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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0354
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338

In diesen Dingen wurzelt aber nicht der Beruf zur Histo-
rienmalerei. Es ist nicht genug, dass der Künstler weiss,.wo
seine Stoffwelt ist, er muss sie kennen, er rauss sich ihr mit
Leih und Leben hingeben. Was ist es, das aus den Heiligen-
bildern der klassischen Meister so mächtig wirkt, und nicht
blos aus diesen, sondern auch — um nur ein Beispiel aus
dem Kreise der Lebenden zu wählen — aus den Gestalten und
Schöpfungen einer Apollinariskirche? — die gänzliche Hingabe
der Meister an jene, ihre StofFwelt! Dass die italienischen
Meister, dass die der Kölner Schule in dieser, ihrer Hingabe
an den religiösen Stoff im vollen Einklänge mit ihren Zeitge-
nossen waren, dass dagegen die Künstler der Gegenwart nicht
auf einen solchen rechnen können, weil einmal die Kunst, mit
der Entwicklung der Zeit fortgehend, einen Prozess durchge-
macht hat, der sie von dem unbedingten Dienst der Religion
losriss, ist eine andere Sache, die hier nicht zu erörtern steht.
Es kommt uns nur darauf an, zu zeigen, dass der Künstler
sich in diejenige Stoffwelt versenken muss, in ihr Wur-
zel schlagen muss, aus der er seine Gegenstände zum Malen
nimmt..

Was that Carstens, der in einer Zeit lebte, welche die
Aufgabe halte, den vergrabenen Schatz der Antike zu heben
und sich anzueignen? Er las <lie Dichter und Geschichtschrei-
ber der Alten; er lebte ganz in dieser Welt; er war — wie
Fernow erzählt — zu seiner Zeit der einzige Künstler in Rom,
der eine kleine, aber zweckmässige Künstlerbibliothek besass,
welche die besten Uebersetzungen der Alten enthielt. Carstens
las und sah sich in die antike Welt hinein. Thorvvaldsen,
um ein anderes Beispiel anzuführen, war wie Winckelmann
vermöge seiner ursprünglichsten Naturanlage ein ausserhalb
Hellas und de'r hellenischen Zeit geborener Hellene. Thorwald-
sen lernte darum auch und drang in die Dichter ein, wie ein
Grieche: er las nicht, er hörte nur. Wie beim Phidias war
ein Vers genug, um aus diesem Samenkorn in der Seele des
Bildners plastisch auf's neue, den durch das Wort gefeierten
Helden zu erzeugen.

Unser Menzel hat sich auch nicht blos die Röcke und
Waffen und das Mobiliar aus dem Zeitalter Friedrichs des
Grossen angesehen; nicht dass ihm diese Formen bis in's Ein-
zelnste so geläufig sind, macht ihn zu dem bedeutenden Künst-
ler, der er ist, sondern dass er sich eine bestimmte Anschau-
ungsweise gebildet hat, die vielleicht deswegen den von ihm
so vielfach illuslrirten Helden mit Vorliebe behandelt, weil ihr
Rationalismus in ihm einer verwandten Richtung begegnet. So
sehr ist diese seine Anschauungsweise eins mit seinem künst-
lerischen Thun und seiner künstlerischen Formgebung, dass er
sie bekanntlich auch da nicht verläugnet hat, wo eine gegebene
Aufgabe aus ganz anderm Gebiete eine andere, durch das Her-
kommen geheiligte Lösungsweise zu heischen schien.

Karl Friedrich Lessing in seiner innern Entwicklung
zu verfolgen, von dem romantischen Balladenmaler bis zum
Historiker, der ganz der Reformation und der von ihren Leh-
ren bedingten Anschauungsweise hingegeben ist, wäre eine
eigene .interessante Aufgabe.

Das macht die«angeführlen Männer so bedeutend, dass sie
mit ganzer Hingebung ihrer Persönlichkeit an ihre Stoffwelt zu
nehmen verstanden und verstehen, eine Hingebung, zu der sich
aber die Weltanschauung einer herausgebildeten künstlerischen
Persönlichkeit frei bestimmt. Mit anderen Worten: auch
der Historienmaler weltlicher Gesclüchtssioffe muss eben so gut
an seine Stoffwelt glauben als der Darsteller biblischer Stoffe
und muss nicht wähnen, dass die „Botschaft" an ihn gerichtet
sei, wenn ihm dieser Glaube fehlt.

Es ist gewiss kein Zufall, wenn wir Lessing in die grosse

Zeit der Reformation versenkt sehen und Menzel in ein her-
vorragendes Zeitaller seines spezielleren Vaterlandes, eben so
gut, wie es eine Notwendigkeit ist, dass eine künstlerische
Persönlichkeit wie Deger sich ganz an die christlichen Tradi-
tionen aufgieht, wenn er so herrliche Werke schaffen wollte,
wie er gethan hat.

Menzel hat freilich in vielen seiner bekannten Composi-
tionen z'ii Kugler's Geschichte Friedrich's des Grossen, eher
Historienbilder geliefert, als gerade in den beiden Oelbildern,
die er bis jetzt aus dem Leben des Königs gemalt hat. Das
eine davon, so eben vollendet, ist ausgestellt und zeigt seinen
Helden in dem Concertsaal von Sanssouci, 1750. Es ist aber
bekannt, dass der Künstler eine grössere Leinwand auf der
Staffelei hat, welche Friedrich bei Hochkirch darstellen soll
und wir hoffen zuversichtlich, dass Menzel sich darin in seiner
ganzen Stärke als Historienmaler zeigen wird. Das gegenwär-
tige Bild ist mehr, so zu sagen, der Reflex eines Historien-
bildes oder der Keim zu einem solchen. Es behauptet in der
Genre-Historie die höchste Stelle, weil man dem Ganzen, weil
man den geschichtlichen Figuren darin deutlich anmerkt, dass
die Scene die augenblickliche und kurze Muäsestunde eines
Mannes schildert, welcher mehr versteht, als die Flöte zu bla-
sen. — In dem bekannten Konzertsaal steht in der Mitte, sich
im Profil darstellend, an seinem Notenpulte, mit der Flöte am
Munde der König. Vor ihm das Klavier, an welchem, mit dem
Rücken gegen den Beschauer, aber mit dein Gesicht zum Mon-
archen hingewendet, also gleichfalls im Profil, der begleitende
Phil. Eman. Bach. Umher die Geiger und Cellisten. Quandt,
der Flötenspieler und Lehrer des Königs, lehnt-in der Fenster-
nische und scheint mit aufmerksamem Ohre und gespitztem Munde,
gleichsam die Passagen seines königlichen Schülers nachfüh-
lend , dessen Vortrag zu folgen. An der Hinterwand des Zim-
mers sitzen in den geschweiften Canapees und Lehnslühlen und
in bauschigen Kleidern die zuhörenden Damen, die Markgräfm
von Baireuth, die Prinzessin Amelie und Hofdamen, den linken
Vorgrund füllen stehend die Hofleute; unter ihnen Graf Gotter,
Baron v. Bielefeldt, Maupertuis und der Capellmeister Graun.
Von der Decke schwebt ein reicher krystallener Kronleuchter,
dessen Glanz aus der Spiegelwand zurückgeworfen wird und
der mit den Wachslichlern an dem Notenpulte die Beleuchtung
des Saales bewirkt.

Es ist unmöglich, diese Concert-, so wie jene bekannte
Tischscene sich als einem Hofe angehörig zu denken, den nichts
bewegte als Lustbarkeit, dessen Ziel und Beschäftigung der
flüchtige Genuss wäre. Ist auf diesem Bilde überhaupt jede
Person ganz ihrer Lebenssphäre gemäss charakterisirt, so zei-
gen der König und seine Schwester, die Markgräfm von Bai-
reuth, sich als historische Charaktere, ja es liegt auf dem An-
gesichte der hohen Frau sogar ein Ernst, der sich mit wich-
tigeren Dingen zu beschäftigen scheint und nur dem königlichen
Bruder zu Liebe sich von der ihm liebgewordenen Erholung
nicht ausschliessen will. Dass Menzel, neben den erfüllten An-
forderungen an die Idee des Bildes, alle Aeusserlichkeiten,
Kleider, Geräth, Lokalität u. s. w. mit einer ungezwungenen und
sich wie von selbst verstehenden Treue, mit einem gesunden
Realismus wiedergegeben hat, so dass ein Flötist bemerken
könnte, dass der König eben das d auf der vierten Linie greift,
braucht nicht erst gesagt zu werden. Hervorzuheben aber ist
noch die Meisterschaft, womit die Wirkung der Kerzenbeleuch-
tung zu Stande gebracht ist. Da ist keine erhellte Stelle im
ganzen Räume, die nicht den Grund und den Grad ihrer Be-
leuchtung aus den brennenden Lichtern herzuleiten vermöchte.

Nicht blos der grosse Fritz, sondern auch der grosse
Kurfürst mit seinerzeit und seinen Thaten ist gewiss ein wür-
 
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