und mit der wohlUhätige Zwecke verbunden sind} gab Gelegen-
heit, Kunstschätze kennen zu lernen, von deren Dasein in Wei-
mar das entferntere Publikum so wenig als die Schaar der
flüchtig Reisenden genügend unterrichtet sein möchte. Wir sa-
hen hier eine Reihe Handzeiclmungen, Ihren k. H. dem Gross-
herzog, der Frau Erbgrossherzogin, wie dem Erbgros sherzog
gehörig; kein einziges Blatt, das nicht in seiner Art von Be-
deutung wäre, und mehr als eines, das als Kleinod von höch-
stem Werlh geschätzt werden muss, zu ernster, verehrender
Betrachtung auffordert und in Geist und Wesen der glorreich-
sten Zeit neuerer Kunst manchen tiefen Blick thun lässt.

Vor Allem sind hier als das Kostbarste, dessen Werth durch
die engste Beziehung zu einem grossen unersetzlichen Kunst-
werk unberechenbar gesteigert wird, die zehn Apostelköpfe (auf
acht Blättern) zu Leonardo da Vinci's Abendmahl zu nen-
nen, ohne Zweifel von des Meisters eigner Hand als Vorarbeit
zu seinem grössten Werke entworfen 2).

Wer kennt nicht die Geschichte jenes grossartigen Wand-
gemäldes im Refectorium des Klosters delle'Grazie zu Mailand,

1) Das Interesse, das die Hauptzierde dieser Ausstellung, die Cartons
'von Leonardo da Vinci in der Kunstgeschichte haben, lässt gewiss

neben der voraufgegangenen Mittheilung in -Wo. 5 diese ausführlichere von
anderer schätzbarer Hand gerechtfertigt erscheinen. D. Red.

2) Mit dieser Ansicht, welche der Annahme Waagen's gleichkommt, der
die Blätter für einzelne Studien zu den Köpfen hält, wobei es dem Meister
nur darauf ankam, diese auf das Feinste durchzubilden, indem für das
Uebrige anderweitig gesorgt wurde, — mit dieser Ansicht von der ursprüng-
lichen Bestimmung des Schatzes stimmt ein ebenso gründlich eingehender,
wie geistvoller Berichterstatter in der Weimar'sehen Zeitung nicht überein,
und ist es von Interesse, die abweichende Meinung hier mitzutheilen, wie
sie sich bei Gelegenheit von zwei längeren Aufsätzen, die hauptsächlich die
Geschichte der Leonardo'schen Zeichnungen behandeln, ausgesprochen findet.
Zuvörderst wird daraufhingewiesen, dass Studien beziehungsweise Fassungen
der erst werdenden Komposition seien. Hier aber sei Alles reif und klar,
die Momente seien-schon ganz fixitfe Die Spur einer im Wählen begriffenen
Zeichnung bei dem Daumen Pfetri, wo ein leichter ümriss eine andere mög-
liche Lage desselben andeutet, wird für vereinzelt und gering erachtet gegen
die durchgängige Bestimmtheit der Auffassung und Sicherheit des Ausdrucks.
Diese Reife, heisstes, setzt viele vorhergegangene Entwürfe, Studien, Zeich-
nungen voraus. Ferner wird unzulässig gefunden, dass Leonardo die in ihm
schon' ausgebildete Komposition, eh' er sie in's Wandgemälde brachte, so
ausführlich in diesem, gcgeD das Wandgemälde kleineren Maassstabe gemalt

III- Jahrgang.

hätte, wo sie denn nach Maassstab und Umfang nicht genug, nach der Aus-
führung in sich aber zu viel für die Uebertragung gäben.

Hiermit ist nach unserer Ansicht zwar nichts Unwahrscheinliches, aber
auch nichts Ueb erzeugend es beigebracht. Einmal ist doch dem Leonardo
wohl zuzutrauen, dass er im Stande war, eine gründlich durchdachte und
seine ganze Phantasie beschäftigende Composition, sei es, nach voraufgegan-
genen anderen Studien, sei es ohne diese, nun aufzuzeichnen. Wir erinnern
bei dieser Gelegenheit an die, vielleicht woblbegründete Vermuthung, dass
Rafacl seine Sixtina ohne vorherige Studien gemalt habe, so wie an Asmus
Carstens' Gewohnheit, beim Studiren nur das Auge, niemals aber die Hand
zu gebrauchen. Sodann ist bekanntlich bei Leonardo charakteristisch, dass
ihn bei allen Dingen, die er unternahm, fast mehr die Lösung der Aufgabe
um ihret- und seinet- als um der Andern willen interessirte. Das Machen
war ihm die Hauptsache, nicht das Vorhändensein. Es lässt sich daher sehr
wohl denken, wie er den glücklich gelungenen Wurf der ersten Anlage seiner
Composition nun auch mit Liebe etwas ausführlicher durcharbeitete. Was end-
lich den kleinem Maassstab anbetrifft, so war ihm dieser gewiss für spätere
Uebertragung hinlänglich genügend. Wir kennen geistreiche Bildhauer un-
serer Zeit, welche, dem blossen Kopiren feind und abgeneigt, kolossale
Werke nach 2 — 3 Fuss hohen Thonmodellen auszuführen pflegen.

Mehr für sich scheint eine andere Annahme des Hrn. Berichterstatters zu
haben, dass Leonardo, bei der allgemeinen Bewunderung, welche sein
schönes Werk erregte und welche in den nächsten 25 Jahren nach dessen
Vollendung die Bestellung von fünfKopieen für die Speisesäle verschiedener
Klöster zur Folge hatte, diese Wiederholungen an Schüler übertragen und
zum Behuf derselben den wichtigsten Theil seines Werks in den Pastellbil-
dern musterhaft und zwar so ausgeführt habe, dass sie von Mehreren zu-
gleich benutzt werden konnten. Allein die Wahrscheinlichkeit dieser Ver-
muthung wird vom Verf. selbst beanstandet, weil dazu die Schulköpieen
sich dem Geist und dem Ausdruck der Pastellbilder nicht nahe genug zeigen,
diese auch feiner und weniger cartonmässig erscheinen. Ja sie zeigen viel
mehr, dass der Meister die in ihm ganz lebende Schöpfung noch einmal mit
sicherster Hand und wärmster Empfindung erzeugt, als dass er sein eigenes
Werk kopirt habe. Der Hr. Berichterstatter hält nicht für möglich, dass Leo-
nardo im Stande gewesen sei, sein vollendetes Werk nach einer Reihe von
Jahren unter andern gegenwärtigen Zwecken, Geschäften und Zuständen mit
dieser frischen, reinen, lebenswarmen Totalempfindung zu wiederholen. Es
müsse im vollen ruhigen FIciss der Begeisterung, es müsse sehr bald nach
Ausführung des grossen Wandbildes geschehen sein, und sollte der Zweck
zu Vorbildern für Schulköpieen auch vorhanden gewesen sein, so habe doch
nicht dieser Zweck, sondern der Ernst und die Innigkeit der noch nicht er-
schöpften, noch nicht erkalteten Vorstellung die Hand des Meisters geleitet.
So kommt der Hr. Verf. denn zu der Vermuthung, dass diese Pastellbilder
jedenfalls noch vor 1500 gemalt seien. Leonardo habe sich als guter Ar-
chitekt und Naturkundiger, als scharfsinniger Beobachter nicht über die Miss-
stände der Mauer getäuscht und so konnte es ihm nahe genug liegen, das
Edelste der Komposition, als sie in ihm noch ganz lebendig war, aufs kräf-

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